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LausitzWird die LEAG rechtswidrig Häuser abreißen?

Luftbild des Dorfes Mühlrose.
Rund 200 Menschen leben noch in Mühlrose. Im Hintergrund ist das Braunkohlekraftwerk Boxberg zu sehen. Zwischen Mühlrose und dem Kraftwerk befindet sich ein Teil des Tagebaus Nochten. (Bild: PaulT (Gunther Tschuch) / WikiCommons, CC BY-SA 4.0)  

Der Braunkohlekonzern LEAG will in den kommenden Tagen zwei Häuser in Mühlrose, Sachsen, abreißen. Doch dafür fehle jegliche Rechtsgrundlage, wie das Bündnis Alle Dörfer bleiben warnt. Untermauert wird dies ausgerechnet vom Wirtschaftsministerium.

01.09.2020 – Für den Betreiber der Braunkohletagebaue in der Lausitz, die LEAG scheint der Fall klar: Für die Umsiedlung von Mühlrose liege seit März 2019 ein unterschriebener und damit rechtskräftiger Umsiedlungsvertrag vor. Die Umsiedlung sei Bestandteil des im Jahr 2014 genehmigten Braunkohlenplans für den Tagebau Nochten, schreibt die LEAG. In einem Brief an die BewohnerInnen von Mühlrose kündigte der Kohlekonzern an, in den nächsten Tagen mit dem Abriss zweier Häuser in dem Dorf zu beginnen.

Doch das Bündnis Alle Dörfer bleiben erklärt, dass nicht alle Bewohner von Mühlrose den Umsiedlungsvertrag unterschrieben hätten. Somit bestehe keine Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme des Dorfes. Alle Dörfer Bleiben ist ein Zusammenschluss von Bewohnern aus der Lausitz, dem rheinischen Revier und dem Leipziger Land, die durch Braunkohletagebaue den Abriss Ihrer Häuser befürchten müssen.

Es ist völlig unklar, wozu der Abriss der Häuser dienen soll, denn Mühlrose wird nicht abgebaggert werden.

Ramona Höhn etwa baut gerade den Hof ihrer Schwiegereltern in Mühlrose für ihre Familie um und erklärt dazu: „Obwohl es keine Rechtsgrundlage für die Abbaggerung des Dorfes gibt, soll die jahrhundertealte Siedlungsstruktur zerstört werden. Es ist völlig unklar, wozu der Abriss der Häuser dienen soll, denn Mühlrose wird nicht abgebaggert werden.“ Dabei verweist Höhn auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (E&Y) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums, wonach die Braunkohle unter Mühlrose gar nicht mehr gebraucht würde.

Sollte das letzte Kohlekraftwerk in der Lausitz tatsächlich erst 2038 schließen, rechnet E&Y bis dahin mit einem Kohlebedarf von 797 Millionen, gerechnet ab Januar 2017. Aus demselben Gutachten geht auch hervor, dass in den bestehenden vier Tagebauen der LEAG, mit geringfügigen Erweiterungen, noch 877 Millionen Tonnen Braunkohle liegen – mit Stand ebenfalls von Januar 2017. Die Kohle unter Mühlrose würde demnach ebenso wenig gebraucht, wie die unter Proschim und dem Flugplatz Welzow.

Ursprünglich wollte die LEAG Proschim und Welzow in Brandenburg komplett abreißen, um dort einen neuen Tagebau, Welzow-Süd II, zu erschließen. Doch schon im Koalitionsvertrag erteilten Grüne, SPD und CDU im vergangenen Jahr Welzow-Süd II eine Absage. Das Brandenburger Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung arbeitet aktuell an einem Verfahren, das dem bestehenden Braunkohleplan der LEAG einen Riegel vorschiebt, um Welzow-Süd II zu verhindern.

Für Mühlrose und die Erweiterung des Tagebaus Nochten existieren in dieser Hinsicht noch keine Pläne der zuständigen Landesregierung aus Sachsen. Dabei macht Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der mitregierenden Grünen deutlich:  "Im sächsischen Koalitionsvertrag ist unmissverständlich vereinbart, dass für die Braunkohleförderung keine Flächen in Anspruch genommen oder abgesiedelt werden dürfen, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht benötigt werden."

Das sächsische Koalitionsbündnis setzt sich ebenfalls aus Grüne, SPD und CDU zusammen. Gerber fordert eine dringliche Auswertung dieses Vorgehens innerhalb der Koalition. Auch Gerber stellt klar, dass die LEAG die Kohle unter Mühlrose nicht benötigt, um den Weiterbetrieb bis zum Kohleausstieg 2038 zu garantieren.

Dabei könnte ein Ende von Braunkohleabbau und -verstromung noch weitaus früher kommen als bislang geplant. Schon im Kohleausstiegsgesetz ist festgelegt, dass der Ausstieg nach Überprüfung 2035 erfolgen kann. Schon heute ist klar, dass Kohle Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit für eine Laufzeit bis 2038 fehlt.

Bereits im letzten Jahr wurden ältere Kohlekraftwerke von den Betreibern zunehmend gedrosselt. Günstige Solar- und Windenergie sowie das Europäische Emissionshandelssystem, mit einem Preis von über 25 Euro je Tonne CO2, sorgen dafür, dass die Kraftwerke zunehmend unrentabel werden. Rein marktwirtschaftlich betrachtet würde die LEAG wohl sehr viel früher aus dem Kohlegeschäft aussteigen. Doch das Kohleausstiegsgesetz fördert mit festgelegten Ausstiegsdaten und Entschädigungszahlungen den Weiterbetrieb.

In dieser Situation Häuser, Seen und Wälder abzubaggern, um weiter Kohle zu verbrennen, ist schlicht Wahnsinn.

Und die LEAG versucht mit dem Abriss der Häuser in Mühlrose bereits Fakten für einen Weiterbetrieb des Tagebaus Nochten bis 2038 zu schaffen. Für Franziska Knauer, ebenfalls beim Bündnis “Alle Dörfer bleiben” aktiv, ist dies ein unhaltbares Vorgehen: „Die Klimakrise ist in Sachsen und Brandenburg nun als Wasserkrise zu spüren, nachdem sie schon seit Jahrzehnten weltweit den Lebensraum von Menschen zerstört. In dieser Situation Häuser, Seen und Wälder abzubaggern, um weiter Kohle zu verbrennen, ist schlicht Wahnsinn.“ mf


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