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10 Jahre Bündnis BürgerenergieGenossenschaft mit Willenskraft

Luftbild Montage Fernwärmeleitung innerorts
Bau eines Straßenzuges beim Fernwärmeprojekt Emmerting. Mittlerweile sind 192 Haushalte angeschlossen.  (Foto: EGIS eG)

Einfach mal mutig sein, mit dieser Haltung geht die Bürgerenergiegenossenschaft EGIS e.G. an ihre Projekte. Solarparks, Dachanlagen, Ladestationen und Fernwärmenetze – die Genossenschaft ist inzwischen Allrounder in verschiedenen Segmenten.

11.04.2024 – Die Bürgerenergiegenossenschaft EGIS eG ist eine der größten in Deutschland. Mehr als 2.400 Mitglieder bringen mit ihrem Geld und ihrem Engagement die Energiewende voran. Schon bei der Gründungsversammlung 2013 im Landkreis Altötting waren es 150 Energiewende-Enthusiasten. Heute agiert die Genossenschaft deutschlandweit.

Das übergroße Interesse schon bei der Gründung bescherte der Gemeinschaft viel Geld, ein konkretes Projekt aber gab es noch nicht. Von Anfang an dabei war Pascal Lang, der damals noch im Landratsamt Altötting als Klimaschutzmanager arbeitete. Er vermittelte das erste Projekt: eine Solaranlage auf einem Turnhallendach. Auch andere Gründungsmitglieder aktivierten ihre beruflichen Erfahrungen und Netzwerke für die Genossenschaft. So gab es beispielsweise einen Finanzvorstand einer Genossenschaftsbank, der viel wertvolles Organisations-Knowhow mitbrachte, einen Vertriebler von Photovoltaik-Anlagen und einen Elektromeister.

„Unsere Gründung fiel in eine Saure-Gurken-Zeit, die Jahre 2014, 2015 waren insgesamt für die Photovoltaik dunkle Jahre. Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte der Photovoltaik einen Zubaudeckel verordnet“, erinnert sich Pascal Lang. „Aber für uns war das Ansporn und der Beginn einer Entwicklung, die uns weit gebracht hat. Einfach mal mutig sein!“ Die Genossenschaft hatte gerade zwei oder drei kleine Dachanlagen realisiert und eine Beteiligung an einem Solarpark erworben, als sie sich aufmachte, im thüringischen Wachenbrunn den bis dato größten Bürgersolarpark zu bauen mit knapp 9 Megawatt Leistung. Im gleichen Jahr folgte zusammen mit einer anderen Genossenschaft in Sachsen ein weiteres Großprojekt mit 2,5 Megawatt Leistung.

Feldlerche erfolgreich wieder angesiedelt

Der Solarpark Bundorf war noch in anderer Hinsicht bedeutungsvoll. Es sollten über 100 Hektar Ausgleichsfläche für die Feldlerche geschaffen werden. Für das Projekt ein KO-Kriterium. Die Genossenschaft argumentierte, die Feldlerche fühle sich auch im Solarpark wohl. Erstmals in Deutschland wurde eine Ausgleichsmaßnahme innerhalb der Fläche genehmigt – mit der Auflage die Population zu dokumentieren. Die Feldlerche wurde erfolgreich wieder angesiedelt. Von den ursprünglich 14 Lerchen-Pärchen auf der Gesamtfläche wurden nach der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts mit 20 Hektar schon 30 Brutpaare gezählt.

Beim Feldhamster funktioniert das leider nicht, hier müssen am Solarpark Ochsenfurt Ausgleichsflächen geschaffen werden, auf denen sich das Nagetier wohlfühlt, die richtige Nahrung findet und die nächsten Jahre auch nicht gestört wird. Diese Auflage nimmt die Genossenschaft sehr ernst, denn schließlich geht es um den Naturschutz und das gute Ansehen, der Genossenschaft und der Photovoltaik im allgemeinen.

Das erste Fernwärmeprojekt

Mit dem Spirit der Unerschrockenen wagte sich die Gemeinschaft 2020 – als Gas noch unendlich und preiswert verfügbar schien – an ihr erstes regeneratives Fernwärmeprojekt. Realisiert wurde es in Emmerting mit aktuell 192 Anschlüssen. Auslöser war die Ansiedlung einer Gärtnerei in der Nähe eines Müllheizkraftwerkes. Bis dahin blies das Heizkraftwerk seine Abwärme einfach in die Luft. Die Gärtnerei hatte Wärmebedarf und die Gemeinde überlegte die Wärme aus dem Heizkraftwerk zu nutzen. Schnell gingen die Gedanken darüber hinaus, die Genossenschaft wurde ins Boot geholt, eine Machbarkeitsstudie gemacht. Zwischen dem ersten Telefonat und dem Baubeginn lagen ganze neun Monate.

Emmerting ist nahezu eine reine Wohnsiedlung, es gibt kaum Gewerbe, die meisten Gebäude sind Einfamilienhäuser. „Wir haben zu hören bekommen, in dieser Konstellation sei ein Fernwärmenetz nicht wirtschaftlich machbar. Man bräuchte große Verbraucher, wie Hotels oder Krankenhäuser. Wir haben uns nicht beirren lassen und der Projekterfolg gibt uns recht“, erzählt Lang.

Das Grundmodell für ein Fernwärmenetz gleicht dem Bau von Solaranlagen: interessierte Anwohner und Genossenschaftsmitglieder beteiligen sich finanziell am Projekt und profitieren von den Erträgen. Wer gleichzeitig Mitglied ist und Kunde profitiert zusätzlich von einem günstigeren

Das Fernwärmeprojekt im Jahr 2020 setzte eine weitere Zäsur. Zu komplex und zeitintensiv wurden die Aufgaben. Pascal Lang hängte seinen Job an den Nagel und arbeitet seitdem hauptamtlich für die EGIS e.G. Inzwischen beschäftigt die Genossenschaft zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bei jedem Projekt werden die einzelnen Leistungen ausgeschrieben und beauftragt, Planung und Koordination übernimmt die Genossenschaft.

EGIS-Energiedorf Bundorf

Als die Planungen für den 125 Megawatt großen Solarpark in Bundorf begannen, entstand die Idee des EGIS-Energiedorfes, die inzwischen Realität geworden ist. Der Solarpark – wiederum von der Größe her ein Superlativ in der Bürgerenergie – ist gebaut und erzeugt sauberen Strom. Ein Teil des Stromes wird in die Fernwärmeversorgung für Bundorf fließen. 1.600 Trassenmeter wird das Wärmeleitungsnetz lang sein, das von einer Heizzentrale gespeist wird. Dort sorgt eine Großwärmepumpe für die Grundlast, darüber hinaus dient ein großer Warmwasserspeicher als Pufferspeicher. Ein Biomassekessel soll die Spitzenlast abdecken. Perspektivisch könnten 45 Haushalte mit regenerativer Fernwärme aus Genossenschaftshand versorgt werden. Parallel wird die E-Mobilität ausgebaut in Form von Ladesäulen.

Menschen für einen Wechsel auf Fernwärme zu gewinnen, ist gar nicht so leicht, wie Lang berichtet. Schließlich müssen sie für den Anschluss bezahlen und in aller Regel muss der Heizungskeller umgebaut werden. Da kommen schon mal 20.000 bis 30.000 Euro für den Anschlussnehmer zusammen. Auch bei der Genossenschaft realisiert sich eine Rendite erst nach einigen Jahren. „Fernwärmenetze sind wirklich langfristige Investitionen“, wie Lang betont.

Auch die Ladestationen sind in den ersten Jahren kein wirkliches Geschäftsmodell. Aber sie werden von der Genossenschaft gebaut, „weil sie uns gehören sollen und wir uns die Standorte sichern wollen“. Die Ladezyklen nehmen zu, wie Lang beobachtet. Während 2016 an der ersten Ladesäule im Landkreis ein Ladezyklus pro Monat stattfand, findet jetzt an der gleichen Ladesäule eine Ladung alle zwei, drei Stunden statt.

„Genossenschaftsprojekte sind kein Selbstläufer, wir müssen immer hart arbeiten“, erzählt Lang. „Aber es macht Spaß.“ Das Bündnis Bürgerenergie ist für Lang eine wichtige Stimme gegenüber der Bundespolitik. Aber es ist wie immer ein Geben und ein Nehmen. In diesem Fall bringt Lang seit vielen Jahren seine Expertise und seine Erfahrung im Rat der Bürgerenergie ein. Über das Mentoring-Programm wird Wissen transferiert an neu hinzukommende, auch das von unschätzbarem Wert. „Das Netzwerk der Bürgerenergie ist einfach sehr transparent, sehr offen und sehr ehrlich. Jeder teilt gern sein Wissen, eine wunderschöne Art zu arbeiten.“ Natürlich schaffe auch die Gesellschaftsform Vertrauen und manch einer sieht dort sein Geld einfach gut aufgehoben. Petra Franke

Dieses Genossenschaftsporträt ist Teil einer Reihe zum 10-jährigen Bestehen des Bündnis Bürgerenergie BBEn. Hier geht es zu weiteren Geschichten rund um die Bürgerenergie.

Beteiligung nach dem Kirchturmprinzip – Bürgerenergiegenossenschaft BENG

Ehrenamtlich im Dienst der Energiewende – BEG-58 aus Hagen


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