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VerkehrswendeDie kurzen Wege von Drewitz

Eine begrünte Straße mit Park in der Mitte, umgeben von Flachdachbauten
Seit 2014 erstrahlt die Konrad-Wolf-Allee in der Gartenstadt Drewitz in neuem grünen Glanz. (Bild: ©Adam Sevens)

Nachhaltige Mobilität im Bestand? Besonders komplex dort, wo viele Menschen auf engem Raum am Rande einer Stadt leben. Die Gartenstadt Drewitz in Potsdam zeigt dennoch, wie klimagerechte Mobilität im Bestand integriert werden kann.

30.05.2022 – Potsdam, eine Stadt mit mondänen Schlössern und einer pittoresken Altstadt. Wie in vielen deutschen Städten prägen aber auch Plattenbauten das Stadtbild. Die über 5.600 Einwohner zählende Gartenstadt Drewitz, im Südosten Potsdams, ist so eine. An der Grenze zu Brandenburg gelegen, ist es der Stadtteil mit dem niedrigsten Pro-Kopf Einkommen Potsdams. Wer jedoch einen heruntergekommenen und von der Außenwelt vergessenen Ort erwartet, wird eines Besseren belehrt. Sanierte und bunt gestaltete Plattenbauten durchziehen breite Fußwege und Parkanlagen. Dabei war dieser Ort einmal ein vergessener. 2009 fing das kommunale Wohnungsunternehmen ProPotsdam gemeinsam mit der Landeshauptstadt Potsdam und Genossenschaften an, Drewitz umzubauen, um einen Ort zu schaffen, an dem die Menschen gerne leben.

Neben der Sanierung der Häuser sollten mehr Grünflächen und Aufenthaltsorte für die Bewohner geschaffen werden. Dafür bedurfte es Platz. Wie fast überall in deutschen Städten nahmen parkende Autos und Straßen einen erheblichen Teil des öffentlichen Raumes ein. Ideen, dem zu begegnen, lagen vor, aber die Bewohner waren anfangs nicht eingebunden und fürchteten um ihre Parkplätze vor der Haustür. Es folgte ein offenes und intensives Beteiligungsverfahren, aus der sich zwei Fragen herauskristallisierten: Wer braucht einen Stellplatz und wo?

„Es gibt einen Unterschied zwischen den bewegungseingeschränkten Senioren, für die persönliche Stellplätze vor der Haustür geschaffen worden sind, und zum Beispiel dem jungen 18-Jährigen, für den ein Mieterparkplatz im Wohnblock ausreichend ist“, sagt Jörn-Michael Westphal, Geschäftsführer von ProPotsdam. Neben persönlichen Stellplätzen vor der Haustür und Mieterparkplätzen im Wohnblock wurden weitere öffentliche Stellplätze außerhalb der Gebäudekomplexe bereitgestellt. Das Parken auf persönlichen Stellplätzen und Mieterparkplätzen wurde kostenpflichtig. Zugleich gab und gibt es für Neumieter der ProPotsdam in 1- bis 2-Zimmer-Wohnungen das Angebot eines kostenlosen Jahrestickets für den öffentlichen Personennahverkehr. Die Tram ins Potsdamer Stadtzentrum existierte bereits. „Laut des städtischen Verkehrsbetriebs ist ein Umzug ein günstiger Zeitpunkt, dass Menschen ihr Mobilitätsverhalten ändern“, so Westphal.

Diese Maßnahmen sorgten in den Folgejahren dafür, dass sich der sogenannte Zielverkehr um fast die Hälfte minimierte. Weniger Menschen suchen Parkplätze innerhalb der Wohnblöcke, da sie feste Stellplätze haben oder außerhalb parken. Auch insgesamt sind die Bewohner der Gartenstadt weniger mit dem Auto unterwegs. Dafür sorgen, neben dem ÖPNV-Ticket, die verbesserten Freizeitangebote. Die Stadtteilschule wurde um vielfältige Kulturangebote bereichert, die Innenhöfe der Wohngebäude grüner gestaltet und der fußläufige Zugang zum angrenzenden Brandenburger Wald sowie einem nahegelegenen Einkaufszentrum erleichtert.

Zudem wurde die Hauptstraße der Gartenstadt Drewitz umgewandelt. Anstelle einer zweispurigen Straße in jede Richtung und Hunderten von Parkplätzen trat ein Park, mit Spielplätzen, Brunnen und einem Café. Dies sorgt ebenso für weniger Durchgangsverkehr. Für Menschen, die nicht nach Drewitz wollen, ist es inzwischen weniger attraktiv durch die engen Straßen der Gartenstadt zu fahren. Für die Bewohner hingegen sorgt das für Entlastung. Eine Mieterumfrage ergab ein gesteigertes ökologisches Interesse der Bewohner.

Das Fahrrad jedoch spielt im Alltag der Gartenstädtler bislang eine untergeordnete Rolle. Projekte in der Stadtteilschule sollen nun helfen, Kindern und Erwachsenen das Fahrradfahren näher zu bringen, ebenso wie die Schaffung zusätzlicher Fahrradstellplätze. Auch privates Car-Sharing hat sich bislang nicht durchgesetzt. Eine entsprechende Initiative scheiterte vor ein paar Jahren. Das Vertrauen unter den Bewohnern war nicht groß genug. Versicherungsfragen stellten ebenfalls ein Problem dar. Inzwischen haben sich die Regeln für Versicherungen aber geändert und ProPotsdam ist bestrebt, die Nachbarschaftsentwicklung weiter voranzutreiben. Ein neuer Anlauf für privates Carsharing soll folgen.

Das Projekt Gartenstadt Drewitz erfährt breite Unterstützung, auch außerhalb Potsdams. Für den ökologischen Verkehrsclub VCD ist der Stadtteil ein echtes Leuchtturmprojekt. „Bei größeren, prestigeträchtigen Neubauprojekten kommen mittlerweile innovative Mobilitätskonzepte zum Einsatz“, sagt Sebastian Felixberger, Regionalkoordinator für Berlin und Brandenburg beim VCD. Bei größeren Bestandsprojekten sei dies ungleich schwieriger. Die Gartenstadt Drewitz aber zeige, wie das Konzept der Stadt der kurzen Wege auch im Bestand entwickelt werden könne, mit der verbesserten fußläufigen Erreichbarkeit von Angeboten des täglichen Bedarfs, Kultur- und Freizeiteinrichtungen sowie dem ÖPNV. Und die Gartenstadt Drewitz befindet sich weiter im Wandel. Das kostenlose ÖPNV-Ticket etwa soll auf Auto- und Fahrrad-Sharing-Systeme ausgeweitet und der ÖPNV selbst besser an das überregionale Mobilitätsnetz angeschlossen werden. Ziel ist, der erste CO2-neutrale Stadtteil Potsdams zu werden. Neben klimaschonenden Mobilitätskonzepten werden dafür die Gebäude energetisch saniert und Mieterstromprojekte mit Solaranlagen auf den Dächern geschaffen. Manuel Först


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