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10 Jahre Bündnis BürgerenergieFrieden fördern mit genossenschaftlicher Energieerzeugung

Mitglieder der friedensfördernden Energiegenossenschaft aus Herford
Das Foto entstand anlässlich der Aufnahme von vier neuen Mitgliedern, die von Vorstand, Aufsichtsrat und aktiven Mitglieder der FEGH begrüßt wurden. (Foto: FEGH eG)

Die Friedensfördernde Energie-Genossenschaft aus Herford trägt einen wichtigen politischen Zusammenhang bereits im Namen. Wer seine Energie vor Ort erzeugt, muss nicht anderswo um Ressourcen kämpfen.

24.04.2024 – Ursprünglich wollten die Aktivist:innen der Energiewende aus dem Raum Herford vor allem Windenergieanlagen errichten. Daraus wurde bis heute nichts, auch wenn gerade wieder Hoffnung für ein konkretes Projekt aufkeimt. 2011 fanden sie sich zusammen, kamen aus der Protestbewegung gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Barbara Rodi, eine der Engagierten der ersten Stunde und seit der Gründung auch Vorständin der Friedensfördernde Energie-Genossenschaft Herford FEGH eG, erinnert sich: „Uns schien die Energiewende zu langsam und zu schleppend voranzugehen. Wir wollten da selbst etwas auf die Beine stellen.“ Das Ziel war schon damals, den gemeinsam erzeugten Strom möglichst auch vor Ort zu nutzen.

Fossile Kriege müssen nicht sein

Bei der Suche nach einem Namen stand ein Gedanke im Vordergrund: „Nach außen zeigen, worum es eigentlich geht. Dass wir, wenn wir uns selbst mit Energie versorgen können, auch Ressourcen-Kriege vermeiden können“, erzählt Rodi. „Jetzt, seit 2022, müssen wird das Ganze weniger oft erklären. Inzwischen ist vielen Menschen klar geworden, dass es ohne Energie nicht geht und wir vor allem von den Fossilen wegkommen müssen.“ Anfangs wurde das Wort „friedensfördernd“ noch etwas skeptisch aufgenommen, mit aus heutiger Sicht seltsamen Argumenten. Frieden wurde mit Friedensbewegung assoziiert und eher politisch links verortet, für die Linken wiederum war das Ganze zu renditeorientiert. „Letzteres ist schlichtweg Unwissen, denn Genossenschaften sollen ihre Mitglieder fördern, nicht vordergründig gewinnorientiert arbeiten. Gut Wirtschaften müssen sie natürlich trotzdem“, wie Rodi erklärt.

Unterstützung kam in der Gründungsphase von den Energiewerken Schönau und vom Zentralverband Deutscher Konsumgenossenschaften, ein Verband, der sich aktiv für kleinere Genossenschaften einsetzt. Als die Reaktorkatastrophe von Fukushima die Welt in Atem hielt, kamen sehr schnell sehr viele neue Mitglieder hinzu. Weil Politik und Verwaltung im Kreis die Windkraft ausbremsten, beschlossen die Mitglieder kurzerhand Photovoltaikanlagen zu errichten. Eine Wohnungsbaugenossenschaft wurde als Partner gewonnen, ebenso zwei landwirtschaftliche Betriebe.

Solarpark auf einer Deponie

2020 folgte ein großer Schritt, der Bau einer PV-Anlage mit 750 Kilowatt Leistung – gerade noch die Größe, die ohne den Zuschlag in einer Ausschreibung errichtet werden konnte. Weil der Umweltschutzgedanke kein Lippenbekenntnis sein sollte, schaute man sich gezielt die Deponien im Kreis Herford an.

Auf einer davon wurde inzwischen die Anlage gebaut.  Obwohl, wie Barbara Rodi erzählt, das schon eine besondere Herausforderung war. Denn die Montagestelle für die Solarmodule durften nicht tiefer als 40 Zentimeter in den Boden gerammt werden, um die Abdeckfolie der Deponie nicht zu durchdringen. Hinzu kamen Corona und die Degression der Einspeisevergütung – zu viel Zeit durfte nicht verstreichen.  Zum ersten Mal kam eine Bank als Finanzierungspartner hinzu. Inzwischen klopfen immer wieder potenzielle Nachahmer an, die sich für das Projekt und seine ganz praktischen Fragen interessieren.

Heute hat die FEGH rund 500 Mitglieder aus ganz Deutschland, von Flensburg bis Friedrichshafen. Aber die meisten kommen aus der unmittelbaren Umgebung von Herford. Den harten Kern bilden 15 Aktive. „In diesem Kreis bemühen wir uns, basisdemokratisch zu arbeiten“, wie Rodi berichtet. In thematischen Gruppen wird die Arbeit auf viele Schultern verteilt: Akquise, Planung, Finanzen, Service und Öffentlichkeitsarbeit. Alle arbeiten ehrenamtlich für die Genossenschaft. Rodi ist im Hauptberuf Musiktherapeutin. „Da geht es viel um Kommunikation, und das ist auch bei Energiegenossenschaften wichtig.“

Vielfalt ist auch in Herford gefragt

Barbara Rodi – wie viele andere Frauen in der Energiewende-Community – versucht ganz gezielt Frauen zu aktivieren. „Ich finde, ohne Frauen geht die Energiewende nicht. Wir brauchen alle.“ Ein Workshop zum Thema Balkonmodule gezielt für Frauen stieß auf große Resonanz. Unterstützt wurde er von einem Verein – SoLocal Energy aus Kassel. Überhaupt engagiert sich die Genossenschaft für den Wissenstransfer rund um die Energiewende. Zuletzt organisierte man eine öffentliche Veranstaltung zur kommunalen Wärmewende. Gerade erreichen die FEGH immer wieder Anfragen von Initiativen, die ebenfalls eine Energiegenossenschaft gründen wollen. Vorträge und Informationsveranstaltungen stehen ebenfalls im Terminplan der aktiven Genossenschaftsmitglieder. Rad-Demos und die Fridays For Future gehören ebenfalls dazu. Die soziale Seite der Energiewende hat die Genossenschaft kürzlich in einer konkreten Aktion gezeigt. Vier Anteile wurden an vier junge Frauen verschenkt, die aus der Partnerschaft mit Fridays for Future den Kontakt mit der Genossenschaft gefunden hatten.

Überhaupt, das Thema Jugend. Wie bei anderen Genossenschaften auch, ist der Neueintritt jüngerer Mitglieder nicht selbstverständlich. Barbara Rodi bedauert das: „Man mag es vielleicht nicht so schlimm finden, wenn die Aktiven alle um die 60 oder älter sind, aber irgendwann muss es einfach einen Generationenwechsel geben. Außerdem sind die Stimmen und Ansichten der jüngeren Generation wichtig – und die jungen Leute bringen Kenntnisse mit, die wir Oldies einfach nicht haben, die aber dringend gebraucht werden. Für die Lebendigkeit und Ausgeglichenheit werden alle gebraucht.“

16 PV-Anlagen mit insgesamt 3,5 Megawatt Leistung hat die Genossenschaft inzwischen errichtet. Viele Jahre gab es keine Ausschüttungen, auch deshalb, weil Anlagen an Gebäudenutzer vermietet sind, die den Strom direkt nutzen, und die Miete absichtlich nicht auf Gewinn ausgelegt war. Als mit dem Ukraine-Krieg die Energiepreise hochgingen und das Geld auch in der Kasse der Genossenschaft ankam, wurden im letzten Jahr erstmals 7,5 Prozent pro Anteil an die Mitglieder ausgeschüttet. Ein guter Teil ist in die Rücklagen für neue Projekte gewandert. Eine Mitgliederbefragung gibt den Verantwortlichen insofern recht: das Voranbringen der Energiewende ist ein stärkeres Motiv bei den Mitgliedern als die Rendite. Petra Franke

Dieses Genossenschaftsporträt ist Teil einer Reihe zum 10-jährigen Bestehen des Bündnis Bürgerenergie BBEn. Hier geht es zu weiteren Geschichten rund um die Bürgerenergie.

Genossenschaft mit Willenskraft – EGIS eG

Beteiligung nach dem Kirchturmprinzip – Bürgerenergiegenossenschaft BENG

Ehrenamtlich im Dienst der Energiewende – BEG-58 aus Hagen


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