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SanierungNachhaltig wohnen im Bunker aus dem 2. Weltkrieg

Ehemaliger Bunker mit Anbau
Aus dem Weltkriegsbunker wurde ein modernes, fast energieunabhängiges Wohn- und Gewerbequartier. (Foto: David Wodtke)

In Düsseldorf wurde ein Hochbunker zu einem nachhaltigen Gebäude mit Wohnungen und Gewerbeflächen umgebaut. Photovoltaikanlage, Stromspeicher und ein Blockheizkraftwerk decken 95 Prozent des Strombedarfs.

26.07.2021 – Energetische Sanierung bei Bestandsgebäuden ist immer komplex und individuell. Dass sie sogar bei einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg gelingen kann, zeigt der Architekt David Wodtke in Düsseldorf. Die soziale Komponente kommt ebenfalls nicht zu kurz: preisgünstiges und gemeinschaftlichen Wohnen und Arbeiten.

Mit der Idee einen Bunker zum modernen und nachhaltigen Wohnen umzubauen, beschäftigte sich Wodtke schon seit seinem Studium in Berlin. In Düsseldorf-Gerresheim hat er nun seine Vision in die Praxis umgesetzt. Seit dem Frühjahr ist der sanierte Gebäudekomplex mit zwei aufgestockten Etagen und einem neuen Anbau bewohnt.

Der Hochbunker gegenüber der Arbeitersiedlung Neustadt gehörte zur Gerresheimer Glashütte. Da der Abriss zu teuer gewesen wäre, stand der graue Betonkomplex jahrzehntelang ungenutzt. Eine Diskothek, ein Wettbüro und eine illegale Hanfplantage hatten nur kurzzeitig die Gemäuer genutzt.

Wohnen, Kita, Bio-Imbiss und Büro

Wohnraum für sich selbst und andere schaffen, nachhaltig bauen und Energie vor Ort erzeugen – das waren die Ziele des Bauherren. Die Genehmigungen vom Bauamt Düsseldorf ließen nicht lange auf sich warten. Den Zuständigen seien die Nutzungspläne auch lieber gewesen als eine Disco oder ein Wettbüro. So berichtet es der Bauherr.

Eine große Aufgabe war es, Licht in den Innenraum zu bringen. Fenster sind in Bunkern nicht vorgesehen, also mussten mit viel Aufwand Löcher in die dicken Wände geschlagen werden.

Die Flächen des Gebäudes werden vielfältig genutzt: Im Erdgeschoss befinden sich eine Kindertagesstätte und ein Bio-Imbiss. Der Co-Working-Space steht wegen der Corona-Pandemie zurzeit leer, soll aber baldmöglichst vermietet werden. Die Kita nutzt auch die erste Etage. Im zweiten, dritten und vierten Stock ist Raum für sogenanntes Geschwister-Wohnen. Hier können Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien genommen wurden, gemeinsam wohnen. In diesen Stockwerken gibt es außerdem noch große Wohnungen für Familien. Im fünften und sechsten Stock sind Wohnungen angesiedelt. Die siebte Etage bewohnt der Bauherr selbst, im achten Stock hat er sein Büro eingerichtet. Die beiden obersten Etagen wurden auf dem alten Bunker aufgestockt.

Energiekonzept mit Strom, Wärme und Elektromobilität

Im Bunker-Keller wurde ein Indoor-Spielplatz eingerichtet. Auf 300 Quadratmeter Fläche können die Jugendlichen aus dem Haus Sport treiben. Zu dem bestehenden Bunker hat Wodtke einen Anbau errichtet. 28 Wohneinheiten für etwa 90 Personen sind in der Summe entstanden, dazu kommen die Gewerbeflächen. Insgesamt müssen rund 4.500 Quadratmeter Fläche beheizt werden.

Die Firma Congy aus Kevelaer entwickelte das Energiekonzept für die Wärme- und Stromversorgung. Der Strombedarf wird mit 155.000 Kilowattstunden im Jahr veranschlagt, davon sind bereits 35.000 kwh für Elektromobilität vorgesehen. Das Anlagenkonzept vereint eine PV-anlage, Batteriespeicher und ein Blockheizkraftwerk (BHKW) für die Strom- und Wärmeversorgung. Die Solaranlage mit 60 Kilowatt Leistung wurde auf dem Dach des neu errichteten Anbaus installiert. Sie wird rund 60.000 Kilowattstunden Strom im Jahr liefern, der in zwei Batteriespeicher mit einer Speicherkapazität von 52 Kilowattstunden eingespeichert wird, wenn er nicht direkt verbraucht werden kann. Das Speicherkonzept lässt eine Nachrüstung zu.

Das Blockheizkraftwerk mit 40 Kilowatt thermischer und 20 Kilowatt elektrischer Leistung erzeugt rund 226.000 Kilowattstunden Wärme und rund 116.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Für den Betrieb des BHKW sind etwa 355.000 Kilowattstunden Erdgas im Jahr nötig. Das BHKW erzeugt Wärme und Strom mit höherer Effizienz als Großkraftwerke. Wenn der Solarstrom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach nicht ausreicht, wird Strom aus dem BHKW im Gebäude genutzt. Er kann aber auch im Batteriespeicher zwischengespeichert werden. Stromüberschüsse aus der PV-Anlage und dem BHKW werden in das öffentliche Netz eingespeist.

Mieterstrom vom Dach, Wärme aus eigener Erzeugung

Mit diesem Konzept lassen sich laut Simulation 95 Prozent des Stromverbrauchs lokal und unabhängig vom Energieversorger decken. Zusätzlich zu diesen Anlagen ist eine Adsorptionskältemaschine installiert. Sie nutzt im Sommer überschüssige Wärme vom BHKW und wandelt sie zur Kühlung der Büros in Kälte um. Den Wärmebedarf im Gebäude hat der Architekt mit 50 kWh pro Quadratmeter und Jahr berechnet. Wenn die Wärme aus dem BHKW nicht ausreicht, schaltet sich ein gasbetriebener Spitzenlastkessel ein.

Die Mieter im Haus werden mit Solarstrom vom Dach versorgt, wobei sie das nicht müssen. Der Preisvorteil hat aber bisher alle überzeugt. Auch die Wärme des BHKW verkauft Wodtke an seine Mieter, der Preis liegt fünf Prozent unter dem des örtlichen Versorgers. In der Tiefgarage finden sich 12 Wallboxen.

Mit 14 Euro je Quadratmeter Wohnfläche liegt der Mietpreis nach Aussage des Bauherren vier bis fünf Euro niedriger als in der Nachbarschaft. Er hat zusätzliche Gewinne aus dem Verkauf von Strom und Wärme. Wodtke hat mit diesem Bau ein Beispiel für große alte Gebäude geschaffen, das Schule machen könnte. Auch Gebäude mit uralter Substanz können ins 21. Jahrhundert geholt werden. pf


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