EU-KommissionFusionsreaktor wird mit Rechentrick zum Klimaschutz-Projekt

Im Bau befindlicher Reaktor 2018. (Bild: Oak Ridge National Laboratory, Wikimedia Commons, CC BY 2.0)

Die Milliardenausgaben für den Forschungsreaktor Iter in Südfrankreich sollen nach dem Willen der EU-Kommission als Klimaschutz-Projekt angerechnet werden. Dabei ist die Kernfusion hochumstritten. Niemand weiß, ob sie jemals Energie liefern wird.

08.03.2019 – Mit einem Rechentrick planen EU-Kommission und Mitgliedsländer offenbar die Einhaltung ihrer eigenen finanzielle Klimaschutzzusagen. Im kommenden Unionshaushalt von 2021 bis 2027 müssen 25 Prozent der Ausgaben für den Klimaschutz vorgesehen sein, so hatte es die EU selbst beschlossen. Da noch viele Milliarden fehlen, wird einfach umdeklariert: Der milliardenteure Bau des Kernfusion-Forschungsreaktors Iter wird kurzerhand zum Klimaschutz-Projekt.

Energie aus Kernfusion frühestens ab 2050

So steht es in internen EU-Dokumenten, aus denen der Spiegel zitiert. Sechs Milliarden würden damit umgeschichtet. Und es könnten in den nächsten Jahren mehr werden: Die ursprünglichen Gesamtkosten von elf Milliarden Euro dürften sich verdoppeln. Frühestens in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts wird die Fusionsenergie tatsächlich Strom liefern können, wenn überhaupt. Befürworter erhoffen sich die Lösung für das Energieproblem der Menschheit.

Kritiker halten dagegen, dass für den Kampf gegen den Klimawandel die Technologie zu spät einsatzbereit sein wird – wenn sie jemals funktioniert. Bisher verbrauchten alle Experimente deutlich mehr Energie als sie generierten. Auch Iter ist nur für die Forschung vorgesehen. Was sich aus den Experimenten für die Praxis ableiten lässt, bleibt noch Jahrzehnte ungewiss.

„Ein wichtiger Sieg für die Atomlobby“

Dennoch hält die EU und mit ihr viele große Industrienationen an diesem internationalen Mammutprojekt fest. Zu groß sind offenbar die Hoffnungen. In den internen Papieren sinniert die EU-Kommission über die „Null-Kohlenstoff-Ergänzung“ zu den Erneuerbaren Energien. Umweltschützer befürchten stattdessen eine Renaissance der herkömmlichen Atomkraft als klimafreundliche Alternative zu Kohle, Öl und Erdgas.

„Sollte Iter zum Klimaschutz-Projekt umetikettiert werden, wäre das ein wichtiger Sieg für die Atomlobby“, warnt auch Luxemburgs Energieminister Claude Turmes gegenüber dem Spiegel. Der Klimaschutz sei für die Atomkonzerne die letzte Chance, die Atomenergie in die Zukunft zu retten. Und er hat noch einen Punkt: „Es ist absurd, dass demnächst mehr als die Hälfte aller Energieforschungsmittel der EU in den Iter-Reaktor fließen soll.“ cw

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