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Klimaziele vermasseltFahrplan zum Kohleausstieg ist ein fauler Kompromiss

Baustelle Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen
Paradox: Im Kohleausstiegsplan von Bund und Kohle-Ländern darf das neu geplante Steinkohlekraftwerk Datteln 4 noch ans Netz. (Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / Flickr / CC BY-SA 2.0)

Der von Bund und Kohle-Ländern nun vereinbarte Fahrplan für den Kohleausstieg sorgt für Empörung. Ein neues Kraftwerk kommt ans Netz, die Abschaltungen dauern zu lange, Kohlekonzerne profitieren und der Ausbau Erneuerbarer Energien bleibt Randnotiz.

17.01.2020 – Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben den Fahrplan für das Abschalten von Kohlekraftwerken vereinbart und gestern vorgestellt. Der Gesetzentwurf für den Kohleausstieg solle bis Mitte des Jahres verabschiedet werden.

Die Kohlekommission hatte bereits vor einem Jahr Deutschlands Ausstieg aus der klimaschädlichen Stromgewinnung aus Stein- und Braunkohle bis spätestens 2038 angekündigt. Laut Ausstiegszeitplan soll in den Jahren 2026 und 2029 überprüft werden, ob die geplanten Stilllegungstermine nach dem Jahr 2030 um jeweils drei Jahre vorgezogen werden können, um das Abschlussdatum 2035 zu erreichen. Umweltschützer fordern einen schnelleren Ausstieg und dafür den Ausbau Erneuerbarer Energien. Doch hier bremst die Politik weiterhin kräftig

Es hagelt Kritik

„Der zwischen Regierung und Konzernen ausgehandelte Abschaltplan tritt das Ergebnis der Kohlekommission mit Füßen“, urteilt das Umweltnetzwerk Grüne Liga. „Während der Kommissionsbericht Wert auf einen stetigen Abbau der Kraftwerkskapazitäten legt, sollen jetzt fast alle Braunkohlekraftwerke kurz vor 2030 oder kurz vor 2039 abgeschaltet werden. Das bedeutet einen massiven Mehrausstoß von Treibhausgasen“, sagt René Schuster von der Grünen Liga.

Das sieht auch der Umweltökonom Felix Matthes vom Öko-Institut, der in der Kohlekommission saß, ähnlich: „Bundesregierung setzt Kohlekompromiss an die Wand“, schreibt er auf Twitter. „Von stetiger Emissionsminderung 2023-2030 & substanziellem Zwischenschritt von 10 Mio t CO2 in 2025 kann keine Rede sein.“

Neues Steinkohlekraftwerk statt Windausbau

„Der Plan für den Kohleausstieg ist enttäuschend, einen Plan für mehr Erneuerbare Energien gibt´s nicht“, kommentiert der Landesverband Erneuerbare Energien LEE NRW den faulen Kompromiss. Stattdessen schränkten Bundesregierung und Landesregierung in NRW die Windenergie ein. Zufrieden ist dagegen ihr Ministerpräsident Armin Laschet: Das neu geplante Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen des Betreibers Uniper darf ans Netz. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hatte im Vorfeld befürchtet, dass das Braunkohlekraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt zugunsten von Datteln früher vom Netz müsste – wegen des „CO2-Ausgleichs“. Doch jetzt darf auch Schkopau bis 2034 laufen. Bringt also doppelt so viel Emissionen statt weniger. Das Braunkohlekraftwerk im brandenburgischen Jänschwalde soll Ende 2028 vom Netz gehen.

Großzügige Verteilung von Steuergeldern, Schulterklopfen von Politik und Konzernen

Den Kraftwerksbetreibern bringt der Kohleausstieg milliardenschwere Entschädigungszahlungen. Sie sollen in den folgenden 15 Jahren über vier Milliarden Euro aus der Staatskasse erhalten. „Es ist völlig unklar, wofür der EPH-Konzern Milliardenentschädigungen bekommen soll“, sagt Schuster. Schon vor jeder Diskussion um den Kohleausstieg war klar, dass die älteren Lausitzer Kraftwerksblöcke im Jahr 2030 vom Netz sein werden.“ Das sehen auch viele Juristen ähnlich.

Die vom Kohleausstieg betroffenen Bundesländer und Regionen sollen im Zeitraum bis spätestens 2038 mit einer Gesamtsumme von 40 Milliarden Euro unterstützt werden. Wie diese Gelder eingesetzt werden und was unter Strukturhilfe verstanden wird, darüber muss sicherlich noch debattiert werden. Statt den Ausbau Erneuerbarer zu fördern und damit nicht nur Klimaschutz und Energieversorgung sicherzustellen, sondern auch neue Arbeitsplätze zu generieren, sind Innovations- und Forschungszentren in den betroffenen Bundesländern geplant. Für die Beschäftigten in Braunkohle-Kraftwerken und -Tagebauen sowie in Steinkohle-Kraftwerken soll es bis zum Jahr 2043 ein Anpassungsgeld geben. Wer seine Arbeit verliert, könne so die Zeit bis zum frühzeitigen Renteneintritt überbrücken.

Hambi bleibt – Dörfer nicht

Der von Klimaaktivisten lange umkämpfte Hambacher Forst, der an das Kohleabbaugebiet Garzweiler in NRW grenzt, soll erhalten bleiben und wird nicht für den angrenzenden Tagebau gerodet. Dagegen hatte sich der Energiekonzern RWE lange gewehrt. Dörfern am Rande des Abbaugebiets droht jedoch weiterhin die Zerstörung, denn RWE baggert weiter. Ihr Kampf zum Erhalt ihrer Heimat und Umwelt dauert an und braucht weiterhin Unterstützung.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sieht die Einigung indes als großen Erfolg und einen „wichtigen Durchbruch für den Klimaschutz“ und ein „Paket der Vernunft, das die verschiedenen berechtigten Anliegen aus Schutz für das Klima, Strukturstärkung für die betroffenen Regionen und Versorgungssicherheit für unsere Industrie zusammenbringt.“ Die Aktivisten der Gruppe „Menschenrecht vor Bergrecht“, Anwohner der bedrohten Dörfer, kommentierten auf Twitter die Aussagen ihres Ministerpräsidenten: Mit „Durchbruch“ meine Laschet wohl „den Krater, der sich unaufhörlich weiter in Richtung unseres Zuhauses ausdehnt? Dieses „Paket der Vernunft“ will weiter an der Tagebauerweiterung Garzweiler festhalten und unsere Dörfer zerstören. Wir sind zutiefst enttäuscht.“

Enttäuscht und empört sind viele. Und ohne einen beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien bleibt der Kohlekompromiss ohnehin ein fauler. Dagegen sollen Gaskraftwerks-Kapazitäten an bisherigen Kohlekraftwerksstandorten die Kohle-Energie ersetzen. Dem Klimaschutz ist auch damit nicht geholfen. na


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