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COP27Wir dürfen keinesfalls mit Gasfeldern Fehlanreize produzieren

Podium mit mehreren  Personen vor Publikum in einem in blaues Licht eingetauchten Raum
Auf der 27. COP – der Conference of the Parties – verhandelt die Staatengemeinschaft noch bis zum Wochenende über Emissionsminderung und Klimafinanzierung. (Bild: Ministry of Environment – Rwanda, flickr, CC BY-ND 2.0)

Die Grünen-Abgeordnete Lisa Badum ist auf der Klimakonferenz in Ägypten vor Ort und setzt sich für Erneuerbare Energiepartnerschaften mit anderen Ländern ein. Deutsche Unterstützung für fossile Projekte sieht sie dagegen kritisch.

16.11.2022 – Lisa Badum ist seit 2017 Abgeordnete für Bündnis 90/die Grünen im Bundestag. In dieser Wahlperiode ist sie Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, sowie Vorsitzende des Unterausschusses für internationale Klima- und Energiepolitik. Seit Montag ist Frau Badum auf der COP27 im ägyptischen Sharm El-Sheik.

Was ist ihre Agenda auf der Klimakonferenz? Wie sieht ihre Arbeit vor Ort aus?

Die COP ist der einzige Ort der Welt, an dem wir Betroffene aus Inselstaaten genauso treffen können wie Indigene aus dem Amazonas-Regenwald. Es ist wichtig dass wir mit den Menschen sprechen die jetzt schon stark von der Klimakrise betroffen sind, um uns unsere weltweite Verantwortung klar zu machen. Außerdem schmiede ich hier Bündnisse mit Parlamentarier:innen aus anderen Ländern: Was können wir voneinander lernen. Auch ist es wichtig zu berichten was in Deutschland gerade passiert und dass wir trotz schwieriger kurzfristiger Maßnahmen in der Energiekrise das größte Erneuerbaren Paket aller Zeiten verabschiedet haben. Zudem brieft uns die Bundesregierung regelmäßig über den Stand der Verhandlungen und wir können diese von parlamentarischer Seite aus nachvollziehen.

Bei Bündnissen mit anderen Ländern ist von deutscher Seite oft von Klimapartnerschaften die Rede Wie sehen diese Partnerschaften konkret aus?

Es gibt zum Beispiel die Just Energy Transition Partnerships (JETP), das sind G7-Partnerschaften mit Schwellenländern, um dort gemeinsam die die Dekarbonisierung voranzutreiben. Mehrere Industrieländer stellen gemeinsam Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Beispiel ist die JETP für den Kohleausstieg in Südafrika. Aktuell wird dort 90 Prozent allen Stroms aus Kohle hergestellt. Weitere JETPs sind angekündigt für Indonesien und später auch Indien. Ein weiteres Beispiel ist die heute vom Bundeswirtschaftsministeriumannoncierte trilaterale Energiepartnerschaft zwischen Deutschland, Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das ist ein riesiger Schritt sowohl für den Erneuerbaren Nahen Osten als auch für mehr Frieden und Zusammenarbeit in der Region.

Insbesondere in den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es weiterhin Probleme mit Menschenrechten. Wird so etwas bei Energiepartnerschaften thematisiert?

Wir wollen, dass bei den Energiepartnerschaften stärker als bisher die Zivilgesellschaft miteinbezogen wird und daran arbeiten wir. Auch problematische Themen wie die Menschenrechtslage gehören dazu und müssen angesprochen werden. Es wird jedoch nicht möglich sein Energiepartnerschaften nur mit Demokratien zu schließen. Daher ist es wichtig den Kontakt zu suchen, aber den eigenen Wertekompass immer deutlich zu machen und Fortschritte einzufordern. Die Emirate müssen insbesondere nächstes Jahr eine COP gewährleisten, die ein „Safe Space“ für die Zivilgesellschaft sind, was dieses Jahr in Ägypten nicht funktioniert hat.

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte zu Beginn der COP "ohne Wenn und Aber" aus Öl, Gas und Kohle auszusteigen. Wie passt das zusammen, mit Überlegungen neue Gasinfrastruktur, etwa im Senegal, zu fördern?

Das passt nicht zusammen aus meiner Sicht. Wir dürfen keinesfalls neue Gasfelder miterschließen und Fehlanreize mit produzieren. Wichtig ist, alle afrikanischen Stimmen zu hören. Während die senegalesische Regierung auf ihre Gasvorkommen pocht, wollen andere Länder, wie Kenia, Ghana und Namibia Erneuerbare entwickeln, weil das längst billiger ist. Wir sollten diese Bewegungen unterstützen.

Hilfen der Industriestaaten für ärmere Länder für Klimaschutz, -anpassung und Zahlungen für Schäden und Verluste sind ein weiteres wichtiges Thema der diesjährigen COP. Welche Summen sind realistisch, auf die sich die Industrienationen einigen werden?

Es sind bereits einige Millionen im „Global Risk Shield“ eine Art Vorläufer einer Institution für Schäden und Verluste angekündigt worden, zum Beispiel von Deutschland 170 Millionen und von Österreich 50 Millionen US-Dollar. Das reicht natürlich nicht, aber das sind erste Zeichen. Bis ein institutioneller Prozess für Loss and Damage-Gelder entwickelt wird, wird es wohl noch dauern.

Zwar wird wohl das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und Anpassung in ärmeren Ländern ab 2023 seitens der Industrienationen erreicht, aber es braucht offensichtlich deutlich mehr. Eine Verdoppelung der Gelder wird angemahnt. Dazu kommen noch Gelder für Schäden und Verluste. In besonders betroffenen Entwicklungsländern braucht es 2030 voraussichtlich 290 bis 580 Milliarden pro Jahr. Können und sollten die Industriestaaten und speziell Deutschland nicht deutlich mehr leisten?

Deutschland steht bereits gut da im internationalen Vergleich, insbesondere deswegen weil wir als Klimafinanzierung öffentliche Gelder, also Haushaltsmittel, nicht Kredite angeben. Aktuell stehen wir bei 5 Milliarden, wir möchten aber dass die Gelder auf 6 Milliarden Euro steigen. Hier müssen sich alle in der Koalition bewegen, damit wir schnell dorthin kommen. Es wäre aber auch gut wenn Länder wie die USA ihren fairen Beitrag leisten, der sicher nicht unter einem deutschen Beitrag liegen kann.

Nach Auffassung vieler zivilgesellschaftlicher Akteure läge ein fairer Anteil Deutschlands angesichts der Wirtschaftskraft und der Mitverantwortung Deutschlands für die Klimakrise bei 8 Milliarden Euro pro Jahr.

Im aktuellen Antrag der Koalitionsfraktionen zur COP27 steht die Aufforderung an die Bundesregierung„zur internationalen Klimafinanzierung angemessen beizutragen und sich dazu auf der COP27 aktiv dafür einzusetzen, dass die Geberländer ihre Mittel für die internationale Klimafinanzierung erhöhen, um das Ziel der 100 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2025 und voraussichtlich bereits in 2023 zu erreichen“.Das Thema der Angemessenheit beschäftigt uns also. Es ist unser Ziel und die Zusage des Bundeskanzlers dass die Finanzierung auf 6 Milliarden steigen wird. Das ist das was aktuell zur Debatte steht. Als Grüne können wir uns natürlich auch mehr vorstellen.

Frauen sind besonders von der Klimakrise betroffen. Gibt es Überlegungen oder Verhandlungen auf der COP, Frauen in besonderem Maße zu schützen und zu fördern?

Bei den Loss and Damage Verhandlungen fordert die Zivilgesellschaft, dass die besondere Betroffenheit von Mädchen und Frauen adressiert wird. Aber leider spielt der Punkt sonst keine explizite Rolle, natürlich in vielen Events und bei vielen Organisationen, aber es ist kein Schwerpunkt dieser COP.

Als einer der Hauptverursacher gibt sich China inzwischen beim Thema zur Finanzierung von Schäden und Verluste zurückhaltend und Russland fällt als Verhandlungspartner fast komplett aus. Sind die Debatten auf der COP schwieriger geworden?

Natürlich ist der Ukrainekrieg ein weiterer Stolperstein. Andererseits gibt es auch positive Signale, die USA bleiben ein progressiverer Partner als in Trump-Jahren und in Brasilien wurde Bolsonaro abgewählt, der hier auf der COP nicht mehr stark auftreten wird. Auch fangen USA und China wieder an zu sprechen, was sich vielleicht noch als hilfreich erweist. Dass es Bewegung bei Loss and Damage gibt ist auch historisch. Trotzdem darf man die Konferenz nicht mit Erwartungen überfrachten und als Ergebnis Dinge erwarten, die nicht auf der Tagesordnung stehen. Aber es ist wichtig dass die Weltgemeinschaft sich gemeinsam verantwortlich fühlt.

Das Interview führte Manuel Grisard


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