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KlimakriseTalsperren müssen Wetterextreme meistern

Rappbode-Talsperre im Harz, angrenzende Wälder stark geschädigt.
Der Waldverlust an der Rappbodetalsperre vermindert die wichtige Speicherfunktion im Einzugsgebiet der Talsperre. (Foto: André Künzelmann / UFZ)

Die Trinkwasserversorgung aus Talsperren wird in besonderer Weise durch Wetterextreme beeinflusst. Damit Wassermengen und die Wasserqualität stets stimmen, sind neue Wege im Management und bei der Wasseraufbereitung zu gehen.

05.03.2024 –Ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung – 8 Millionen Menschen – werden in Deutschland mit Trinkwasser aus Talsperren versorgt. In manchen Regionen ist diese Art der Versorgung alternativlos. Anders als Grundwasserkörper sind Talsperren als Oberflächengewässer unmittelbar den meteorologischen Bedingungen und somit auch klimatischen Änderungen ausgesetzt. Deren Auswirkungen werden uns nicht nur künftig treffen, sondern sind bereits jetzt spürbar.

Extreme wie Dürren, Hitzewellen und Hochwasser verändern sowohl die Menge als auch die Qualität des Wassers und der Ökosysteme in den Talsperren. Dies kann etwa zu einem Anstieg von Nährstoffen wie Phosphor und Stickstoff und daraus resultierend zu einem vermehrtem Algenwachstum und Sauerstoffmangel führen. Extreme verändern aber auch die Einzugsgebiete der Talsperren, zum Beispiel durch Waldverluste mit Rückwirkungen auf das Wasser in den Talsperren. Deshalb sind Anstrengungen zum konsequenten Gewässerschutz jetzt besonders wichtig, um diese Auswirkungen, insbesondere die vermehrten Nährstoffeinträge, zu mildern.

Zuletzt hat Anfang des Jahres die Hochwasserlage in weiten Teilen Deutschlands eindrücklich gezeigt, wie kostbar und zugleich wie stark die Infrastrukturen zum Hochwasserschutz schon jetzt gefordert sind. Unter anderen die Talsperren im Westharz standen unter Stress.

Talsperren-Experten diskutieren neue Wege

„Die Extreme nehmen zu, das stellen wir fest“, sagt Hartmut Willmitzer. Der Hydro-Biologe ist Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Trinkwassertalsperren und gleichzeitig Fachberater für Umwelt und Technik bei der Thüringer Fernwasserversorgung. Die jüngsten andauernden und ergiebigen Regenfälle über den Winter nennt er als Beispiel: „Es sind die Extreme, die uns beschäftigen. Wir stehen vor der Frage, ob wir in Sachen Speicherbewirtschaftung neue Wege beschreiten müssen.“ Sogar ein bisheriges Tabu wird unter Fachleuten diskutiert – der Bau neuer Talsperren.

Wälder im Einzugsgebiet schützen und umbauen

Aber bevor es so weit kommt, sollten andere Maßnahmen ausgeschöpft werden. Da wäre zum einen die Bewirtschaftung der Wälder im Einzugsgebiet der Talsperren. Zwar sehen die Wasserschutzverordnungen in den meisten Fällen ein Abholzungsverbot vor, aber der Aufbau naturnaher und widerstandsfähiger Mischwälder, die einen wertvollen Beitrag als natürlicher Wasserspeicher leisten, ist keine Pflicht. So kommt es, dass Käferbefall als Folge von Trockenheit flächendeckend Monokulturen an Talsperren dahinrafft, wie es beispielsweise im Harz mit den Fichtenwäldern geschehen ist.

„Das Problem haben wir vor uns hergeschoben“, räumt Willmitzer ein und erklärt die Gründe. „Der Umbau zu einem naturnahen Mischwald hat zumindest kurz- bis mittelfristig wirtschaftliche Konsequenzen für die Waldbesitzer, so dass unter Umständen Ausgleichszahlungen durch die Wasserversorger zu leisten gewesen wären. So haben wir trotz der Erkenntnis, dass Fichtenmonokulturen in den Einzugsgebieten von Talsperren ungeeignet sind, 30, 40 Jahre recht beruhigt mit der Fichte gelebt, bis wir in den Trockenjahren von den Waldschäden eingeholt wurden.“ Inzwischen gibt es Förderinstrumente, um die zukünftige Waldbewirtschaftung neu zu gestalten.

Verbundsystem erweitern

Ein weiterer Hebel die veränderten Bedingungen zu meistern, besteht darin, das Verbundsystem auszubauen, so dass Fernleitungen Mangel- und Überschussregionen miteinander verbinden. Aber auch bei der Bewirtschaftung einer konkreten Talsperre könnte optimiert werden. „Bisher legen behördlich festgelegte Betriebspläne fest, wann wieviel Wasser entnommen werden kann oder muss. Hier benötigen wir eine Dynamisierung der Bewirtschaftung, der Fahrplan der Bewirtschaftung sollte den tatsächlichen Witterungsbedingungen folgen. Dafür gibt es inzwischen auch gute Werkzeuge in Form von Modellen“, wie Willmitzer anregt. Leider würde das in den Bundesländern sehr verschieden gehandhabt.

Nutzungsarten widersprechen sich häufig

Talsperren erfüllen meist mehrere Ansprüche. Sie dienen dem Hochwasserschutz, müssen also ein bestimmtes Volumen freihalten, um im Bedarfsfall Wasser aufnehmen zu können. Dieses ungenutzte Volumen fehlt unter Umständen bei der Bereitstellung von Trinkwasser – eine weitere wichtige Aufgabe von Trinkwassertalsperren. Auch die Wasserabgabe an den Unterlauf erfüllt vielfältige Bedürfnisse. „Da gibt es Wasserkraftanlagen. Da gibt es die Industrie, die eine Einleitgenehmigung hat und dafür das Wasser aus der Talsperre zum Verdünnen braucht.

Unter Umständen ist die Feuerwehr zur Löschwasserentnahme darauf angewiesen, die Landwirtschaft braucht Wasser und nicht zuletzt die Natur. Fische und Pflanzen, für die ein gewisse Temperatur und Dynamik des Wassers lebensnotwendig ist. Für all diese Nutzungsarten gilt es Prioritäten festzulegen bei langanhaltender Trockenheit. Das können wir als Versorger nicht allein bestimmen“, umreißt Willmitzer die Aufgaben.

Wetterextreme beeinflussen Wasserqualität

Auf die Qualität des Trinkwassers haben sowohl Hoch- als auch Niedrigwasser Einfluss – und leider keinen guten. Je nach Struktur des Einzugsgebietes gibt es bei Hochwasser höhere Stoffeinträge. Im Falle der oben erwähnten geschädigten Wälder bedeutet das auch mehr Bodenerosion und damit noch mehr Stoffeinträge. Diese kann man in der Verfahrenstechnik bei der Aufbereitung zu Trinkwasser gut beherrschen, aber der Aufwand und damit die Kosten steigen. Mit den Stoffeinträgen gelangen nicht nur mineralische Partikel, sondern auch Nährstoffe ins Wasser. Algenwachstum und Eutrophierung sind die Folgen. Die Algenbiomasse muss in der Wasseraufbereitung wieder aufwändig herausgeholt werden.

Hinzu kommt, dass Kläranlagen nur eine bestimmte maximale Kapazität haben. Bei Starkregen füllt sich das Regenrückhaltebecken des Klärwerks. Das Wasser wird später aus dem Becken entnommen und gereinigt. Wenn die Kapazität eines solchen Beckens erschöpft ist, fließt das Wasser ungeklärt an der Anlage vorbei. Hier müsse geprüft werden, ob durch eine Vergrößerung solcher Rückhaltekapazitäten Vorsorge getroffen werden könne.

Steigende Temperaturen und Trockenheit setzen schädlichen Kreislauf in Gang

Sind bei Trockenheit die Wasserstände niedrig, führt das ebenfalls zu mehr Stoffeinträgen. Sedimente aus ausgetrockneten Uferbereichen gelangen bei Regen ins Wasser, in der Regel in einen kleinen Wasserkörper. „Die Fracht steigt, wie wir sagen“, erzählt Willmitzer.

Einen weiteren internen Rückkopplungseffekt erklärt der Hydro-Biologe. Die Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter führen zu einem natürlichen Umwälzungsprozess des Wassers. Im Sommer entwickelt sich eine thermische Schichtung, auch Sommerstagnation genannt: das kalte Wasser ist am Boden, das warme Wasser aufgrund seiner geringeren Dichte an der Oberfläche. Im Winter durchmischt sich der Wasserkörper. Wird es im Frühling schneller warm und bleibt es im Herbst länger sommerlich, dauert die Sommerstagnation länger. Das hat Konsequenzen für die Sauerstoffversorgung des Tiefenwassers – sie sinkt, weil die Algen aus den oberflächennahen Bereichen beim Absterben in die Tiefe sind und bei ihrer Zersetzung Sauerstoff verbrauchen. Je länger die Stagnation besteht, desto länger wird das Tiefenwasser nicht mit Sauerstoff versorgt. Der Sauerstoffmangel im Tiefenwasser führt dazu, dass sich im Sediment gebundener Phosphor lösen kann. Wenn die nächste Zirkulation beginnt, steht dieser Phosphor dann wieder den Algen zum Wachstum zur Verfügung.

Willmitzer und seine Fachkollegen und Kolleginnen wünschen sich von der Politik eine schnellere und konkretere Umsetzung der Wasserstrategie, die die vielfältigen Problemlagen für die Trinkwasserversorgung aus Talsperren berücksichtigt. Petra Franke


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