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KlimagerechtigkeitFrankreichs Klimapolitik kommt vors Gericht

Gesetze statt Gerede, um endlich Klimaschutz umzusetzen, fordern Klima-Aktivisten in Paris
Verpflichtende Gesetze statt leerer Versprechungen fordern nicht nur Klimaaktivisten auf der Straße, sondern nun auch nordfranzösische Kommunen – denn ihnen könnte bald das Wasser bis zum Hals stehen. (Foto: Jeanne Menjoulet from Paris, France / Wikimedia Commons / CC BY 2.0)

Das oberste Verwaltungsgericht des Landes hat der französischen Regierung eine Frist gesetzt, um ausreichende Klimaschutz-Maßnahmen nachzuweisen. Der Klage von Umweltschützern und Kommunen wird damit stattgegeben. Es könnte ein Präzedenzfall werden.

23.10.2020 – Frankreichs Klimapolitik kommt auf den Prüfstand: Nur drei Monate bleibt der französischen Regierung nun Zeit, um vor dem obersten Verwaltungsgericht des Landes zu beweisen, dass der Staat ausreichende Anstrengungen im Kampf gegen die Klimakrise unternimmt. Der Conseil d’État (Staatsrat) gab damit einer Klage von Kommunen und Umweltschutz-Organisationen statt.

Die Kläger sprechen bereits von einer „historischen“ Entscheidung – denn sie hoffen, mit dem Prozess einen Präzedenzfall zu schaffen: Regierungen könnten das Pariser Klimaabkommen dann nicht mehr wie eine reine Absichtserklärung behandeln. Der Staat würde zur Beweisführung von Ergebnissen verpflichtet.

Die Klage sei berechtigt, befand das Gericht, denn Frankreich habe sich wie viele andere Staaten auch mit dem Pariser Klimaabkommen dazu verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Doch in den letzten Jahren wurde Frankreichs CO2-Budget regelmäßig überschritten.

In seinem Jahresbericht hatte der Haut-Conseil pour le Climat die Regierung bereits kritisiert, dass Frankreich seinen klimapolitischen Zielen nicht nachkomme. Denn zwischen den Jahren 2018 und 2019 wurden die CO2-Emissionen um nur 0,9 Prozent reduziert. Das liege deutlich unter dem Minderungsziel von jährlich 1,5 Prozent. Hinzu komme, so der Bericht des Hohen Klimarats, dass die Regierung aufgrund der wirtschaftlich höchst angespannten Situation infolge der Corona-Krise weitere Klimaschutz-Maßnahmen vorerst zurückgestellt habe.

Folgen des Klimawandels werden greifbar

Kommunen und Umweltschutz-Organisationen haben die Klageschrift gemeinsam eingereicht. Federführend war dabei die Kommune Grande-Synthe im Département Nord in der Region Hauts-de-France. Denn die Gemeinde am Rande der Hafenstadt Dunkerque am Ärmelkanal mit rund 23.000 Einwohnern fürchtet, bald im Meer zu versinken, zumindest teilweise – wenn der Meeresspiegel infolge der Erderwärmung weiter ansteigt.

Bereits Anfang 2019 hatte der Bürgermeister der Küstengemeinde eine Beschwerde vor dem Staatsrat eingereicht – wegen „klimapolitischer Untätigkeit“ der französischen Regierung. Der gesamte Ballungsraum in diesem Teil von Nordfrankreich wurde einst dem Meer abgerungen und ist eingedeichtes Gebiet. Hochwasser und Überschwemmungen sind hier ohnehin schon ein Problem. Ein steigender Meeresspiegel würde die Situation massiv verschärfen. Zudem befindet sich etwa zehn Kilometer von der Gemeinde entfernt das Kernkraftwerk Gravelines – direkt am Ärmelkanal.

Mit Zulassung der Klage habe die Justiz erstmals anerkannt, dass Klimapolitik mehr als „eine nette Absichtserklärung auf dem Papier“ sei, so die Anwältin der bedrohten Kommune Grande-Synthe, Corinne Lepage. Sie war von 1995 bis 1997 französische Umweltministerin. Die Initiative L‘Affaire du Siècle – dazu zählen die  Nicolas Hulot-Stiftung, Oxfam France und Greenpeace France – unterstützt die Klage.

Die von der Regierung im Kontext der Corona-Krise aufgelegten Konjunkturpläne wären nun die Gelegenheit, so die Kläger, die Ziele nachhaltig anzupassen: Im Sinne der Förderung einer ökologischen Energiewende müssten bspw. die Unternehmen, die von den Hilfen profitieren, zu Klimaschutz-Maßnahmen verpflichtet werden. Bis Februar hat Frankreichs Regierung nun Zeit, die Widersprüche aufzuklären und Klimaschutz-Maßnahmen darzulegen. na


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