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Klimaklage





Vertrauliche ListeAlte Energiewirtschaft dominiert Kohlekommission

Schacht 12 der ehemaligen Zeche Zollverein, heute ein Architektur- und Industriedenkmal. (Foto: © Thomas Wolf, www.foto-tw.de, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 DE)

Eine vertrauliche Liste der Mitglieder zeigt: Die alte Energiewirtschaft dominiert die Kohlekommission, Vertreter der Erneuerbaren Energien sind unterrepräsentiert. Immerhin haben Umweltverbände eine Klimaökonomin als vierte Vorsitzende durchgesetzt.

30.05.2018 – Ursprünglich wollte das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch über die Einsetzung der Kohlekommission und deren Mitglieder entscheiden. Doch offenbar gibt es noch immer Unstimmigkeiten, denn der geplante Beschluss wurde am Morgen überraschend von der Tagesordnung genommen, auf Wunsch der CSU, wie die FAZ berichtet.

Indes zeigt eine vertrauliche Liste der voraussichtlichen Mitglieder: Fünf Schwergewichte der Industrie und Wirtschaft werden wohl der Kohlekommission angehören und aller Voraussicht nach ihren Einfluss für die alte Energiewirtschaft, sprich die Kohleindustrie, geltend machen. Mit dabei sind demnach die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Sie stehen allesamt für alte Strukturen und Industrien.

Klimaschützer in Unterzahl

Als Gegengewicht der neuen Energiewirtschaft, also der Erneuerbaren Energien, ist dagegen nur der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) vorgesehen. Darüber hinaus sollen die Umweltverbände BUND, Deutscher Naturschutzring (DNR) und Greenpeace der Kohlekommission angehören. Ebenfalls Mitglied sind die Gewerkschaften IG Metall, DGB und Verdi, die sich in den vergangenen Jahren schwer taten mit der Energiewende und der sterbenden Kohleindustrie.

Führende Ökoenergieanbieter und Bürgerenergie-Vertreter sind verärgert. Sie hatten bereits Anfang Mai in einem Brief an die Bundesregierung ihre Mitarbeit und Expertise angeboten, um den Braunkohleregionen in Rheinischen Revier und in der Lausitz eine langfristige wirtschaftliche Perspektive zu schaffen. In einer erneuten Stellungnahme mahnten am Dienstag das Bündnis Bürgerenergie, NATURSTROM, EWS Schönau, Greenpeace Energy und Lichtblick eine ausgewogene Besetzung an.

Einseitigkeit beschädigt Kommission

Nur eine ausgewogene Besetzung sorgt für Glaubwürdigkeit.„Nach derzeitigem Stand haben bei den eingeladenen Vertretern der Branche die Kohlebefürworter ein deutliches Übergewicht in dem Gremium“, schreiben sie. „Diese Einseitigkeit beschädigt die Kommission. Nur eine ausgewogene Besetzung sorgt für Glaubwürdigkeit.“ Durch die ungleiche Besetzung werde das Ziel erschwert, einen konsequenten und zeitnahen Kohleausstiegsplan zu erarbeiten.

Zusätzlich sollen Regionen-Vertreter und einige Wissenschaftler in dem Gremium mitarbeiten. Als möglicher Kandidat gilt u.a. Hans Joachim Schellnhuber, Deutschlands wohl bekanntester und renommiertester Klimawissenschaftler.

Klimaökonomin macht Hoffnung

Zudem sind nun alle Vorsitzenden bekannt. Die ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen und Brandenburg, Stanislaw Tillich (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) sind gesetzt. Als dritte Vorsitzende war Ursula Heinen-Esser (CDU) vorgesehen, die nun aber neue Umweltministerin in NRW wird. Die Union im bevölkerungsreichsten Bundesland besitzt das Vorschlagsrecht für den dritten Posten und tat sich lange schwer mit der Nachbesetzung. Verschiedenen Medienberichten zufolge soll entweder Ewold Seeba, derzeit Vizechef der Bundesgesellschaft für Endlagerung, oder Bahn-Vorstand und Merkel-Vertrauter Ronald Pofalla den dritten Posten übernehmen.

Hoffnungen setzen Umweltverbände und Klimaschützer auf die überraschende vierte Vorsitzende: Barbara Praetorius. Die Professorin für Klimaökonomie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin gilt als ausgewiesene Expertin. Sie arbeitete zuvor für den VKU und die einflussreiche Berliner Denkfabrik Agora Energiewende, die seit Jahren auf einen Kohleausstieg drängt und entsprechende Pläne ausgearbeitet hat. Praetorius soll als Gegengewicht fungieren und Klimaaspekten Gehör verschaffen, das wünschen sich zumindest Umweltverbände und die Grünen, die auf die vierte Vorsitzende gepocht hatten.

Protest vor dem Kanzleramt

Am Morgen protestierten anlässlich des Kabinettsbeschlusses zur Kohlekommission mehrere Umweltverbände vor dem Kanzleramt. Sie streckten ihre schwarz gefärbten Hände in die Höhe und signalisierten damit: „Stoppt Kohle“. Die Umweltverbände BUND, Greenpeace und Naturfreunde Deutschlands fordern von der Bundesregierung und der Kohlekommission einen Kohle-Ausstiegspfad, der die deutschen Klimaziele erreichbar macht und gleichzeitig sozialverträglich ist.

Bis Ende des Jahres soll die Kommission laut Einsetzungsbeschluss ihren Abschlussbericht zum Kohleausstieg vorlegen. Ob dieser Zeitplan nach der erneuten Verschiebung eingehalten werden kann, wird immer fraglicher. cw

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