Menü öffnen

SeethermieSchweizer wollen den Bodensee als Heizung nutzen

Blick auf den Bodensee am Untersee mit Sonnenuntergang
Naturparadies, Trinkwasserreservoir und Energiespeicher: Auf der Schweizer Untersee-Seite soll die Wärme des Bodensees bald als klimaneutrale Heizung für Thurgauer Haushalte dienen. (Foto: Pixabay / Free License)

Der Schweizer Kanton Thurgau will fünf Seethermie-Kraftwerke am Bodensee bauen, um aus dem Seewasser Wärme- und Kälteenergie zu gewinnen. Laut Machbarkeitsstudie wäre das auch ökologisch vertretbar. Jetzt muss es nur noch finanziert werden.

15.01.2022 – Der Bodensee ist nicht nur ein Naturparadies für Fische, Vögel und Menschen und ein großes Trinkwasserreservoir, sondern auch ein riesiger Wärme- und Kältespeicher. Seethermie hat Potenzial. Das zeigen Studien des Wasserforschungsinstitutes der ETH (Eawag). Die Thurgauer Elektrizitätswerke EKT haben daher ein Projekt lanciert: An fünf verschiedenen Orten am Untersee sollen thermische Kraftwerke entstehen.  

Der Schweizer Energieversorger hat dazu bei der Thurgauer Regierung den Antrag für die Projektierung sowie den Bau von bis zu fünf Seethermie-Werken am Bodensee eingereicht. Laut einer Machbarkeitsstudie des Kantons Thurgau könnten über zehn Prozent des gesamten Wärmebedarfs des Kantons Thurgau mit Wärmeenergie aus dem Bodensee gedeckt werden. 14 potenzielle Gebiete im Kanton Thurgau würden besonders günstige Voraussetzungen für einen Energieverbund bieten.

Das Potenzial ließe sich im Sommer wie Winter mittels Wärmetauscher nutzen. Das Wasser könnte im Sommer zur Kühlung, im Winter über Wärmepumpen zum Heizen genutzt werden. Das Seewasser wird mit Pumpen aus etwa 20 bis 40 Metern Tiefe ans Ufer gepumpt. Die Temperaturen schwanken in dieser Tiefe nur wenig zwischen vier und zehn Grad. Über einen Wärmetauscher gelangt die Wärmeenergie in einen separaten Kreislauf. Das Seewasser wird nach dem Durchlaufen des Kreislaufes sauber und unversehrt wieder zurück in den See geleitet.

Die Idee ist nicht neu

Auch auf deutscher Bodensee-Seite wird schon lange über die Idee diskutiert und in einzelnen Projekten umgesetzt. So nutzt bspw. die Uni Konstanz bereits seit Jahrzehnten Bodenseewasser für eine ressourcenschonende Kühlung der universitären Anlagen. In Baden-Württemberg hat man noch Bedenken, vor allem wegen der großen Anfangsinvestitionen für große Seethermie-Kraftwerke. Wieviel CO2 sich durch thermische Nutzung einsparen lässt, ließe sich zudem nicht genau sagen.

Billig wird es nicht, das ist auch den Schweizern Projektierern klar. Der Bau von Seethermie-Kraftwerken ist kostspielig. Zudem müssen strenge Auflagen zum Gewässer- und Umweltschutz in den sensiblen Uferbereichen eingehalten werden.

Um rund 250 Haushalte mit Seewärme zu beheizen oder zu kühlen, brauche es Investitionen im mittleren einstelligen Millionenbereich. An der Finanzierung müssten sich die Gemeinden beteiligen. 14 Gemeinden der „Regio Kreuzlingen“ haben laut Mitteilung des Kantons beschlossen, das Projekt der EKT zu unterstützen. Auch mit Blick auf die Zukunft der Energieversorgung – denn Versorgungssicherheit sei angesichts der steigenden Energiepreise und der Abhängigkeit keine Selbstverständlichkeit mehr.  Die Schweiz sei vor allem im Winter abhängig von Stromimporten und fossilen Energieträgern aus dem Ausland, berichten die am Projekt beteiligten Kommunen. Das Land müsse zudem infolge der zukünftigen Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken neue Energiequellen erschließen.

Mit beantragten 25 Millionen Franken aus dem Erlös von Partizipationsscheinen der Thurgauer Kantonalbank könnte die Projektierung sowie der Bau von bis zu fünf Anlagen am Thurgauer Bodenseeufer finanziert werden, so die Initiatoren. Es gehe auch darum, die ökologische Art der Wärmegewinnung marktfähig und damit für die breite Bevölkerung interessant zu machen. In der Schweiz hat man erste Erfahrungen mit Seethermie-Projekten gesammelt, etwa am Wohlensee bei Bern, am Zürichsee oder am Genfersee, ein größer angelegtes Seethermie-Projekt entsteht am Vierwaldstättersee.

Ökosystem Bodensee schützen

Es gibt aber auch ökologische Bedenken. Denn dem See wird für das Heizen Wärme entzogen – das Wasser kühlt sich ab. Im Sommer wiederum würde der See durch den Kälteentzug noch wärmer. Das belastet das Ökosystem des Sees, befürchten Umweltschützer. Mit steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels könnte das zum Problem werden. Schweizer Forscher gehen jedoch davon aus, dass bei Abkühlung in der Größenordnung 0,5 Grad bzw. Erwärmung um 0,2 Grad keine negativen Folgen für die Ökosysteme zu erwarten sind. Allerdings kann die Dimension der Erwärmung bzw. Abkühlung auch nur grob geschätzt werden.

Die Nutzung des Energiepotenzials aus dem Bodensee sei erlaubt, solange das aquatische Ökosystem sowie der natürliche Temperaturhaushalt des Sees nicht nachteilig verändert werden, berichten die Projektierer. Durch sog. Vertikal-Bohrtechnik könnten Rohre unterirdisch – auch unter dem Seegrund – verlegt werden. Das garantiere einen minimalinvasiven Eingriff. Die Lebensräume von Wasserlebewesen würden damit nicht beeinträchtigt. Auch die Uferzonen blieben unverbaut und somit geschützt.

Erderwärmung belastet auch den Bodensee

Die vergangenen Jahrzehnte zeigen bereits klimatische Veränderungen im Bodensee: Die Wassertemperaturen an der Oberfläche des Sees sind heute im Mittel 0,9°C wärmer als vor 50 Jahren, berichtet die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg. Der Temperaturanstieg im Tiefenwasser falle zwar schwächer aus, sei jedoch ebenfalls erkennbar. „Wärmere Wassertemperaturen im Winter bedingen eine Veränderung im vertikalen Mischungsverhalten und ein tendenziell früheres Einsetzen der thermischen Schichtung gegen Ende des Winters. An die Entwicklung der thermischen Schichtung im Frühjahr ist das Planktonwachstum gekoppelt, welches sich wiederum auf das Zooplankton und auf die Fische auswirkt. Auch in den tieferen Wasserschichten wirken sich erhöhte Temperaturen auf biochemische Abläufe und Organismen aus.“

Laut Machbarkeitsstudie wären bei einer verantwortungsvollen und realistischen thermischen Nutzung des Seewassers keine nachteiligen Auswirkungen auf den Temperaturhaushalt des Sees zu erwarten. Rund 20 Thurgauer Gemeinden könnten von der See-Wärme profitieren. na


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft