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EnergiespeicherDeutschland braucht eine Speicherstrategie

Solarpark mit Container-Energiespeicher im Abendlicht
Im thüringischen Henschleben hat der Öko-Energieversorger naturstrom einen Solarpark mit Speicher errichtet. (Foto: naturstrom AG)

In einem Impulspapier haben sich Expertinnen und Experten der Photovoltaikbranche zu Wort gemeldet. Ihr Anliegen: Deutschland geht den Speicherausbau nicht strategisch an und verliert deshalb wertvolle Potenziale beim Umbau des Energiesystems.

19.06.2023 – Der massive und schnelle Zubau Erneuerbarer Energien ist erklärtes politisches Ziel. Damit einher gehen viele Transformationen, die in langfristigen Zielen – strategischen Zielen – beschrieben werden.  Die nationale Wasserstoffstrategie wurde beispielsweise bereits 2020 vorgestellt. Das Strommarktdesign soll auf neue Füße gestellt werden, eine Systementwicklungsstrategie Lösungen für die Netzinfrastrukturen erarbeiten. Eine Kraftwerksstrategie wurde angekündigt, eine Photovoltaik-Strategie und eine Windenergie-an-Land-Strategie formuliert. Im weiteren Transformationsumfeld finden sich eine Waldstrategie, eine Biomassestrategie sowie eine Wasserstrategie.

Jedoch fehlt in all den strategischen Überlegungen ein zentraler Punkt – eine Speicherstrategie. Der PV Think Tank – ein loser Zusammenschluss von Expertinnen und Experten, die sich mit der Zukunft der Photovoltaik in Deutschland befassen – thematisiert diese Lücke und beschreibt die damit unvermeidlich einhergehenden Systemfehler.

Der geplante Zubau Erneuerbarer Energien verlangt nach Flexibilitäten. Während private PV-Kleinanlagen heute schon meist mit einem Batteriespeicher kombiniert werden, ist das bei großen Solarparks die Ausnahme. Die Folge sind Abregelungen und negative Marktpreise in Phasen hoher Erzeugung.

Unterschätzte Speicherleistung führt zu überhöhten Zielen für Gaskraftwerke

Großspeicher könnten die Einspeisung von Photovoltaikstrom in die Nachtstunden verlagern, somit Netze entlasten und dringend benötigten erneuerbaren Strom tatsächlich zu den Verbrauchern bringen. Doch in den Netzplanungen sind nach Meinung der Experten zu wenig Speicher vorgesehen und in den Langfristszenarien des BMWK spielen sie eine unbedeutende Nebenrolle.

Kurzfristspeicher können helfen Limitationen im Verteilungsnetz zu umgehen und die vorhandene Infrastruktur besser zu nutzen. Die Technologien sind vorhanden. Es müsse gelingen, rechtzeitig und großflächig in Optionen der Kurzfristspeicherung und der Lastverlagerungen zu investieren. Ansonsten drohe der geplante Ausbau von PV und Wind zu scheitern, mahnen die Autoren und Autorinnen des Impulspapiers.

Die erhebliche Unterschätzung von Kurzfristspeichern in den Langfristszenarien in einer Größenordnung von mindestens 50 GW in den nächsten zehn Jahren werde zu erheblichen Fehlinterpretationen in der Systementwicklungsstrategie führen, z.B. einen deutlich überhöhten Bedarf an Residuallastausgleich und damit zu überhöhten Zielen für Gaskraftwerke, wie Fabian Zuber im Interview erläutert.

Minimierung des Speicherbedarfs ist der falsche Ansatz

Das in der PV-Strategie manifestierte Verständnis, den Speicherzubau minimieren zu wollen, sei der falsche Ansatz – zumindest in diesem Jahrzehnt. Die Einbettung der Speichertechnologien in eine Gesamttableau an Optionen sei richtig, der Minimierungsansatz aber nicht.

Der Batteriespeicherzubau hat sich in den letzten Jahren in Deutschland rasant entwickelt – aus wirtschaftlichen Gründen. Die verfügbare Kapazität bis Ende 2022 liegt bei 7 Gigawattstunden an stationären Batteriespeichern. Das große ABER: der Fokus liegt mit großem Abstand auf teuren und sehr kleinteiligen Heimspeichern. Sie dienen der Optimierung einzelner Endkunden und nicht der Bereitstellung von Flexibilität für das Gesamtsystem, was für alle Verbraucher kostensenkend wäre. Vieles spricht für die wesentlich günstigeren Großbatterien und ihren Einsatz im Energiemarkt. Man kann sie in Standard-Containern kaufen. Großbatterien sind mit LKWs einfach zu transportieren. Viel mehr als eine Stellfläche im Solar- oder Windpark, im Gewerbegebiet oder an einem Umspannwerk wird nicht benötigt. Deshalb sollten Photovoltaik und Speicher als technologische Einheit gesehen werden, so wie dies bei den Innovationsausschreibungen bereits angelegt ist. Das volle Potenzial zu nutzen, benötigt aber auch regulatorische Nachjustierungen. Ein weiterer wichtiger Baustein sollte die Nutzbarmachung des Speicherpotenzials von Fahrzeugbatterien sein. Dieses Potenzial strategisch zu erfassen, ist die Aufgabe.

Welche Maßnahmen sollte eine Speicherstrategie umfassen

Kurzfristig muss der Rechtsrahmen in sich stimmig gestaltet werden, Definitionen und Technologien klar und unmissverständlich formuliert sein. Ein weiteres bedeutendes Hemmnis für Großspeicher: Derzeit können Netzbetreiber einen Baukostenzuschuss beim Netzanschluss eines Speichers verlangen, was die Nutzung verteuert und den Zubau bremst. Hinzu kommt, dass dadurch Speicher vor allem dort gebaut werden, wo sie nicht am dringendsten benötigt werden. Die in der Solarstrategie und Windstrategie vorgesehenen Duldungspflicht für Netzanschlussleitungen durch Grundeigentümer für Erneuerbare Energien braucht es auch bei Speichern. Die Beteiligung von Standortkommunen, Wegerecht für Anschlussleitungen und die Stärkungen der Innovationsausschreibungen sind weitere Maßnahmen.

Mittelfristig sollte eine Speicherstrategie realistische Ausbau-Ziele für Speicher im Energiesystem definieren sowie die Ausbauziele mit anderen Vorhaben synchronisiert werden. Das Potenzial aus der E-Mobilität gilt es zu heben: das bidirektionale Laden muss attraktiv werden. Kleinspeicher sollten eher zur Systemoptimierung beitragen denn zur Optimierung des Eigenverbrauchs. Damit sich Investitionen in Speicher lohnen, müssen entsprechende Leitplanken – etwa bei der Reform der Netzentgelte, bei flexiblen Tarifen oder bei einer Einführung von Differenzverträgen gesetzt werden. Zusätzlich sollte die heimische Speicherindustrie gestärkt werden. pf

Link zum Impulspapier


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