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Die Meinung
14. Dezember 2022

Die Energiewende gelingt nur im Dialog

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber: Wenn dazu Stromleitungen in ihrer Nähe entstehen sollen, schwindet die Akzeptanz. Warum es hier vor allem Aufklärung braucht.

Evamaria Lutz, stv. Projektleiterin beim Bürgerdialog Stromnetz

Evamaria Lutz, stv. Projektleiterin beim Bürgerdialog Stromnetz
Eine Frau mit blonden Haaren im Tweed Blazer
Bild: @Marc Theis

Deutschland soll bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden. Ein anspruchsvolles Ziel. Um es zu erreichen, müssen wir unsere Energieversorgung weitestgehend auf erneuerbare Energien umstellen: Schon bis 2030 müssten mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus regenerativen Energien stammen. Das stellt unser Stromnetz vor neue Herausforderungen: Viele Erzeugungsanlagen für erneuerbaren Strom stehen – im Gegensatz zu konventionellen Anlagen – nicht dort, wo der meiste Strom gebraucht wird: Deshalb muss mal Windkraft aus dem Norden in den Süden und Westen gelangen, mal muss umgekehrt Solarkraft aus dem Süden in den Norden transportiert werden.

Für eine sichere Versorgung müssen wir die Unterschiede zwischen Stromerzeugung und -bedarf ausgleichen – verlässlich und jederzeit. Das wird nicht gelingen, ohne das Stromnetz weiter aus- und umzubauen. Denn: Regenerativer Strom entsteht – anders als fossile Energie – nicht in wenigen großen Kraftwerken, sondern in vielen kleinen. Auch Mobilität und Wärme müssen stärker elektrifiziert werden, damit wir klimaneutral werden können. Deshalb muss das Netz mehr Strom aufnehmen. Deshalb errichten die Netzbetreiber in ganz Deutschland neue Leitungen oder bauen bestehende für die regenerative Energiezukunft um. Dazu zählen große, überregionale Projekte wie SuedLink und Ultranet, aber auch lokal entstehen etwa neue Verteilnetze und Umspannwerke.

Nur Aufklärung schafft Akzeptanz

Jetzt kommt noch etwas hinzu: Mehr als 80 Prozent der Deutschen befürworten in Umfragen den Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber: Nur 18 Prozent würden Überlandstromleitungen in der Nähe ihres Wohnorts akzeptieren. „Not in my backyard“ (wörtlich: „nicht in meinem Hinterhof“) – so beschreibt die Wissenschaft das Gefälle zwischen Wunsch und Wirklichkeit bzw. das Phänomen, dass Menschen die Energiewende zwar prinzipiell befürworten, sich im konkreten Fall aber am Blick auf eine neue Stromleitung stören oder befürchten, dass ihr Grundstück an Wert verliert.

Was tun? Unserer Erfahrung nach hilft vor allem eins: Aufklärung. Denn Energiewende-Projekte sind überall dort gut akzeptiert, wo die Menschen sich schon länger mit ihnen auseinandergesetzt haben – etwa in Schleswig-Holstein oder Teilen Niedersachsens, also Regionen, in denen die Windkraft schon seit Langem etabliert ist. Die Menschen dort wissen um die (auch wirtschaftlichen) Vorteile regenerativer Energien.

Tatsächlich betrifft der Stromnetzausbau nicht nur die jeweiligen AnwohnerInnen, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gelingen kann sie nur, wenn Planungs- und Ausbauprozesse transparent ablaufen und mit einem offenen Dialog einhergehen. Deshalb sollten alle am Stromnetzausbau Beteiligten die interessierten BürgerInnen einbeziehen, ihnen das notwendige Wissen vermitteln und ihre Belange berücksichtigen.

Auf den Austausch vor Ort kommt es an

Das Beispiel SuedLink zeigt, wie unsere Arbeit in den Kreisen und Gemeinden funktioniert: Die 700 Kilometer lange Gleichstromleitung soll die windreichen Regionen Norddeutschlands mit den Verbrauchszentren im Süden verbinden. Deshalb veranstalteten wir dort im Sommer 2022 unter anderem vier Bürgerinformationsveranstaltungen im Wartburgkreis und im Kreis Schmalkalden-Meiningen.

Bei diesen und anderen Formaten wollen wir die BürgerInnen nicht nur informieren, sondern sie auch mit den AkteurInnen des Netzausbaus zusammenbringen. So waren bei den Veranstaltungen neben RepräsentantInnen der lokalen Verwaltungen auch VertreterInnen von Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern sowie ExpertInnen für Strahlen- und Bodenschutz vertreten. Auf diese Weise informierten sich die Teilnehmenden über den aktuellen Stand der Planung und konnten sich mit ihren Fragen und Anliegen gleich an die jeweiligen AnsprechpartnerInnen wenden. In diesen Gesprächsrunden ergeben sich deswegen häufig auch engagierte Diskussionen, bei denen alle Seiten gemeinsam ihr Verständnis des betreffenden Projektes erweitern – und genau das ist unser Ziel.

Engagiert für das große Ganze

Wir vom Bürgerdialog Stromnetz möchten, dass der Stromnetzausbau vorankommt – und auf diesem Weg möglichst viele Menschen mitnehmen. Deshalb engagieren wir uns für einen konstruktiven Austausch zwischen allen Interessengruppen und zeigen den BürgerInnen, wie sie sich bei Planungs- und Genehmigungsverfahren einbringen können. Uns geht es um das große Ganze: um die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Energiewende und Klimaschutz umzusetzen. Das Pro und Contra bestimmter Planungsvarianten ist hingegen die Sache von Vorhabenträgern und Genehmigungsbehörden. Als neutrale Instanz ist es unsere Aufgabe, Informationen zur Verfügung zu stellen und den Dialog zu fördern.

 

Der Bürgerdialog Stromnetz ist in ganz Deutschland mit zehn Regionalen AnsprechpartnerInnen vertreten, die die Bedürfnisse und Besonderheiten ihrer jeweiligen Region kennen und berücksichtigen. Im Jahr 2022 organisierten sie rund 3.000 Termine, darunter viele Bürgerinformationsveranstaltungen. Darüber hinaus sind die Regionalen AnsprechpartnerInnen regelmäßig für Workshops, Vorträge und andere Formate an Universitäten, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, wie bspw. Volkshochschulen, zu Gast. Mit unserem Infostand haben wir in diesem Jahr außerdem an mehr als 200 Messen, Infomärkten oder Bürgerforen teilgenommen.




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