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Nachgefragt
07. Mai 2022

„Eine Chance für Nachtzüge"

Die Schiene ist das klimafreundlichste Verkehrsmittel. Mit Nachtzügen könnte sich Europa wieder neu vernetzen. Doch dafür muss sich die Politik für die Schiene einsetzen und Akteure motivieren, den Bahnverkehr wieder aufzubauen.

Jon Worth ist Politikberater und Gründer der Kampagne Trains for Europe.

Jon Worth ist Politikberater und Gründer der Kampagne Trains for Europe.
Jon Worth
Foto: Trains for Europe

Warum ist der Nachtzugverkehr in Europa eingeschlafen?

Weil seit zwei Jahrzehnten fast keine Bahnfirmen in Nachtzügen investiert haben. Wenn wir mehr Nachtzüge wollen, muss irgendjemand Nachtzüge bestellen. Die Frage ist also, wer tut das und wie. Aber das Problem scheint mir grundsätzlich lösbar zu sein. In der Ära der Billigflüge waren Nachtzüge zum Teil eingestellt. Die jetzige Debatte um grünes Reisen ist eine erneute Chance für Nachtzüge.

Was passiert zurzeit, um den europäischen Nachtzugverkehr aufzuwecken?

Es gibt den Cross Border Rail Action Plan der Europäischen Kommission und den neuen Green Rail Investment Fund der European Investment Bank. Jetzt müssen wir schauen, ob auch Züge bestellt werden. In Deutschland muss sich dazu auch die Debatte ändern. Leider ist sie im Moment nicht sehr lösungsorientiert. Man hört, was fehlt, was es mal gab, aber nicht, wie kriegen wir, was wir wollen?

Wie kriegen wir wieder Nachtzüge auf Deutsche Schienen?

Ich sehe fünf mögliche Optionen, um dem Nachtzuggeschäft in Deutschland einen großen Schub zu geben, ohne große ideologische Fragen beantworten zu müssen. Die Regierung könnte als Eigentümer der DB diese anweisen, wieder ins Nachtzuggeschäft einzusteigen. Betreiber wären dann entweder sie selbst, also Option eins, oder eine neugegründete Tochterfirma als zweite Option. Aber zunächst müsste der Staat klar Stellung beziehen.

Die nächste Möglichkeit wäre, dass der Staat eine Art Pool für neue Züge finanziert. Das machen die Franzosen zurzeit. Der französische Staat hat entschieden, dass sie 300 Nachtzugwagen, 30 Lokomotiven und zwei Werkstätte haben wollen. Sie haben vor, einen Pool von Fahrzeugen zu gründen und dann Betreiber für die Linien zu finden, die sie wollen. Eine Co-Finanzierung könnte man von der EU zusammenbekommen. Dann müsste man zwar noch weiter ausarbeiten, welche Strecken notwendig und gewünscht sind und wer diese Züge baut. Aber grundsätzlich halte ich das für eine gut machbare Lösung für Deutschland.

Option vier wäre ein Public-Service-Obligation-Modell. Das ist eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung mit Subventionen für Strecken, die auf dem freien Markt unrentabel, aber gesellschaftlich gewünscht sind. Das gibt es in Schweden. Da Deutschland den Fernverkehr aber nicht subventionieren will, könnte das juristisch schwierig werden. Option fünf wäre, die Trassenpreise für Nachtzüge deutlich zu senken, die im europäischen Vergleich sehr hoch sind. Das würde den wirtschaftlichen Rahmen zu verbessern. Der deutsche Markt würde locker sechs bis zehn neue Nachtzuglinien von und nach Deutschland unterstützen.

Das Interview führte Julia Broich


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