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Nachgefragt
15. Januar 2024

Regionalstrom stärken: einfach und flexibel

Die Bürgerenergie-Akteure sehen das Energy Sharing in Deutschland nicht ausreichend ermöglicht. Bei den Bürgerwerken wünscht man sich vor allem bessere Vermarktungsmöglichkeiten für Regionalstrom und weniger Aufwand bei der Vermarktung.

Nico Storz betreut bei den Bürgerwerken die beteiligten Bürgerenergiegenossenschaften.

Nico Storz betreut bei den Bürgerwerken die beteiligten Bürgerenergiegenossenschaften.
(Foto: Bürgerwerke / Michael Goldschalt)

Vielleicht zunächst eine kleine Einordnung: Die Bürgerwerke sind ein Unternehmen, das Ökostrom aus Bürgerenergiegenossenschaften vermarktet. Könnte man das schon als Energy Sharing bezeichnen?

Den Begriff „Energy Sharing“ gab es vor zehn Jahren so noch nicht – aber die Idee, Energiewende in Gemeinschaft umzusetzen, ist seit der Gründung vor zehn Jahren tief verwurzelt. Mittlerweile haben die Bürgerwerke über 125 Genossenschaften als Mitglieder.

Die Energiegenossenschaften ermöglichen es den Menschen, sich an Bürgerwind- und Solarparks vor Ort zu beteiligen und den Strom aus diesen Anlagen zu Hause zu beziehen. Finanzierung, Bau und Betrieb der Anlagen übernehmen die lokalen Genossenschaften, die energiewirtschaftlichen Pflichten hinter dem Energiehandel übernehmen die Bürgerwerke als Dachgenossenschaft. Dieses Konzept nennen wir „Energie in Gemeinschaft“.

Unterstützen die Bürgerwerke die Forderungen nach besseren politischen Rahmenbedingungen?

Ja. Im Moment sehen wir, dass regional erzeugter und genutzter Strom eher benachteiligt ist. Bei der geförderten Direktvermarktung zahlt man einen Aufpreis für die Regionalnachweise. Auch die Etikettierung ist nicht einfach, sprich:  – wann Strom als lokal erzeugt vermarktet werden darf. Hinzu kommt der Aufwand, die Anlagen ins Netz einzubinden und dabei mit 800 verschiedenen Verteilnetzbetreibern zusammenarbeiten. Eine Erleichterung der regionalen Belieferung von Haushaltskunden würden wir daher sehr befürworten.

Meinen Sie mit Erleichterung eine finanzielle Förderung?

Es geht nicht nur um finanzielle Förderung, sondern in erster Linie um Vereinfachung, zum Beispiel über eine Standardisierung der Prozesse. Um für die Kundinnen und Kunden ein attraktives Angebot schaffen zu können, müssen die Prozesse im Hintergrund mit weniger Aufwand verbunden sein – nur so können wir Energy Sharing in die Breite bringen. Ein Beispiel wäre, wenn man für den Regionalnachweis nichts mehr zahlen muss.

Wie ordnen Sie die Konzepte vom Bündnis Bürgerenergie und vom Bundesverband Neue Energie ein?

Der elementare Unterschied besteht in der Eigentümerstruktur der Anlagen. Beim Konzept des Bündnisses Bürgerenergie geht es um Gemeinschaftsanlagen, um gemeinsame Windkraft- oder PV-Freiflächenanlagen – vor allem auch um große Anlagen und deren Akzeptanz. Das Konzept des bne richtet sich dagegen eher an Errichter kleinerer Privat-Anlagen, die ihren Strom an ihre Nachbarn vermarkten wollen. Natürlich geht der Sharing-Gedanke beim Konzept des Bündnis Bürgerenergie deutlich tiefer, da nicht nur das Produkt geteilt, sondern auch die Produktionsgüter gemeinschaftlich betrieben werden. Auf der Abwicklungsseite könnten sich aus beiden Konzepten aber auch Synergien für die jeweils andere Zielgruppe ergeben.

Sie haben von Vereinfachung gesprochen, welche Vorschläge machen Sie dazu?

Meist wird bei Vereinfachung nur der Endkunde betrachtet. Ein Klick in einer App und schon ist Energy Sharing erledigt. Das ist nicht die Vereinfachung, die wir meinen. Wir plädieren dafür, bestehende Prozesse zu verbessern und zum Beispiel die Verteilnetzbetreiber zu entlasten. Wenn ihnen mit Energy Sharing ein zusätzlicher Aufwand aufgebürdet wird – und das womöglich bei gleichzeitig verringerten Netzentgelten – sind wir ganz schnell in einer Situation, wo es eher komplizierter als leichter wird. Anlagen unter 100 kWp müssen zudem deutlich von den bestehenden Direktvermarktungs-Pflichten entlastet und etwa in Sachen Fernsteuerung EEG-Einspeiseanlagen gleichgestellt werden.

Mit dem Energy Sharing werden mehrere Ziele angestrebt – die Akzeptanz der Energiewende, die Beteiligung der Bürger und nicht zuletzt eine Entlastung der Verteilnetze. Was kann realistisch mit Energy Sharing erreicht werden?

Das wichtigste Ziel sollte die Akzeptanz-Steigerung der Energiewende durch Bürgerbeteiligung sein. So steht es ja auch im Koalitionsvertrag. Zu einer möglichen Netzentlastung dagegen äußern sich Netzbetreiber bisher eher skeptisch. Da die Bürgerwerke selbst keine Netze betreiben, können wir dazu nichts sagen.

Es sind tatsächlich vier Ebenen, die im Thema Energy Sharing stecken: Regionalität, Mitsprache, Beteiligung und Flexibilität. Eine Produktbeschreibung von Energy Sharing bereits im Gesetzestext festzulegen ist für die schnelllebige Energiewelt zu starr. Da könnte ein Baukasten viel besser geeignet sein, indem zum Beispiel zuerst auf die Regionalität geschaut wird, dann auf die Umsetzung der flexiblen Tarife und so weiter. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir unter dem Begriff Energy Sharing ein innovationsfreudiges System schaffen, in dem diese vier Aspekte von Energy Sharing immer weiter verbessert werden.  

Das Gespräch führte Petra Franke.


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