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Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE)Handlungsempfehlungen für die Energiewende

Zwei Windkraftanlagen vor rotem Tulpenfeld
Jetzt muss endlich der rote Teppich für die Erneuerbaren Energien in allen Sektoren ausgerollt werden, um die Klimawende zu bewältigen. (Foto: Martijn Baudoin on Unsplash)

Der Schlüssel zur Klimawende ist der rasche Ausbau der Erneuerbaren Energien in allen Sektoren. Mit dem vorgelegten Klimaschutzplan der Regierungspartei ist das nicht zu machen. Der BEE fordert daher zu konkreten Maßnahmen auf, die machbar wären.

26.06.2021 – Der Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE) stellte gestern in Berlin seine Vorschläge für die Legislaturperiode 2021-2025 vor: Im Forderungspapier „Energiewende jetzt voranbringen – Welchen Weg Deutschland in eine zukunftsfähige Energieversorgung einschlagen muss“ beschreiben die Branchenexperten die sechs zentralen Handlungsfelder für den Zukunftsstandort Deutschland.

„Die Kernaufgabe, um die Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Festlegung ambitionierter Ausbaupfade für die erneuerbaren Technologien bis zum Jahr 2030“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter anlässlich der Vorstellung des Arbeitspapiers zu den Handlungsempfehlungen des BEE. Diese zu verschieben, werde der Rolle der Erneuerbaren Energien nicht gerecht.

Welche Ausbaupfade der Erneuerbaren Energien für das neue Klimaschutzziel nötig sind, wie eine effiziente und sozial gerechte CO2-Bepreisung aussieht und wie der Ausstieg aus den fossilen Energien schneller geht, formuliert der BEE im neuen Positionspapier: Die stark wachsende Nachfrage nach Erneuerbaren Energien aus der Industrie, den Sektoren Mobilität und Wärme sowie als direkte Folge der Digitalisierung muss gedeckt werden. Die gegenwärtigen Rahmenbedingungen verhindern jedoch eine intelligente Kopplung der Sektoren, um die Energiewende als Ganzes voranzubringen.

Ausstieg aus fossilen Energien und CO2-Bepreisung

Subventionen, die fossile Energien künstlich im Markt halten wie das Dieselprivileg sowie die Förderung rein fossil befeuerter Heizungen, zementieren den Status quo eines fossilen Energiesystems, heißt es im Positionspapier, und verzögern den Einsatz Erneuerbarer Energien im Zuge der Sektorenkopplung. Eine CO2-Bepreisung sei daher ein geeignetes Instrument, um nicht nur für zukunftsfähige Klimaschutztechnologien einen fairen Markt zu schaffen, sondern auch um die gesetzlichen Regelungen im Rahmen des Kohleausstiegs zu ergänzen.

Weder die bis 2025 festgelegten CO2-Preise bzw. die Obergrenze für das Jahr 2026 im nationalen Emissionshandel in den Sektoren Wärme und Verkehr, noch das Preisniveau im europäischen Emissionshandel seien ausreichend, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Um CO2-neutral zu wirtschaften muss vor allem das Tempo beim Ausbau Erneuerbarer Energien vervielfacht werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der deutschen Kohlekraftwerke schon unter heutigen Marktbedingungen ihre Kosten in den vergangenen Jahren nicht decken konnten, sei ein Ausstieg vor dem Jahr 2038 aus der Kohleverstromung wahrscheinlich und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien zu berücksichtigen.

Ökostromlücke vermeiden – CO2 und Geld sparen

In den kommenden Jahren wird trotz positiver Effizienzerfolge und einem sinkenden Gesamtenergieverbrauch ein deutlich steigender Stromverbrauch erwartet, denn durch die sinnvolle Verbindung der Sektoren wird im Wärme- und Verkehrsbereich der Ökostrombedarf ansteigen. Je langsamer also der Ausbau erfolgt, desto höher werden die volkswirtschaftlichen Folgekosten sein. Eine Ökostromlücke zu vermeiden spare also viel Geld – und CO2.

Neue Energiewelt anpassen – mehr Flexibilität und Förderung

Das gegenwärtige Strommarktdesign bildet die Erneuerbare Welt nicht ab, heißt es weiter im Bericht. Denn Erneuerbare-Energie-Anlagen werden abgeregelt, während klimaschädliche fossile Anlagen selbst bei negativen Börsenstrompreisen weiterlaufen und die Stromnetze blockieren. Das führe neben Abregelungs- auch zu unnötigen Kosten für Netzeingriffe, die dann von den Stromkunden getragen werden müssten. Die aktuelle Verteilung von den Kosten und Risiken für den Ausbau der Erneuerbaren Energien stoße zusehends an ihre Grenzen.

Kurzfristig haben die Folgen der Corona-Krise bisher ungelöste Regulierungsaufgaben des aktuellen Marktdesigns aufgezeigt, die trotz sinkender Stromgestehungskosten der Erneuerbaren direkt in eine hohe EEG-Umlage münden. Der Hintergrund dieses Effektes ist die beschleunigte Strompreisreduktion durch die Einspeisung von Erneuerbaren Energien, so der BEE, welche nur bedingt an die Endkunden weitergegeben werde, aber gleichzeitig vollständig zu einer Erhöhung der Differenzkosten führe.

Die Erhöhung der Flexibilität, sowohl im Stromverbrauch als auch in der -erzeugung, stelle daher eines der wichtigsten Handlungsfelder für eine weitestgehend Erneuerbare Energieerzeugung dar. Zudem könnten die Erneuerbaren Energien bereits heute noch stärker Systemverantwortung und Dienstleistungen übernehmen – wenn man die Akteure nicht ausbremsen würde. Dafür müssten die Anreize für Lastverschiebungen bei Haushaltsverbrauchern und der Industrie richtig gesetzt werden:

Speicher besser ins System integrieren

Die Kapazität von stationären und mobilen elektrischen Speichern müsse erhöht und Sektorenspeicher konsequent in das Gesamtsystem eingebunden werden. Der gesetzliche Einspeisevorrang Erneuerbarer Energien gegenüber fossilen Kraftwerken muss folgerichtig auch in der energiewirtschaftlichen Praxis durchgesetzt werden, heißt es im Positionspapierpapier.

Bürgerenergie stärken statt behindern

Die Motivation vieler Bürger, ihre Energieversorgung selbst und dezentral vor Ort zu organisieren, sollte gefördert und nicht weiter behindert werden. Dafür gilt es die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Investitionsbereitschaft von Bürgern und Unternehmen in die Energiewende im erforderlichen Umfang gewährleistet wird und Sektorenkopplungstechnologien – wie etwa klimafreundliche Wärmepumpen oder Elektromobilität, aber auch Heimspeicher in Verbindung mit Photovoltaik – in Form attraktiver Mitmachprojekte vor Ort in deutlich verstärktem Umfang installiert werden.

Fairen Wettbewerb schaffen

Bestehende Wettbewerbsverzerrungen für strombasierte Anwendungen im Vergleich zu fossilen Energieträgern müssen reduziert werden. Denn im Vergleich zu anderen Endenergieträgern ist Strom aktuell überproportional durch staatlich induzierte Preisbestandteile, wie Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen, belastet.

Die Finanzierung der besonderen Ausgleichsregelung und weiterer Befreiungstatbestände für stromintensive Industriebetriebe als wirtschaftspolitische Maßnahme sollte aus Haushaltsmitteln und nicht auf Kosten der Verbraucher umgesetzt werden. Darüber hinaus sollte die Stromsteuer auf das europäisch mögliche Mindestniveau abgesenkt werden.

Energiewende weiter demokratisieren

Die beim Eigenverbrauch anfallenden Abgaben sollten abgeschafft werden. So könnte das Potenzial des Prosumers genutzt und Netzausbaukosten reduziert werden. Ebenso wichtig wäre das Aufheben der Personenidentität als Kriterium zur Eigenversorgung und eine konsequente Umsetzung europäischer Vorgaben für eine Energiewende in Bürgerhand und für Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften.

Speicher nicht länger als Erzeuger oder „Letztverbraucher“ zu behandeln wäre eine Voraussetzung für die praxisgerechte Abschaffung der Doppelbelastung mit Entgelten und Abgaben von ein- und wieder ausgespeichertem Netzstrom. Die aktuelle Definition von Energiespeichern werde dem jedoch nicht gerecht. Es brauche eine Definition von Energiespeichern entlang der Vorgaben der EU-Binnenmarktrichtlinie.

Energiewende-Stiefkind Wärmesektor braucht dringend Unterstützung

Der Wärmesektor ist mit einem Anteil von ca. 52 Prozent am Endenergiebedarf der energieintensivste Anwendungsbereich. Aufgrund des hohen Anteils an fossilen Brennstoffen werden dabei jährliche Emissionen von über 300 Mio. Tonnen freigesetzt, berichtet der BEE. Der Ausbau der Erneuerbaren Wärme biete die Möglichkeit, die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten zu vermindern und stattdessen den heimischen Anlagen- und Heizungsbau sowie die leitungsgebundene Wärmeversorgung entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stärken.

Gesetzliche Rahmenbedingungen für die Nah- und Fernwärmeerzeugung, wie das Gebäudeenergiegesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz und die Bundesförderung effiziente Wärmenetze müssten dafür deutlich stärker auf die Umstellung von Wärmenetzen auf Erneuerbare Energien ausgerichtet werden. Die Förderung Erneuerbarer Energien im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude sollte verstetigt und Förderung für ausschließlich fossil befeuerte Heizungen beendet werden. Der BEE sieht bei Geothermie noch deutliche Potenziale im Wärmebereicht.

Kommunale Projekte stärken

Die kommunale Ebene sollte gestärkt werden, rät Veronika Grimm, Professorin für Wirtschaftstheorie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Wenn Energiekonzepte mit den Stakeholdern vor Ort konzipiert werden habe man klare Zeitachsen, mehr Planungssicherheit und bessere Absprachen wären möglich – was meist zum Erfolg führt, wie viele Praxisbeispiele bundesweit zeigen.

Industrie dekarbonisieren

Auch für die notwendige Dekarbonisierung industrieller Wärmeprozesse bedarf es der richtigen Rahmenbedingungen, um Investitionssicherheit und effektiven Klimaschutz zu ermöglichen. Erneuerbare Wärmetechnologien stehen über die verschiedenen Anwendungsfelder (Heizwasser für Raumwärme und Warmwasser, industrielle Prozesswärme usw.) hinweg technologisch ausgereift zur Verfügung. Dazu gehöre auch Rahmenbedingungen für den heimischen Markthochlauf zur Dekarbonisierung der industriellen Prozesswärme mit grünen Gasen zukunftsfest auszugestalten.

Ein dicker CO2-Brocken: Der Verkehrssektor

Im Mobilitätssektor sieht der BEE insbesondere die direkte Elektrifizierung von Fahrzeugen als Voraussetzung für Effizienzerfolge. Der Strom für die Elektromobilität müsste dabei vollständig aus Erneuerbaren Energien kommen – dafür ist ein weiterer Ausbau notwendig.

Diese Elektrifizierung sollte nach Vorstellung des BEE auch mit der klimafreundlichen Umgestaltung des Bestandsverkehrs und einer Dekarbonisierung der Kraftstoffe einhergehen – man müsse Lösungen für nur schwer zu elektrifizierende Verkehrsmittel wie Flug-, Schiffs- und Schwerlastverkehr anbieten. Deshalb ist nach Meinung der Experten auch die Nutzung von Bio- und strombasierten Kraftstoffen als klimafreundlicher Ersatz für fossile Kraftstoffe, sowohl im PKW- als auch im Straßengüter- und Busverkehr, weiterhin unverzichtbar.

Die Förderung privater Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität sollte ambitioniert verstetigt und Anreize zur Umrüstung von kommunalen und privaten Fahrzeugflotten deutlich verstärkt sowie die Teilnahme von Ladeinfrastrukturen an Flexibilitätsmärkten ermöglicht werden.

Die Treibhausgasminderungsquote im Bundesimmissionsschutzgesetz müsste sich an den Zielen des Klimaschutzgesetzes orientieren, um die Nachfrage nach Erneuerbaren Antriebstechnologien anzureizen, und auf einen Mindestanteil von 50 Prozent Erneuerbare Energien angehoben werden. Wasserstoff sowie strombasierte Kraftstoffe mit Kohlenstoff aus fossilen Quellen dürften grundsätzlich nicht gefördert werden.

Jeder Tag zählt

„Die Bundesregierung muss in den ersten 100 Tagen handeln“, sagt abschließend der Geschäftsführer des Bundesverband Windenergie (BWE) Wolfram Axthelm. Der Rahmen müsse nun so angepasst werden, dass er sich in allen Sektoren auf die neue Energiewelt einstellen kann. na


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Kommentare

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jomei 26.06.2021, 10:08:09

Was ich Verbänden wie BEE, Vereinen wie DUH u. dergl. nahelegen möchte, ist eine Verfassungsklage oder Klage vor dem BGH:

Die zwischen Regierung und fossilen Großkonzernen vereinbarte Entschädigung für Außerbetriebnahme längst abgeschriebener Altanlagen ist ein doppelter Rechtsverstoß. Zum ersten gegen das geltende Steuerrecht, wonach Investitionen nur einmal nach AfA-Regeln abgeschrieben werden dürfen. Dafür nochmal zu kassieren, kommt einer doppelten Abschreibung gleich, die zu Recht jedem sonstigen Unternehmen verwehrt wird. Darauf aufbauend ist darin ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungs- und Gleichheitsgrundsatz festzustellen, da diese "Entschädigung" eine nicht zu rechtfertigende Privilegierung der fossilen Großkonzerne darstellt.

Da ich kein Jurist bin, stelle ich meine Ausführungen als Meinungsäußerung hin, sie stellen somit keine Rechtsberatung dar.


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