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Zukunftsforum EnergiewendeWo die Macher der Energiewende sich begegnen

Über 650 Teilnehmer beraten am 20. und 21. November in der documenta-Halle Kassel über die kommunale Energiewende
Über 650 Teilnehmer beraten am 20. und 21. November in der documenta-Halle Kassel über die kommunale Energiewende. (Foto: © deENet, Meyer)

Handeln statt nur darüber reden ist ihr Motto: Auf dem Zukunftsforum Energiewende treffen in Kassel Kommunen, Bürger und Unternehmen aufeinander – und zeigen wie die Energiewende am effektivsten und effizientesten umgesetzt wird. Drei Beispiele.

21.11.2018 – Gibt Berlin etwas vor, müssen die Kommunen es umsetzen – oder doch nicht? Die Energiewende ist ein kompliziertes Konstrukt, viele reden darüber aber mitnichten alle lassen sie Realität werden. Mit und ohne Bundespolitik setzen zahllose regionale Akteure alles daran, den Klimaschutz vor Ort voranzutreiben. Eines ihrer stärksten Werkzeuge: Erfahrungen austauschen und Netzwerke schmieden. Auf dem Zukunftsforum Energiewende zeigen sie sich deshalb am Dienstag und Mittwoch gegenseitig ihre besten Projekte und erfolgreichsten Konzepte für Klimaschutz und den Umbau unseres Strom-, Wärme- und Verkehrsbereichs.

Verkehrswende mit Uni-Knowhow

Eines der wohl prominentesten Beispiele aus dem Unternehmensbereich in Kassel ist der ScreetScooter. Die Geschichte ist schnell erzählt: Weil die Deutsche Post für ihre Elektroauto-Pläne in der auf den Diesel beharrenden deutschen Autoindustrie keine Partner fand, verwirklichte sie ihre Idee selbst. Das Knowhow wurde in Form einer Ausgründung aus der RWTH Aachen eingekauft.

Mittlerweile laufen in zwei Werken 10.000 Elektroautos pro Jahr vom Band und die Post erfreut sich großer Nachfrage. Firmenintern sind 8.000 von 50.000 Zustellfahrzeuge bereits elektrisch unterwegs, Tendenz stark steigend. Zeitgleich erfolgt der Verkauf an interessierte Unternehmen, allen voran kommunale Betriebe. Als nächstes sollen die Benelux-Länder erobert werden. Der ScreetScooter ist ein Erfolgsmodell und blühendes Beispiel für aktiv gestaltete Verkehrswende.

Ohne engagierte Kommunen ist die Energiewende undenkbar

Doch die weitaus meisten Projekte werden nicht in Unternehmenszentralen geschmiedet. Die wahren Vorreiter der Energiewende sitzen mal in imposanten, mal in eher unscheinbaren Gebäuden, meist hinter einem Schreibtisch und sie sind gut vernetzt: Bürgermeister, Landräte, Gemeindevertreter – kommunale Politiker.

Sie sind meist Antreiber neuer Windräder und Solaranlagen in einer Gemeinde, sie entscheiden über Solar-Carports vor dem Rathaus oder dem Nahwärmenetz in ihrem Dorf. Besonders beeindruckende Beispiele sammelt die Agentur für Erneuerbare Energien seit nunmehr zehn Jahren und zeichnet zwölfmal im Jahr die „Energiekommune des Monats“ aus.

Vorbildhafte Kommunen am Rhein und im Münsterland

In Kassel wird nun Jubiläum gefeiert und die Energiekommune des Jahrzehnts ausgezeichnet. Am Dienstagabend erhielt die Gemeinde Saerbeck aus dem nördlichen Münsterland den Publikumspreis, der Rhein-Hunsrück-Kreis wurde von der Jury ausgezeichnet. Beide Kommunen verbindet die Hingabe zum Klimaschutz und der konsequente Ausbau der Erneuerbaren Energien. Undenkbar ohne engagierte, ehrgeizige Bürgermeister und Landräte, ohne Klimaschutzmanager und Energiegenossenschaften vor Ort.

Besonders der Rhein-Hunsrück-Kreis aus Rheinland-Pfalz überzeugte bei seiner Vorstellung am Dienstagnachmittag mit einem umfassenden Klimaschutzplan. Die 137 Städte und Gemeinden am Rhein gehören in den Sektoren Strom, Wärme und Abfall zu den ersten bilanziellen Null-Emissions-Landkreisen Deutschlands und Vorbild in Sachen kommunale Wertschöpfung. Die Expertise ist gefragt: Fachexperten aus über 40 Nationen haben sich mittlerweile vor Ort schlau gemacht in Sachen Energiewende.

Premiere für Hessischen Staatspreis

Dem wollte die hessische Landesregierung nicht nachstehen und lobte erstmals einen Preis für innovative Energielösungen aus. Hessens Wirtschaftsstaatssekretär Mathias Samson verkündete am Dienstag die insgesamt sieben Gewinner, darunter das Gertrudenstift in Baunatal, südlich von Kassel. Als Altenpflegeheim gestartet, hat sich der Verein mittlerweile zu einem „innovativen, modernen Sozialunternehmen“ entwickelt, im Fokus steht nun der Mehrgenerationengedanke. Innovativ ist auch – und hier kommt der hessische Staatspreis ins Spiel – das Energiekonzept. Denn die Gebäude sind nicht nur besonders energieeffizient gebaut, sondern auch mit vielen Photovoltaikanlagen bestückt. Die Einbindung der Bewohner in das Energiekonzept gilt als vorbildhaft.

Frische Ideen kann Hessen gut gebrauchen: Im Bundesländer-Ranking der Agentur für Erneuerbare Energien landet das Bundesland auf einem enttäuschenden 14. Platz. Es bleibt viel Luft nach oben, das weiß auch der zuständige Referatsleiter im Wirtschaftsministerium, Andreas Meissauer. In seinem Ministerium seien elf Menschen mit dem Thema Energiewende betraut, klagt er. Ohnehin sieht er die Hauptverantwortlichen in Berlin sitzen, dort würden die maßgeblichen Gesetze beschlossen. Über den Bundesrat habe Hessen versucht Einfluss auf die Energiepolitik zu üben, ohne Erfolg. Man merkt: Er würde gerne mehr erreichen.

Engagement ermöglichen

Die wichtigste Währung in Kassel sind aber keine Preise und Rankings, sondern Praxis-Erfahrungen. Diese werden in über 30 Fachforen von 120 Referenten weitergetragen. Auf der Agenda stehen auch am heutigen Mittwoch noch: Vorträge, Diskussionsrunden, bilaterale Gespräche und Exkursionen zu Energiewende-Vorzeigeprojekten in der Region Nordhessen. Das Zukunftsforum zeigt eindrücklich: Die Energiewende wird mit viel Ehrgeiz und Kreativität in den Kommunen umgesetzt. Die Bundespolitik darf sie nicht bremsen, sie muss sie ermöglichen. cw


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