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Urbane EnergiewendeMünchen macht sich auf den Weg zur Klimaneutralität

Unterstützende des Radentscheid München radeln bei einer Demonstration über die Münchner Hackerbrücke
München will bis 2035 klimaneutral werden – bei der Verkehrswende ist da noch viel zu tun. (Foto: Downtom / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0)

Bayerns Hauptstadt will bis 2035 klimaneutral werden. Zwei Studien zeigen, wie das gelingen kann. Im Fokus stehen dabei Maßnahmen von CO2-freier Wärmeversorgung über energetische Gebäudesanierung bis hin zu klimaschonenden Mobilitätskonzepten.

01.12.2021 – Die Landeshauptstadt München hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden. Die Stadtverwaltung selbst wolle dieses Ziel sogar bereits 2030 erreichen, berichten die Akteure. Dafür haben sich die Münchner in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut, Hamburg Institut, Intraplan und der Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft (FfE) einen Maßnahmenkatalog schneidern lassen.

Im Fokus der Münchner Klimaschutzpolitik sollten demnach stehen: eine CO2-freie Wärmeversorgung mit klimaneutraler Fernwärme, Geothermie, die energetische Gebäudesanierung sowie eine klimaschonende Mobilität für eine lebenswerte Stadt – mit mehr Radverkehr, Elektromobilität und einem starken ÖPNV.

„Beide Studien zeigen klar, dass alle Akteure in der Stadt schnell und energisch handeln können und müssen, damit das Ziel Klimaneutralität zeitnah erreicht werden kann“, kommentiert Christof Timpe, Projektleiter des Fachgutachtens für ein klimaneutrales München und Leiter des Institutsbereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut.

Der schnellste Weg zum klimaneutralen Wärmesektor

Rund ein Drittel der CO₂-Emissionen Münchens entfallen auf den Wärmeverbrauch. In der Studie Klimaneutrale Wärme München 2035 für die Stadtwerke Münchenzeigen Forscher vomFfE und Öko-Institut Strategien für den Wärmesektor auf. Demnach müssten jährlich mindestens 2,5 Prozent sämtlicher Gebäude der Stadt so saniert werden, dass sie möglichst dem Standard von einem Effizienzhaus 55 entsprechen. Dieses Ziel gilt hinsichtlich der Klimaziele für ganz Deutschland – und wird bislang nicht mal annähernd erreicht. Die Sanierungsrate dümpelt seit Jahren bei höchstens einem Prozent vor sich hin.

Dazu käme ein Umbau der Fernwärmeerzeugung – weg von fossilen Energieträgern, hin zu Geothermie und anderen Erneuerbaren Energien. Der Marktanteil klimaneutraler Fernwärme soll bundesweit auf etwa 70 Prozent im Jahr 2050 erhöht werden. Hier muss München wie andere Städte auch auf die neue Bundesregierung hoffen, Maßnahmen zu ergreifen, damit saubere Fernwärme und von 2035 an womöglich auch Wasserstoff als Speichermedium in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Die Voraussetzung für eine Wärmewende sei mit dem geothermischen Schatz in Münchens Untergrund immerhin sehr gut, sagen die Gutachter. Die Stadtwerke betreiben bereits mehrere Geothermie-Kraftwerke.

In den Quartieren, in denen keine Fernwärme angeboten werden kann, müssten die heute dominierenden Heizungen auf Basis von Erdgas und Heizöl systematisch durch Wärmepumpen und andere Technologien zur Nutzung Erneuerbarer Energien ausgetauscht werden.

„Angesichts der künftig voraussichtlich stark ansteigenden Preise für fossile Energieträger sind eine gute Wärmedämmung und klimaneutrale Heiztechnik nicht nur für das Klimaziel wichtig, sie schützen zugleich Mieterinnen und Mieter vor kräftigen Steigerungen der Heizkosten,“ erläutert Timpe. „Der Stadtrat könnte in Bebauungsplänen die Verbrennung von Heizöl und Erdgas in neuen Heizungen Schritt für Schritt beschränken“, schlägt Christian Maaß, Geschäftsführer des Hamburg Instituts, vor, und betont den Pioniercharakter einer solchen Maßnahme: „München könnte somit die erste deutsche Großstadt werden, die konsequent für den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf klimaneutrale Fernwärme und dezentrale erneuerbare Wärme sorgt.“

Fahrplan für mehr Klimaschutz

Neben dem Wärmesektor müssen aber etliche Bereiche des städtischen Lebens verändert werden: Weitere entscheidende Bereiche sind Kälte und Strom, Verkehr, Wirtschaft und Dienstleistung, privater Konsum sowie Stadtverwaltung und kommunale Unternehmen. Dabei soll weniger mit Einschränkungen, als vielmehr mit attraktiven und doch klimaschonenden Alternativen gearbeitet werden.

Besonders schwierig werde es mit der Wirtschaft, die ihre Emissionen bis 2035 um drei Viertel ihres Ausstoßes im Vergleich zu 2018 zu reduzieren müsste. Der Umbau werde eine enorme finanzielle und operative Herausforderung, kommentierte der Chef der Stadtwerke Florian Bieberbach.

Solarenergie ausbauen, vorhandene Energie nutzen, Umland mit einbeziehen

Der Strombedarf der Stadt München soll künftig über Erneuerbare Energien gedeckt werden. Dazu gehört ein Ausbau der Photovoltaik von heute etwa 75 Megawatt (MW) auf 800 MW innerhalb der Stadt im Jahr 2035 ebenso wie die Gewinnung von Strom aus dem biogenen Anteil des Abfalls der Stadt sowie aus Klärschlamm bzw. Klärgas.

Mit rund 1.700 Sonnenscheinstunden im Jahr ist München laut Studie eine der sonnenreichsten Städte Deutschlands. Das vorhandene solare Potenzial könne aber nur ausgeschöpft werden, wenn sich die Rahmenbedingungen auf den Ebenen des Bundes und des Freistaats drastisch verbessern, um den Ausbau der Photovoltaik innerhalb der Stadt zu beschleunigen, so die Studienautoren.

Um Solarenergie auf die Dächer zu bekommen und Hauseigentümer dazu zu bewegen, in Erneuerbare Energien zu investieren, brauche es jedoch etliche Fördermittel, sagt die Stadtverwaltung. In den kommenden drei Jahren sollen etwa 130 Millionen Euro in Beratung und Förderung fließen. Wenn Photovoltaik zwischen 2025 und 2030 um jährlich 50 Megawatt ausgebaut werden soll, müsste der Stadtrat zudem noch eine Solarpflicht Satzung für Neubauten erlassen.

Zudem planen die Stadtwerke München weitere Investitionen in Erneuerbare Energien außerhalb des Stadtgebiets, so dass bis 2035 der gesamte Strombedarf Münchens rechnerisch erneuerbar gedeckt werden könnte.

Verkehrswende dauert

München steckt täglich im Stau: in der Stadt, raus aus der Stadt oder rein in die Stadt. Es gibt zu wenig Radwege. Ansatzpunkte zur CO2-Reduktion sehen die Studienautoren in der Vermeidung von Verkehr, einer Verlagerung auf klimafreundlichere Verkehrsmittel und eine weniger klimaschädliche Abwicklung des verbleibenden Verkehrs. Dazu gehöre der schnelle Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Stärkung von Fuß und Radverkehr und die Realisierung klimaneutraler Antriebstechnologien für die Fahrzeuge.

„Trotz vieler vorhandener guter Ansätze ist dies ein langwieriger Prozess, der erhebliche Investitionen in die Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs erfordert“, sagt Alexandra Rudolf, Verkehrsplanerin bei Intraplan. Gerade wegen dieser langen Umsetzungszeiten der wirkungsstarken Maßnahmen sei es wichtig, unverzüglich und mit ausreichenden Ressourcen die Planung der entsprechenden Projekte voranzutreiben. „Selbst eine Stadt wie München ist dabei auf die rechtliche und finanzielle Unterstützung des Freistaats und des Bundes angewiesen“, so Rudolf.

Bundesweiter Rahmen für die urbane Energiewende nötig

Die beiden Studien machen vor allem auch deutlich, dass Städte und Gemeinden einen verlässlichen Rechtsrahmen für mehr Klimaschutz seitens der Bundesregierung benötigen. Nur so könne es gelingen, das gesamte Energiesystem zeitnah klimafreundlich umzugestalten. Dazu gehörten Instrumente wie ein ambitionierter CO2-Preis, der klimaschädliche Treibhausgase verteuert, eine Abschaffung der EEG-Umlage, um emissionsarmen Strom im Gegenzug günstiger zu machen sowie gut ausgestattete Förderprogramme für die Gebäudesanierung und die Möglichkeit für Kommunen, höhere Anforderungen an einen klimaschonenden Gebäudebestand und klimaneutrale Heizanlagen zu stellen.

Münchens Bürger müssten sich aktiv beteiligen – sonst wäre das nicht zu schaffen, sagt die Stadtverwaltung. Über einen Grundsatzbeschluss mit einem Maßnahmenpaket wollen die zuständigen Politiker in der kommenden Woche diskutieren, um noch vor der Weihnachtspause den Weg für einen weiteren Schritt in Richtung klimaneutrales München zu ebnen. na


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