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Nachgefragt
15. Juni 2022

Crowd-Finanzierungen für die Energiewende

Projekte in Erneuerbaren Energien suchen einen Teil ihrer Finanzierung immer öfter über Crowd-Investing. Kleinanleger können so direkt die Vorhaben mitfinanzieren, die sie selbst unterstützenswert finden. Einblicke in eine Anlageform, die bisher noch ein Nischendasein fristet.

Jonas Klose ist Prokurist bei der nachhaltigen Crowdinvesting-Plattform WIWIN.

Jonas Klose ist Prokurist bei der nachhaltigen Crowdinvesting-Plattform WIWIN.
Foto: WIWIN

Herr Klose, warum tun sich klassische Banken immer noch schwer, erneuerbare Projekte zu finanzieren?

Wir erleben, dass den klassischen Banken für dieses Thema die versierten Mitarbeiter fehlen und Kreditanträge lange liegen – sicher auch, weil es einfach immer mehr Kreditanträge in diesem Segment gibt. Die Banken werden überrannt und sind überfordert. In der Masse fließt unterm Strich weniger Geld in nachhaltige Projekte als in Vorhaben, die vielleicht einfacher zu verstehen sind.

Welche Lücke in der Finanzierung schließt ein Crowd-Investment?

Über Crowd-Finanzierungen erhält ein Unternehmen oder Projekt eigenkapitalähnliche Mittel. Diese werden häufig eingesetzt, um zusätzlich eine klassische Bankfinanzierung zu erhalten und dabei das Eigenkapital des Projektinhabers oder Unternehmens zu schonen. So kann er oder sie parallel mehr Projekte umsetzen. Eine vollständige Finanzierung über die Crowd ist selten, da diese Finanzierungsform eine andere Kostenstruktur hat.

Heißt das, sie ist teurer?

Ja. Eine Bank refinanziert sich günstig am Kapitalmarkt und kann das Geld dann mit einer Marge weiterreichen. Das heißt, der Kreditnehmer zahlt die typische Zinskomponente, derzeit zwischen zwei und drei Prozent. Bei Finanzierungen über die Crowd liegen diese Kosten höher – der Anleger will eine Rendite bei Erneuerbare-Energien-Projekten von beispielsweise durchschnittlich fünf Prozent. Und auch wir, die Vermittlungsplattform, erhalten für unsere Dienstleistung eine Vergütung. Wichtig ist mir aber zu betonen, dass diese beiden Finanzierungsformen grundsätzlich komplementär zueinander sind und ein unterschiedliches Risiko-Rendite-Verhältnis aufweisen. Daher ist ein Vergleich auf reiner Kostenbasis wenig sinnvoll.

Ist Wiwin auf bestimmte Projekte festgelegt oder auf eine bestimmte Realisierungsreife von Projekten?

Wir sind nicht auf bestimmte Projekte festgelegt und finanzieren die gesamte Wertschöpfungskette von Erneuerbare-Energien-Projekten. Das heißt es können auch Projekte, die noch in der Entwicklungsphase sind, über unsere Plattform finanziert werden. In diesem Fall bekommt der Anleger auch höhere Zinsen, weil Projekte in der Entwicklungsphase naturgemäß mit höheren Risiken einhergehen. Natürlich finanzieren wir auch den Bau und den Betrieb von Anlagen.

Wie sehen Ihre Nachhaltigkeits-Kriterien aus, nach denen Sie Projekte bewerten und ins Portfolio aufnehmen?

In der ersten Prüfungsphase schauen wir nach eindeutigen Ausschlusskriterien und sortieren bereits sehr viel aus. Danach – wenn das Unternehmen und Wiwin sich über ihr beiderseitiges Vertragsverhältnis einig sind – schauen wir uns die Vorhaben genauer an: Ergibt das Geschäftsmodell Sinn und wie sehen die sonstigen Unternehmensdaten und Finanzkennzahlen aus? Häufig ziehen wir dabei externe Experten zu Rate. Wir versuchen zu beurteilen, ob das, was das Unternehmen vorhat, im Branchenvergleich nachhaltig ist. Was macht es besser als Wettbewerber? Von 70 bis 80 Anfragen, die uns erreichen, kommt im Schnitt ein Projekt auf die Plattform. Und bei jedem Projekt machen wir nachvollziehbar und transparent, wie wir die Nachhaltigkeit analysiert haben.

Haben Sie zum Beurteilen der Nachhaltigkeit Standards?

Die Betrachtung ist immer individuell, aber folgt einer Logik. Gerade erarbeiten wir zusammen mit der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel ein Punktesystem, um die Bewertung noch klarer zu machen. Beispielsweise erhält ein Investment in eine neue PV-Anlage nach unserem Schema dann mehr Punkte als das Investment in eine bestehende Anlage, weil es die Zukunft mehr verändert in Richtung Nachhaltigkeit. Das Impact Scoring wird voraussichtlich ab September unsere Nachhaltigkeitsbeurteilung ergänzen und für unsere Anlegerinnen und Anleger noch transparenter machen, welchen Impact sie mit ihrem Investment erzielen können.

Sie haben gerade eine Crowd-Finanzierung für Solaris gestartet, könnten Sie an diesem Beispiel beschreiben, was die Punkte waren, die Wiwin überzeugt haben?

In der aktuellen Phase ging es um eine Wachstumsfinanzierung. Wir kennen Solaris schon länger und haben bereits bei anderen Finanzierungsthemen zusammengearbeitet. Das Unternehmen realisiert PV-Dachanlagen auf Privathäusern. Die Bewohner kaufen den Strom vom eigenen Dach, ohne die hohen Anschaffungskosten oder eine starre Fix-Miete für die Solaranlage zu haben. Wettbewerber mit einem ähnlichen Geschäftsmodell verlangen eine über mindestens 20 Jahre feste Miete, was dazu führen kann, dass der bestmögliche Ertrag und der höchstmögliche Selbstverbrauch für den Kunden aus dem Blick geraten können. Wir finden das Modell von Solaris gut, weil es Anreize beinhaltet, dass die Menschen möglichst viel Strom aus der eigenen PV-Anlage beziehen.

Installateure sind knapp, diesen Mangel spüren alle und er bremst Wachstum aus. Wie kann Solaris diese Hürde meistern?

Ein wichtiger Punkt. Eigentlich fehlen überall Handwerker. Hier hat Solaris den Vorteil, dass eine Schwesterfirma existiert, die schon seit vielen Jahren Solaranlagen installiert, ein Großbetrieb mit mehreren Handwerkerteams. Solaris kann nach unserer Einschätzung wachsen, ohne am Fachkräftemangel zu scheitern, zumal die vorhandenen Mitarbeiter gut ausgebildet und erfahren sind. 

Wie lange dauert es bei Wiwin, ein Projekt zu prüfen?

Von bestimmten Ausnahmen abgesehen, dauert eine Prüfung bei uns im Schnitt vier Wochen.

Wie minimieren Sie die Risiken für Anleger?

Wir versuchen, für unsere Anlegerinnen und Anleger Sicherheitsmechanismen einzuziehen. Dennoch bleiben Risiken bestehen. Gerade im Start-up-Bereich, wo auch hohe Renditen erzielt werden können, kann der Anleger einen Totalverlust erleiden, wenn das Start-up scheitert. Bei Erneuerbare-Energien-Projekten oder Immobilien haben wir andere Sicherheitsmechanismen, beispielsweise einen Zugriff auf das Asset, nachrangig zur finanzierenden Bank. Aber wir arbeiten häufig auch mit Patronatserklärungen der Muttergesellschaft oder Bürgschaften. So sind die Projektinhaber mit in der Haftung, so dass die Crowd ihnen gegenüber anspruchsberechtigt ist. Das Risiko für Crowd-Anleger ist aber in der Regel höher als das einer finanzierenden Bank. Dafür bekommen sie auch eine höhere Rendite.

Schwarze Schafe haben vor einigen Jahren Anleger verprellt. Was machen Sie anders, damit Totalverluste für Anleger vermieden werden?

Zunächst einmal prüfen wir alle Projekte auf Herz und Nieren. Das können Sie sich ähnlich dem Analyseprozess einer Bank vorstellen. Zusätzlich bieten wir unseren Anlegerinnen und Anlegern die Möglichkeit, in Projekte verschiedenster Unternehmen zu investieren und ein diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Abschließend ist uns sehr wichtig, neben den Chancen auch immer sehr transparent auf die Risiken, die mit einem Investment einhergehen, hinzuweisen und darüber aufzuklären.

Hat Wiwin selbst Wachstumsambitionen?

Ja. Wir haben klare Ziele. Im Jahr 2026 wollen wir 200 Millionen Euro in Projekte vermitteln, im vergangenen Jahr haben wir 20 Millionen vermittelt, in diesem Jahr sollen es 40 Millionen werden. Dafür müssen wir sowohl spannende neue Projekte finden, aber auch neue Kunden, die dann auch investieren.

Sehen Sie ein wachsendes Interesse von Privatanlegern, Geld direkt in Projekte zu investieren?

Mit dem Ukraine-Krieg ist das Bewusstsein dafür gestiegen, dass wir einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien brauchen. Das bringt auch Unsicherheit mit sich, aber viele wollen jetzt etwas tun. Das Interesse ist da, aber noch nicht in dem Maße für die Anlageform des Crowd-Investing. Sie führt immer noch ein Nischendasein und ist wenig bekannt. Für uns ist die Aufgabe, das zu ändern, die Anlageform zu erklären und sie in die breite Masse zu tragen. Es ist eine Möglichkeit, sehr gezielt in Erneuerbare Energien zu investieren und genau das zu unterstützen, was man selbst gut findet.

Wie sieht es mit den Gesetzen und Vorgaben aus, ist Crowd-Investing eventuell benachteiligt gegenüber anderen Finanzierungsformen?

Der Gesetzgeber stellt zurecht hohe Anforderungen für den Vertrieb von Finanzprodukten an Kleinanleger. Auf europäischer Ebene sollen gerade die Regeln zum Crowd-Investing harmonisiert werden. Doch dieser Prozess verläuft nicht ideal. Die nationalen Gesetzgeber interpretieren die Vorgaben individuell, so dass gerade ein Flickenteppich mit Rechtsunsicherheit entsteht. Wir würden uns wünschen, dass unser Regulator, die BaFin, hier progressiver auftritt.

Das Gespräch führte Petra Franke.


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