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Bürgerenergie und KommuneMieterstromprojekt in Kiel

Luftaufnahme PV-Dachanlage, im Hintergrund Wasser
Auf den Dächern der Kirchengemeinde Holtenau in Kiel betreibt die BEN eG eine PV-Anlage mit Batteriespeicher zur Versorgung des Gemeindehauses, einer Kindertagesstätte und einer Hausmeisterwohnung. (Foto: BEN eG)

Für Kommunen sind bei der Umsetzung von Energiewende-Projekten gute Partnerschaften mit regionalen Akteuren wichtig. Ein Mieterstromprojekt in Kiel war der Beginn der Zusammenarbeit zwischen einer Bürgerenergiegenossenschaft und den Stadtwerken.

23.05.2023 – Erst vier Jahre gibt es die Bürgerenergie Nord eG (BENeG). Doch die Liste der PV-Projekte kann sich sehen lassen. Die Bürgergenossenschaft setzt Mieterstrom-, Gewerbestrom- und Kommunalstromprojekte mit breiter Bürgerbeteiligung um.  Kompetenzen, die derzeit sehr gefragt sind. Dabei läuft nicht alles immer von Anfang an rund.  Ein Mieterstromprojekt in Kiel war der Beginn einer sehr lebendigen Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Kiel.

Als die BEN eG von der Eigentümergemeinschaft einer Bestandsimmobilie mit 20 Wohneinheiten für den Bau einer Mieterstromanlage angefragt wurde, begannen die Planer der Genossenschaft auch das Zählermodell zu entwerfen. Außerdem sollten die zwei Hausanschlüsse zusammengelegt werden, eine Photovoltaikanlage für alle Mieter Strom erzeugen.

 „Für die Umsetzung des Mieterstromprojektes sind wir auf die Kooperation mit den örtlichen Stadtwerken in Bezug auf die Wandlermessung und den Zählertausch angewiesen“, erzählt Anna Leidreiter, Vorstand der Genossenschaft.

Summenzählermodell war ein Novum

Doch für die zuständigen Abteilungen bei den Stadtwerken war das im Mieterstromprojekt umgesetzte Summenzählermodell ein Novum. Timo Alznauer, bei den Stadtwerken zuständig für Energiedienstleistungen insbesondere für die Wohnungswirtschaft und somit auch als Ansprechpartner für die Genossenschaft, schildert die Gemengelage aus seiner Sicht: „Für uns sind Mieterstromanlagen immer noch ein Nischenthema. Unsere Prozesse und Systeme sind dafür bislang nicht ausgelegt. Hier ist die Genossenschaft mit ihrer Spezialisierung einfach besser aufgestellt als wir. Wenn es wie im vorliegenden Fall dazu kommt, dass plötzlich Zähler für den Messtellenbetreiber nicht mehr sichtbar sind, dann sorgt das für Irritationen und viel Aufwand für alle Beteiligten.“

Alznauer rät dringend dazu das Messkonzept bereits frühzeitig mit dem Messstellenbetreiber abzustimmen und nach Möglichkeit vollständig in die Hände eines Dienstleisters zu geben. Bis solche Modelle massenhaft ausgerollt und etabliert sind, bedarf es immer einer hinreichenden Einzelfallklärung, ansonsten sind die Ressourcen aller Beteiligten schnell überlastet.

Diese Hürde bringt die Komplexität des Mieterstroms mit sich: Die Nutzung von PV-Strom und Netzstrom erfassen und abrechnen sowie nicht einbezogene Mieter ebenfalls korrekt behandeln, ist technisch und abrechnungsseitig komplex. Da die Stadtwerke hier als grundzuständiger Messtellenbetreiber kein Angebot machen konnten, baute die BEN ihre eigenen digitalen Zähler ein. Das Messstellenbetriebsgesetz bietet dafür die Grundlage, jeder Anschlussnutzer kann seinen Messstellenbetreiber inzwischen frei wählen. Folge daraus war allerdings, dass es zwar einen Anschlussnehmer (Gebäudeeigentümer) gab aber unterschiedliche Anschlussnutzer (Mieter) mit abweichenden Messstellenbetreibern, die zudem in den standardisierten Marktprozessen teilweise nicht mehr sichtbar waren.

Viel dazugelernt

„Wir haben alle viel an diesem Projekt gelernt“, berichtet Anna Leidreiter. Der Gebäudeeigentümer spricht augenzwinkernd von einem Bildungsprojekt, Alznauer von erfahrungsorientiertem Lernen. Offensichtlich wurde hier kommunikativ vieles richtig gemacht. Denn heute stehen die Stadtwerke und die Bürgerenergiegenossenschaft in engem Austausch. Wenn Anfragen zu Mieterstromprojekten kommen, bringt Alznauer die Genossenschaft als möglichen Partner ins Spiel und im Gegenzug wird die Lieferung von grünem Reststrom auch bei den Stadtwerken angefragt.  

Beim Thema Abrechnung setzt man sich zusammen und tauscht Daten aus. „Wir schwingen uns da gerade aufeinander ein. Zukünftig könnten die Stadtwerke auch selbst im Mieterstromsegment aktiv werden, aber momentan ist das aufgrund der Kleinteiligkeit und der wenig skalierbaren Prozesse noch kein Thema“, sagt Alznauer. Das könnte sich ändern, wenn die Partner aus der Wohnungswirtschaft Mieterstrom breit ausrollen und bei den Stadtwerken entsprechenden Service nachfragen. Auch dann sieht Alznauer aber weiterhin ausreichend Potenzial für ein freundliches Neben- und Miteinander von Stadtwerken und Genossenschaft. Seit 2022 hat die Stadt Kiel ein Förderprogramm für Photovoltaik und Solarthermie, von dem auch Mieterstromprojekte profitieren können.

Immer wieder grundsätzliche Bedenken

Doch nicht alle Projekte der Genossenschaft enden in der Umsetzung. Eine Kommune am Hamburger Stadtrand wollte in Mehrfamilienhäusern mit Sozialwohnungen Mieterstrom anbieten. „Mieterstrom ist auch ein Sozialprojekt“, sagt Anna Leidreiter. „Menschen ohne eigenes Dach konnten bisher nicht von günstigen Erneuerbaren Energien profitieren. Mieterstrommodelle ändern dies. In Zeiten von steigenden Strompreisen ist das besonders wichtig.“ In mehreren Ausschüssen stellte die Genossenschaft ihre Machbarkeitsstudie zum Projekt vor, immer neue grundsätzliche Bedenken kamen von ehrenamtlichen Kommunalpolitkern, die Verträge blieben ohne Unterschrift. „Das ist extrem schade. Gerade die Menschen in diesen Wohnungen hätten im letzten Jahr finanziell sehr von dieser Lösung profitiert“, bedauert Leidreiter.

Im Gespräch spricht Leidreiter häufig von Kommunalstromprojekten. Damit meint sie PV-Anlagen, die auf öffentlichen Gebäuden errichtet werden, auch wenn im Haus selbst Institutionen wie Kindergärten oder eine Diakonie den Strom nutzen. Es werden mehr, auch weil zum Beispiel in Hamburg jetzt eine Solarpflicht gilt oder die Energiekrise die Verantwortlichen wachgerüttelt hat. Machbarkeitsstudien hat die Genossenschaft einige gemacht im letzten Jahr, manche Projekte gehen jetzt in die Umsetzung.

Immer wieder werden Volleinspeiseanlagen angefragt, weil Kommunen sich ungern mit dem Thema Eigenverbrauch oder Stromlieferung an Dritte beschäftigen. Wenn dann die Genossenschaft einspringt und im konkreten Projekt schaut, was sinnvoll ist, kann daraus ein Nutzen für die Kunden entstehen. Beispielsweise bei einem aktuellen PV-Projekt in Hamburg, wo in einem Gebäude im Eigentum der Stadt unter anderem die Diakonie eine Küche und Essensausgabe für Obdachlose betreibt.

Der hohe Stromverbrauch am Morgen und in den Mittagsstunden passt perfekt für den sinnvollen Eigenverbrauch. Weitere Mieter wie ein Sportverein sind ebenfalls interessiert. Sollte das Projekt so aufgesetzt werden, würden auch die Stromlieferverträge über die Genossenschaft laufen – die Kommune hätte also nicht nur ihre personellen Ressourcen gespart und dem Klimaschutz gedient, sondern auch ihren Mietern. Petra Franke


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