Menü öffnen

Nachgefragt
08. März 2021

„In der Politik ist die Windkraft nicht sehr beliebt“

Nachdem in Thüringen Ende letzten Jahres per Gesetz das Aus für die Windkraft im Wald kam, ist ein nennenswerter Ausbau in sehr weite Ferne gerückt. Die Akteure des waldreichen Bundeslandes sind im Wahlkampfmodus, einen Schritt zulegen kann wohl erst die nächste Landesregierung.

Ramona Rothe ist Leiterin der Servicestelle Windenergie in Thüringen und im ständigen Dialog mit Bürgern, Gemeindevertretern und Projektierern.

Ramona Rothe ist Leiterin der Servicestelle Windenergie in Thüringen und im ständigen Dialog mit Bürgern, Gemeindevertretern und Projektierern.
Foto: ThEGA

Frau Rothe, wie kam es zur Rolle rückwärts beim Ausbau der Windenergie in Thüringen?

Thüringen hat 2016 einen Windenergieerlass herausgebraucht, der auch die Planung von Windenergieanlagen im Wald möglich machte. Ihm folgten die regionalplanerischen Ausweisungen, die erstmals in Ost- und Südwestthüringen mehrere Windenergieprojekte in einem Wald auswiesen. Es regte sich Widerstand, im zweiten Ostthüringer Entwurf der Regionalplanung waren dann von 39 Vorranggebieten noch 22 übrig. Wir hatten mit einigen der rund 50 Bürgerinitiativen Kontakt, die gegen einzelne Projekte, besonders in Waldflächen mobil machten. In diese regionalplanerischen Aktivitäten hinein platzierten CDU und FDP einen Entwurf zur Änderung des Waldgesetzes. Dieser wurde im Dezember vom Thüringer Landtag angenommen. Windkraft im Wald ist nun vorerst nicht mehr zulässig. 

Wurden überhaupt Windräder im Wald errichtet und wie hat sich die Forstverwaltung positioniert?

Seit 2016 wurden genau zwei Windkraftanlagen in einem Wirtschaftswald in Ostthüringen an der Grenze zu Bayern gebaut. Diese Anlagen wurden mit breiter Beteiligung geplant und für gerodete Flächen hochwertiger Mischwald aufgeforstet. Die Forstverwaltung hat den Prozess positiv begleitet. In Thüringen gibt es sehr viele geschädigte Waldflächen. Sie mit Windenergieanlagen zu bebauen, könnte manchem Waldbesitzer helfen, die Flächen überhaupt wieder aufforsten zu können. Auch der Staatsbetrieb Thüringen Forst sprach sich dafür aus.

Kann Thüringen seinen Klimaschutzplan ohne die Windkraft im Wald überhaupt schaffen?

Die Antwort auf die Frage wird noch auf sich warten lassen. 2023 will die Landesregierung die bisherigen Anstrengungen evaluieren. Ich bin da skeptisch, auch weil das Ende der EEG-Vergütung von 355 Windenergieanlagen in den nächsten 5 Jahren ansteht. Hier braucht es gute Konzepte und Anstrengungen, für Repowering und Weiterbetrieb der aus der Vergütung laufenden Windenergieanlagen. Im Thüringer Klimagesetz ist verankert, dass ein Prozent der Fläche für Windkraft ausgewiesen werden soll. Thüringen will sich bis 2040 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien versorgen. Derzeit nutzen die Thüringer zu rund 50 Prozent Kohle- und Atomstrom aus anderen Bundesländern. 2020 wurden in Thüringen 16 Anlagen neu gebaut, aber auch 11 Anlagen stillgelegt.

Wie sieht es mit dem Repowering von Altanlagen aus?

Neben der fehlenden Flächenverfügbarkeit für Neuanlagen, ist auch das Repowering eingeschränkt. Aufgrund der neuen Abstandsregeln ist es häufig nicht möglich, an alten Standorten neue Anlagen zu errichten. Es müssen die 1000 Meter Abstand nach Bundesgesetz eingehalten werden. In Mittelthüringen – einem unserer vier Regionalplanungsgebieten – gelten sogar 1.250 Meter Mindestabstand zu jedweder Siedlung. Thüringen muss deutliche Anstrengungen unternehmen, um einem Rückwärtstrend entgegenzuwirken und um unsere Klimaziele nicht zu gefährden. Denn eins ist klar, die Windenergie ist und bleibt auch zukünftig ein Zugpferd der Energiewende.

Wie kann diese Entwicklung aufgehalten werden?

Gerade wurde von der Landesregierung eine Metastudie zu Vorranggebieten Wind erstellt. Sie beinhaltet Szenarien mit und ohne Wind im Wald. Die Erkenntnisse könnten in den Landesentwicklungsplan einfließen und für mehr Rechtssicherheit sorgen. Derzeit sind 0,4 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen, ein Prozent sollen es werden. Da sollte sich keine Gemeinde oder Region wegducken. Aber auch mit der größten Transparenz kommen wir nicht weiter, wenn die Rahmenpolitik nicht passt – Kommunenbeteiligung und Mindestabstände sind dabei zwei wichtige Baustellen. Wir prüfen, ob wir die freiwillige Beteiligung der Kommunen, wie sie im EEG 2021 formuliert ist, in eine verpflichtende Beteiligung im Rahmen des Siegels für faire Windenergie umwandeln.

Gibt es Hoffnung auf politische Unterstützung?

In Thüringen herrscht Wahlkampf. Ursprünglich waren die Landtagswahlen für das Frühjahr geplant, nun sind sie auf September verschoben. In dieser Zeit wird es wohl wenig Bewegung bei den Rahmenbedingungen geben. In der Politik ist die Windkraft, gerade in Wahlkampfzeiten, nicht sehr beliebt. Die Auseinandersetzungen vor Ort in den Gemeinden sind rauer und weniger konstruktiv geworden. Die Bürgermeister üben ihr Amt zum Teil ehrenamtlich aus. Da ist ein Eintreten für die Windkraft vor der Haustür wirklich eine große Kraftanstrengung. Doch wir brauchen die Windkraft unbedingt. Sie ist unser Zugpferd bei der Energiewende. Ohne sie wird es auch keinen grünen Wasserstoff geben.

Das Gespräch führte Petra Franke.


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft