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Nachgefragt
30. Juni 2022

„Mehr Transparenz im Vorfeld von Entscheidungen“

In Berlin werden politische Entscheidungen auf Landesebene seit April 2021 auf Klimaauswirkungen und Nachhaltigkeit überprüft. Bei dieser Bewertung soll den Verwaltungsmitarbeitern ein Klimacheck helfen. Wie funktioniert er, was bringt er und wo liegen seine Grenzen?

Marco Baldauf ist Projektleiter bei der Ramboll Management Consulting, die den Klimacheck im Auftrag entwickelte.

Marco Baldauf ist Projektleiter bei der Ramboll Management Consulting, die den Klimacheck im Auftrag entwickelte.
Marco Baldauf ist Projektleiter bei der Ramboll Management Consulting, die den Klimacheck im Auftrag entwickelte.
Foto: © Ramboll Management Consulting

Herr Baldauf, wie kam es zum Klimacheck in Berlin und worauf zielt er ab?

Im Dezember 2019 hat Berlin als erstes Bundesland anerkannt, dass wir uns in einer Klimanotlage befinden, und hat sich auf Landesebene zu zusätzlichen Anstrengungen zugunsten des Klimaschutzes verpflichtet. Eine Maßnahme hierzu ist, alle politischen Entscheidungen auf Senatsebene gezielt auf Klimaauswirkungen und Nachhaltigkeit zu überprüfen. Die Zuständigkeit hierfür wurde der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klima übertragen. Ramboll Management Consulting wurde als Dienstleister beauftragt, ein Tool zu entwickeln. In einem gemeinsamen Prozess mit den Kolleg:innen in dem zuständigen Referat, aber auch im Austausch mit weiteren Fachreferaten, Klimaschutzbeauftragten von Berliner Bezirken sowie mit den Anwender:innen haben wir das Klimachecktool entwickelt, das im April 2021 auf Landesebene eingeführt wurde.

Können Sie Beispiele nennen, was in die Bewertung der Klimaauswirkungen der verschiedenen politischen Maßnahmen einfließt?

Eine der zentralen Herausforderungen unserer Arbeit war, dass es thematisch eine sehr breite Spanne an Senatsvorlagen auf Landesebene gibt, die von diesem Tool auf Klimaauswirkungen überprüft werden muss. Das reicht beispielsweise von Festlegungen, ob Elektroscooter am Straßenrand geparkt werden dürfen, bis hin zu sehr aufwändigen und komplexen Bebauungsplänen im Stadtgebiet. Wir haben zu Beginn sieben relevante Handlungsfelder in punkto Klimaauswirkungen identifiziert, denen Verwaltungsmitarbeiter:innen begegnen, wenn sie eine Senatsvorlage bearbeiten.

Welche sind das?

Zum einen das große Thema Energieversorgung, seien es energiepolitische Entscheidungen auf Landesebene oder kleinteilige Maßnahmen, beispielsweise ob in einem Bebauungsplan ein Solardach vorgesehen ist. Dann haben wir das ganze Thema Energieverbrauch von Gebäuden und Anlagen, beispielsweise bei Sanierungsmaßnahmen oder beim Neubau. Zum dritten das große Thema Verkehr, alles rund um Mobilitätsfragen, Förderung von emissionsarmen Verkehrsmitteln, Fahrradverkehr. Dazu kommt das Thema Stadtgrün, wo es um Zuwachs oder Reduzierung, also Flächenversiegelung geht. Das ist nicht nur relevant, wenn es in einer Senatsvorlage darum geht einen neuen Park anzulegen, sondern auch wenn in einem Bebauungsplan Fassaden- oder Dachbegrünung vorgesehen ist. Darüber hinaus haben wir noch die Handlungsfelder Kreislaufwirtschaft sowie öffentliche Beschaffung. Das siebte Handlungsfeld sind bewusstseinsbildende Maßnahmen wie Events, Bildungsmaßnahmen oder Kampagnen zum Thema Klima und Nachhaltigkeit.

In welchen Schritten wird der Klimacheck dann durchgeführt?

Am Beginn steht eine Basisprüfung. Die hat den Zweck, politische Entscheidungen, die keine Klimaauswirkungen haben, wie bestimmte Finanzinstrumente oder Personalangelegenheiten auszusortieren. Bei allen anderen Entscheidungen werden die Anwender Schritt für Schritt durch das Tool geleitet. Am Schluss steht dann eine Klimaschutz-Gesamtbewertung einer geplanten Maßnahme.

Werden eigentlich auch Handlungsalternativen aufgezeigt oder die Kosten verschiedener Maßnahmen?

Das Tool kann frühzeitig klimafreundliche Alternativen aufzeigen, das ist ein zentraler Zweck. Es zeigt die positiven oder negativen Klimaauswirkungen und schafft dadurch mehr Transparenz im Vorfeld von Entscheidungen. Wenn mit Hilfe des Tools beispielsweise der Bebauungsplan für ein neues Gebäude analysiert wird, dann zeigt es dem User am Ende Möglichkeiten für positive Klimaschutzmaßnahmen in Form einer Liste auf. Werden diese mitberücksichtigt, bekommt man auch eine bessere Bewertung und ein nachhaltigeres Gebäude. Der Klimacheck kann jedoch keine Kosten-Nutzen-Rechnung durchführen.

Wie lange dauert es in der Regel einen solchen Klimacheck bestimmter geplanter Entscheidungen durchzuführen? Ist das sehr zeitaufwendig?

Im Rahmen der Pilotphase haben Berater:innen von Ramboll Management Consulting im Sommer 2021 in mehreren Interviews Anwender:innen gefragt, wie lange ein Durchlauf dauert. Das Tool ist sehr anwenderfreundlich. Je nach Komplexität der Entscheidungsvorlage und Erfahrenheit der User mit dem Tool dauert ein Check zwischen 30 und 90 Minuten. Wir haben bisher positive Rückmeldungen von Seiten der Anwenderinnen und Anwender bekommen. Ab August werden wir zusammen mit der Senatsverwaltung eine weitere Evaluierung durchführen.

Ist die Anwendung des Tools für die Mitarbeitenden der Senatsverwaltungen verpflichtend?

Es ist verpflichtend, in Senatsvorlagen eine begründete Angabe zu den Klimaauswirkungen der geplanten Maßnahmen aufzunehmen. Der Klimacheck soll dabei helfen, hier zu einem Ergebnis zu kommen. Für die Verwaltungsmitarbeitenden ist es nicht verpflichtend, das Tool zu nutzen, sondern es ist eine praktische Arbeitshilfe.

Hat sich denn durch den Klimacheck faktisch etwas beim Klimaschutz in Berlin verbessert bzw. hat er zu klimafreundlicheren Entscheidungen geführt?

Noch können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob und inwiefern sich politische Entscheidungen durch das Tool verändert haben. Die Datenlage ist hier noch nicht ausreichend. Im Rahmen unserer Evaluation wollen wir herausfinden, inwieweit das Tool zu einem Kompetenzaufbau im Bereich Klimaschutz und nachhaltigem Handeln bei den Anwender:innen in der Verwaltung geführt hat. Zudem interessiert uns, ob die Senatsvorlagen durch die Bearbeitung mit dem Klimacheck-Tool Anpassungen erfahren haben, ob also die Alternativen, die wir dort vorschlagen, berücksichtigt wurden.

Das Gespräch führte Hans-Christoph Neidlein.


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