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Nachgefragt
19. Dezember 2023

„Ein Konsens, der immerhin in die richtige Richtung weist“

Mit ein wenig Abstand zur COP, richtet sich der Blick von Lambert Schneider vom Ökoinstitut neben dem Erreichtem schon auf die Aufgaben der nächsten Klimakonferenzen. Wie geht es mit Klimafinanzierung und internationalen Emissionshandel weiter? Und werden die Klimapläne der Staaten für die Pariser Klimaziele reichen?

Lambert Schneider ist Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. Er war bei der COP28 an den Verhandlungen zur Ausgestaltung internationaler Kohlenstoffmärkte beteiligt

Lambert Schneider ist Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. Er war bei der COP28 an den Verhandlungen zur Ausgestaltung internationaler Kohlenstoffmärkte beteiligt
Ein Mann mit kurzen Haaren, Brille und grauen Hemd
Foto: Öko-Institut e.V.

Herr Schneider, weichgespülte Formulierung oder historischer Durchbruch, wie ordnen sie die Passagen im COP-Abschlussdokument zur Abkehr von fossilen Energien ein?

Das erste Mal überhaupt findet sich eine generelle Abkehr von fossilen Energien, und nicht nur von Kohle, im Beschluss einer Klimakonferenz wieder. Viele Akteure hätten sich natürlich mehr gewünscht, was auch wissenschaftlich notwendig ist. Aber in den Klimaverhandlungsprozessen muss immer ein Konsens gefunden werden. Da ist es gut, dass in diesem Fall eine Einigung erzielt wurde, die immerhin in die richtige Richtung weist.

Große Wirtschaftsmächte mit einem hohen Pro Kopf Ausstoß an Emissionen, wie die Golfstaaten und China, gelten weiterhin als klimapolitische Entwicklungsländer und werden zum einen nicht in gleicher Weise wie Industriestaaten in die Verantwortung gezogen und haben zudem einen Beschluss zu einem klaren phase-out – einem Ausstieg aus fossilen Energien – verhindert.

Gerecht wäre es, wenn auch diese Staaten stärker in Verantwortung gezogen werden. In deren Verständnis wollen sie sich alle weiteren Entwicklungsmöglichkeiten offenhalten. Deswegen ist es für diese Staaten auch einfacher sich, wie auf der COP geschehen, auf einen Aufruf zu einer Verdreifachung des Erneuerbaren Energien Ausbaus und Verdoppelung der Energieeffizienz zu einigen, als einen Ausstieg aus ihrem fossilen Geschäft mitzutragen. Kein anderes Land der Welt installiert mehr Erneuerbare als China, auch wenn sie weiterhin auf Kohlekraft setzen. Und Solarfelder in Saudi-Arabien produzieren bereits so günstig saubere Energie, wie in keiner anderen Region der Welt. Trotzdem setzt das Land auch weiter auf Öl und Gas.

Ob sogenannter blauer Wasserstoff oder „unabated coal“, vielfach ist im Abschlussdokument von CCS-Lösungen, der Abscheidung und Speicherung von CO2 aus fossilen Prozessen, die Rede.

Wir werden CCS in einem begrenzten Umfang brauchen. Wie etwa im Zementsektor, wo es sehr schwierig ist Emissionen zu vermeiden. Aber die Nutzung von CCS, um Kohlekraftwerke unvermindert weiter laufen lassen zu können, macht überhaupt keinen Sinn. Wir reden von einer Technologie mit begrenzten Speicherkapazitäten, die sehr teuer ist. Ich denke auch, dass Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien nur für eine begrenzte Zeit auf blauen Wasserstoff, gewonnen aus Gas mit Treibhausgas-Abscheidung, setzen werden. Langfristig wird die Herstellung von grünem Wasserstoff aus Erneuerbaren Energien wesentlich günstiger sein.

Immerhin werden alle Staaten nun dazu angehalten, ihre Nationalen Klimapläne bis 2025 zu schärfen und Treibhausgase in weit größerem Umfang einzusparen, als dies bisher der Fall ist. Wird dieser Weckruf gelingen?

Die Einreichung von neuen Klimazielen in 2025 ist für alle Länder verpflichtend, die Höhe der Ziele jedoch nicht. Aber trotzdem ist es ein sehr deutliches Signal, das hier gesetzt wurde. Denn nun wurden erstmals alle Länder aufgefordert, Klimaziele für ihre gesamte Ökonomie, also für alle Sektoren sowie Gase, zu formulieren. China zum Beispiel hat bislang nur CO2 Minderungsziele in seinem Klimaplan berücksichtigt. Und andere Länder lassen Hochemissionssektoren wie den Verkehr bislang ganz aus ihren Klimazielen raus. Die neuen Klimaziele sollen für den Zeitraum bis 2035 gelten. Die Entscheidung von Dubai macht dabei auch deutlich, dass für die Erreichung des 1,5 Grad Ziels die Emissionen in 2035 um 60 Prozent im Vergleich zu 2019 sinken müssen. Es ist gut, dass dieses neue Ziel auf der Klimakonferenz konkret benannt wurde. Es setzt den Maßstab für die neuen Klimaziele.

Zwar wurde im Abschlussdokument der COP vermerkt, dass der Globale Süden deutlich mehr Geld für Klimaschutz, Klimaanpassung und Klimaschäden braucht. Konkrete Zusagen der Industriestaaten wurden aber größtenteils auf die kommende COP in Aserbaidschan verschoben. Wird es da Fortschritte geben?

Das wird sicher eines der ganz großen Themen auf der nächsten Klimakonferenz werden. Es ist völlig klar, dass die Entwicklungsländer deutlich mehr Geld brauchen. Es ist aber auch klar, dass das Geld nicht nur von den Industriestaaten kommen kann, sondern die Basis der Länder erweitert werden muss. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben hier den Anfang gemacht, indem sie zu Beginn der COP gemeinsam mit Deutschland den Startschuss für die Anschubfinanzierung des Loss and Damage Fonds geleistet haben und 100 Millionen zu insgesamt über 700 Millionen US-Dollar beigesteuert haben. Die Frage, was der Privatsektor leisten kann, muss künftig stärker in den Blick genommen werden. Auch der Finanzsektor muss stärker Verantwortung übernehmen. Reformen, wie bei der Weltbank, weisen in die richtige Richtung.

Auch globale Steuern auf klimaschädliches Verhalten und Produkte sind Thema.

Kenia, Spanien und Frankreich haben auf der COP das Thema globaler Klimasteuern angestoßen, wie zum Beispiel die Besteuerung von Kerosin für internationale Flüge, um mehr Klimagelder bereitzustellen. Natürlich sind solche global umfassende Steuern sehr schwierig durchzusetzen. Ich sehe es eher, dass sich Gruppen von Staaten zusammentun, um etwa gemeinsam Steuern auf den Ausstoß von Treibhausgasen zu beschließen. Bisher ist Kerosin für internationale Flüge komplett von Steuern befreit. Die EU plant zum Beispiel, diese Subventionierung langsam abzubauen und schrittweise eine Kerosinsteuer einzuführen.

Was hat Ihnen auf dieser COP gefehlt? Was sollte auf den kommenden Klimakonferenzen dringend auf die Agenda?

Grundsätzlich sind die Themen auf den Klimakonferenzen schon ziemlich umfangreich. Bislang wurden vor allem die Regeln des Pariser Klimaabkommens ausgestaltet. Nun sollte der Fokus sich darauf richten, diese Regeln durch verbesserte nationale Klimaziele umzusetzen. Welche Regeln noch spezifischer ausgestaltet werden müssen, sind die der internationalen Kohlenstoffmärkte, dem Mechanismus, dass Staaten sich CO2-Zertifikate aus anderen Ländern gutschreiben lassen können für Klimaschutzprojekte in den dortigen Regionen. Festgeschrieben wurden die Regeln für diesen internationalen Emissionshandel auf der COP26 unter Artikel 6.

Sie waren auf der diesjährigen COP an den Verhandlungen dazu beteiligt.

Es ging in den Verhandlungen unter anderem darum, wie spezifisch die Regeln seien müssen, um die Integrität beim Klimaschutz aufrechtzuerhalten und wie viel Flexibilität es gleichzeitig geben darf. Wir haben unter anderem darüber diskutiert, wie für die Aufnahme von CO2 aus der Luft Emissionsgutschriften ausgegeben werden sollen. Hier waren vor allem strittig, wie gut die Dauerhaftigkeit der Aufnahme gewährleistet wird. Wenn zum Beispiel ein aufgeforsteter Wald gerodert wird, wird auch der aufgenommene Kohlenstoff wieder freigesetzt. Für die EU gab es in der Vorlage keine ausreichende Sicherheit, dass eine Wiederfreisetzung von CO2 tatsächlich kompensiert wird. Die meisten anderen Staaten wollten die vorgeschlagenen Regeln dennoch verabschieden.  Am Ende hat die EU eine Entscheidung dazu abgelehnt. Der Verhandlungsprozess zur weiteren Ausgestaltung der internationalen Kohlenstoffmärkte ist auf dieser Konferenz gescheitert und muss nun bei der Zwischenkonferenz im Juni 2024 wieder aufgenommen werden, damit wir in Aserbaidschan dann eine Entscheidung abschließen können.

Das Interview führte Manuel Grisard    


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