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SozialwirtschaftSo können Pflegeheime, Kindergärten, Krankenhäuser energetisch saniert werden

Große Villa Bauhjahr 1906, Kinderhaus Eisenach
Energetische Sanierung für Gebäude der Sozial- und Gesundheitswirtschaft stößt auf zusätzliche Hürden. (Foto: Metilsteiner auf Wikimedia / CC BY 3.0)

Die Sozial- und Gesundheitswirtschaft könnte mit ihren Immobilien einen bedeutsamen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt macht vier konkrete Vorschläge, um bestehende Hürden aus dem Weg zu räumen.

30.12.22 – Träger von Sozialimmobilien scheitern oft an Hürden im sozialrechtlichen Regelwerk, wenn sie ihre Gebäude nachhaltig sanieren wollen. Zudem existiert keine adäquate Förderlandschaft. Sozialimmobilien, das sind Pflegeheime, Kindergärten, Krankenhäuser und Wohneinrichtungen. Die Versorgung mit Strom und Wärmeenergie der bundesweit etwa 100.000 Sozialimmobilien verursacht laut Berechnungen der Arbeitsgruppe jährliche Emissionen von bis zu bis zu 14 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dies verursache pro Jahr volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von rund 9,8 Milliarden Euro.

Die Unternehmen und Verbände der gemeinnützigen und privaten Wohlfahrtspflege wollen die Dekarbonisierung ihrer Immobilien vorantreiben. Eine Arbeitsgruppe von Forschern der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) mit zahlreichen Akteuren der Branche – von der Diakonie über die Johanniter Unfallhilfe bis hin zu kirchlichen Banken und Kapitalverwaltungsgesellschaften hat dafür Vorschläge erarbeitet.

Die Arbeitsgruppe plädiert dafür, das aktuelle Sozialgesetz zu erweitern. Dieses verlange aktuell, dass Pflege,- Beratungs- oder Betreuungsleistungen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein müssten. Eine Erweiterung um den Aspekt „nachhaltig“ würde insbesondere in Verhandlungen zwischen den Sozialunternehmen und den Leistungsträgern den nötigen Spielraum für die Refinanzierung der Gebäudesanierungen schaffen, indem eine nachhaltige Ausgestaltung der Dienstleistung entsprechend vergütet werden kann.

Eine zentrale Hürde für Investitionen besteht außerdem in der komplizierten (Re)-Finanzierungsstruktur der sozialwirtschaftlichen Unternehmen. Wenn Sozialunternehmen aus eigenen Finanzierungsquellen energetische Verbesserungen im Gebäude durchführen würden, und diese Investitionen zu Kostensenkungen führen, würden bei einer selbstkostenbasierten Finanzierungssystematik auch die erstattungsfähigen Kostenansätze der Sozialunternehmen sinken, die die Leistungs- und Kostenträger finanzieren.

Um den Sozialunternehmen dennoch einen Anreiz zur Sanierung und die Möglichkeit zur Amortisation aufzuzeigen, schlägt das Projekt-Team eine Kostenübernahme der bisherigen Energiekosten über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nach der Sanierungsdurchführung vor. Nach Ablauf dieser Frist könne dann eine Anpassung an die aktuellen Energiekosten erfolgen.

Zertifikatehandel für die Sozialwirtschaft

Die Autorinnen und Autoren fordern darüber hinaus die Einbindung einer sozialwirtschaftlichen Strategie in die europa- und bundespolitischen Einsparziele bei CO2-Emissionen. Bei den Mengenzielen sei der Bund als klimapolitischer Akteur aufgerufen, für die sozialwirtschaftlichen Immobilien die konkreten Einsparziele und den politischen Preis für eine eingesparte Tonne Kohlendioxid zu definieren. Als konkreten Anreiz für zeitnahe Investitionen schlägt die Arbeitsgruppe einen Zertifikatehandel für Sozialwirtschaft vor.

Die Zertifikate bilden zu einem Stichtag die Emissionskosten einer Immobilie ab und verlieren ihre Gültigkeit zu einem festgelegten Zeitpunkt. Bis dahin hätten Sozialunternehmen Gelegenheit, ihre Emissionen zu senken – als Voraussetzung, um die Zertifikate wieder mit Gewinn an den Staat zu verkaufen. „Die Einführung eines sozialwirtschaftlich orientierten Zertifikatshandels könnte als eine ordnungspolitische Innovation gesehen werden, die das Potenzial der Sozial- und Gesundheitswirtschaft mit neuen sozialunternehmerischen Gestaltungsoptionen verknüpft“, betont Jürgen Zerth, Professor für Management in Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Es gelte, eine Doppelstrategie zu befördern: die Integration des Nachhaltigkeitsziels in die Sozialgesetzgebung und ein Zertifikatsmodell als Booster für nicht sozialrechtlich verhandelbare Kosten.

Als vierte Maßnahme plädiert die Arbeitsgruppe für Modelle, die helfen dazu beitragen, das Potenzial der Sozialwirtschaft als Energieproduzent auszuschöpfen. Voraussetzung dafür wäre es jedoch, den Sozialunternehmen zu ermöglichen, Strom ohne negative Auswirkungen für ihren Gemeinnützigkeitsstatus erzeugen und dem Zweckbetrieb, der Vermögensverwaltung oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuordnen zu können. Dies gelte auch für die Gebäude von Kirchen, Gewerkschaften oder gemeinnütziger Wohnungsgesellschaften. Innerhalb der gesamten Sozialwirtschaft könnten hochgerechnet mehr als 4,2 Millionen Megawattstunden pro Jahr durch Photovoltaik hergestellt werden. Nach einer energetischen Sanierung und dem Einbau von Wärmepumpen könnten die Einrichtungen, in Kombination mit dem Ausbau von PV-Anlagen auf den Dachflächen, mindestens 70 Prozent der aktuell benötigten Energie selbst herstellen bzw. einsparen.

Das ausführliche Papier der Arbeitsgruppe unter dem Titel „Vier Schritte zur emissionsfreien Gesundheits- und Sozialwirtschaft“ steht zum Download zur Verfügung unter http://www.ku.de/fsa.
 


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