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Akzeptanz und GerechtigkeitDie Dimensionen des Klimageldes

Menschen in Neopren vor Reichstag in der Spree mit Transparenten zum Klimageld
Schwimmer:innen von verdi, AWO, dem Paritätischen und Greenpeace demonstrieren in der Spree für eine schnelle Einführung des Klimagelds (Foto: Chris Grodotzki / Greenpeace)

Der CO2-Preis auf fossile Energieträger im Gebäude und Verkehr belastet die Verbraucher. Deshalb befürworten viele Gruppen das Klimageld. Was sozial gerecht ist und dem Klimaschutz am meisten dient, ist aber noch nicht ausdiskutiert.

01.02.2024 – Die Forderungen nach der Auszahlung eines Klimageldes an alle Bürger werden lauter und energischer. Am morgigen Freitag wird sich der Bundesrat mit einem entsprechenden Entschließungsantrag der Freien Hansestadt Bremen befassen. Am Dienstag stiegen gar Menschen in die eiskalte Berliner Spree, um ihrer Forderung nach einem Klimageld Nachdruck zu verleihen. Die Aktion war von Sozialverbänden und Greenpeace initiiert. In der Debatte wird mit dem Klimageld vor allem mehr soziale Gerechtigkeit verbunden.

Die Abgaben für CO2-Emissionen sind ein Hilfsmittel, um die Transformation der Wirtschaft zu klimaneutralen Prozessen anzuregen. Klimaschädliches Produzieren und Verbrauchen soll Geld kosten und möglichst vermieden werden. Aber der CO2-Preis trifft nicht alle Haushalte und Verbraucher gleichermaßen. Wer in urbaner Umgebung mit gutem öffentlichem Nahverkehr wohnt und deshalb auf das Auto verzichten kann, womöglich sogar in den Genuss von regenerativer Fernwärme kommt, zahlt weniger CO2-Steuern als ein Berufskollege, der außerhalb der Stadt im energetisch sanierungsbedürftigen Einfamilienhaus lebt und auf das Auto angewiesen ist. Nicht jeder kann gleichermaßen durch angepasstes Verhalten CO2-Abgaben vermeiden.

Die Idee des Klimageldes löst dieses Dilemma nicht. Erfolgt die Erstattung pro Kopf in gleicher Höhe, werden die Ungerechtigkeiten nicht aus der Welt geschafft. Zudem gibt es Härtefälle, die die Mehrbelastung trotz Klimageld nicht stemmen könnten. Für maximale Gerechtigkeit müsste das Klimageld ausdifferenziert werden, ein gesellschaftlicher Konsens für die Kriterien gefunden und die Prozesse entsprechend detailreicher werden. Härtefälle bräuchten darüber hinaus zusätzliche Unterstützung. Die Kosten für die aufwändige Klärung von Anspruchsvoraussetzungen könnte womöglich schnell die zu verteilende Geldmenge übersteigen. Am Ende wäre dem Klimaschutz nicht gedient.

Hat sich die Ampelkoalition einen Bärendienst erwiesen, als sie das Klimageld im Koalitionsvertrag versprach? Ursprung der Idee war der Wunsch nach breiter gesellschaftlicher Akzeptanz der Transformation. Doch inzwischen steht die berechtigte Frage im Raum, ob das Klimageld diesen Anspruch tatsächlich erfüllen kann.

Umfragen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während sich in einer Greenpeace-Umfrage 62 Prozent der Befragten für die Auszahlung eines Klimageldes an alle Bürger aussprachen, attestierte das Münchner ifo-Institut dem Klimageld geringere Zustimmung in der Bevölkerung. Es werde zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, jedoch fänden andere Verwendungsformen für Einnahmen aus dem CO2-Preis deutlich mehr Zustimmung, so das Ergebnis einer repräsentativen ifo-Umfrage.

Die Menschen können sich offenbar auch gut damit anfreunden, wenn der Staat die Einnahmen in klimafreundliche Maßnahmen investiert. Dieser Vorschlag fand in der Umfrage die meiste Zustimmung. Auf Platz zwei landete der Vorschlag, die Mehreinnahmen zu nutzen, um dafür die Einkommenssteuer zu senken.

Bei der konkreten Ausgestaltung eines Klimageldes findet die pauschale Auszahlung an alle Bürger am wenigsten Zustimmung in der ifo-Umfrage. Ein soziales Klimageld, das nur bis zu einem Bruttoeinkommen von 4.000 Euro ausgewählt würde oder eine gezielte Kompensation von Haushalten, die besonders vom CO2-Preis belastet sind, fanden die Befragten besser.

Kann das Klimageld Gerechtigkeit und Akzeptanz gleichermaßen befördern?

Die Bürgerinnen und Bürger verstehen, dass das Klimageld kein Allheilmittel gegen soziale Ungerechtigkeiten und für Klimaschutzanliegen ist. Der soziale Ausgleich hingegen wird gewünscht, weil einkommensschwache Haushalten einen größeren Anteil ihres Einkommens für Energie ausgeben. Das ist auch das Ergebnis verschiedener Forschungen zum Thema. So berichtet unter anderem Sabine Preuß vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, dass die Akzeptanz vor allem über die Verwendung der Mittel hergestellt wird.

Preuß forscht empirisch und qualitativ zur gesellschaftlichen Akzeptanz für CO2-Bepreisung. In einer Studie wurden die Einstellungen von vulnerablen Gruppen untersucht und es zeigte sich, dass Gerechtigkeit eine große Rolle spielt, aber vor allem auch der Klimaeffekt. Auch in dieser Studie schnitt das Klimageld als Mittel für mehr Akzeptanz schlechter ab als andere Maßnahmen. „Viele haben tatsächlich gesagt: Na ja, das ist ja irgendwie rechte Tasche, linke Tasche, ich zahle etwas und dann kriege ich es wieder zurück“, berichtet Preuß.

Gerechtigkeit ist eine Frage der Perspektive

Stephan Sommer, Wissenschaftler im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, beschreibt das Klimageld als eine von mehreren Alternativen, um die die Kosten der CO2-Bepreisung zu kompensieren. Das Klimageld sei mit Sicherheit das am meisten diskutierte Instrument. Zusätzlich könnten die Strompreise gesenkt werden, was die Bundesregierung mit dem Wegfall der EEG-Umlage für Stromkunden sogar schon getan habe. Zwei weitere Alternativen sind das Green Spending, die Verwendung der Einnahmen für andere Klimaschutzinstrumente oder die direkte Kompensation für Härtefälle, also eine Rückzahlung an zu definierende Zielgruppen.

Auf die Frage, welche der Alternativen die gerechteste ist, „werden wir wahrscheinlich zu keiner klaren Antwort kommen, weil es in einer Gesellschaft ganz unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen gibt“, argumentiert Sommer. Das Klimageld sei vielleicht das am einfachsten zu verstehende gerecht Instrument. Auch dass es progressiv wirkt – also eher einkommensschwächere Haushalte entlastet – sieht Sommer als Vorteil. Und ähnlich wie Sabine Preuß sieht er eine ganze Reihe von Akzeptanzeffekten, wenn die Einnahmen für konkrete Klimaschutzinvestitionen verwendet werden.

Klimageld nicht gegen Klimaschutz ausspielen

Der Klima- und Transformationsfonds allein reicht nicht, um die anstehenden Klimaschutz-Aufgaben zu finanzieren. Dieser einfache und vielleicht manchmal verdrängte Fakt ist ein weiterer Aspekt in der Debatte um das Klimageld, auf den Matthias Kahlkuhl vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hinweist. Die Vorstellung, den Klimaschutz vollständig aus dem KTF finanzieren zu können, sei problematisch. Neben den Mitteln aus der CO2-Bepreisung müssten zusätzliche und sehr umfangreiche Mittel für Förderprogramme, Infrastrukturausbau, für die Bahn, den ÖPNV und für öffentliche Gebäude im allgemeinen Haushalt bereitstehen. Eine Rückerstattung der CO2-Preise als Klimageld – möglichst ausdifferenziert nach tatsächlicher Belastung – wäre dann der Hebel, um soziale Härten abzufedern.

Und noch eine Dimension gilt es zu bedenken: die des Vertrauens. Das Klimageld ist ein Versprechen im Koalitionsvertrag – kommt es nicht, auch wenn es dafür triftige Gründe gibt – geht Vertrauen in die Politik verloren. Petra Franke


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Kommentare

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Andres 01.02.2024, 20:31:33

Das Klimageld ist eine Massnahmen, um Klimaschutz u.A. sozial verträglicher zu gestalten. Das zahlt stark auf die Legitimität bei der Bevölkerung ein.

Das Ziel kann trotzdem nicht sein, *100% Gerechtigkeit in jedem Einzelfall* zu erreichen. Jeder Einzelfall ist eine Begründung mehr zur Abschwächen des Anreizes einzelner für notwendige Schritte hin zu mehr Klimaschutz.

 

Ein Vorteil des Klimagelds ist in meinen Augen, dass es als Konzept ziemlich einfach zu verstehen ist. Daher sollte es besser nicht wie eine Einkommenssteuer 2.0 enden. Das Spiel gewinnen am Ende dann sowieso wieder nur diejenigen mit dem teureren Steuerberater. So geht der Kampf um vermeintliche Gerechtigkeit meistens aus.

 

Würde man den CO2-Preis z.B. hingegen zu fast 100% an jeden Bürger ausschütten, liessen sich auch wesentlich höhere CO2 Anhebungen für jeden Bürger einfach nachvollziehbar und planbar begründen. Es ist die Nachvollziehbarkeit die auf Legitimität einzahlt und einen starken Anreiz schafft, nicht die absolute Gerechtigkeit.

 

Um gerade sozial schwachen Bürgern diese Transition trotzdem stark zu erleichtern, muss man vor allem Zeit einplanen, damit sich jeder auf die neue Gegebenheiten auch einstellen kann. Ausnahmen sollte man möglichst keine einplanen, sondern stetig voranschreiten. Wie Subventionen und Steuersystem zeigen wird aus einer Ausnahme sonst schnell die Regel.


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