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Klimaziele und LandsektorEU einigt sich auf Gesetz zur Wiederherstellung der Natur

Insekt mit langem Rüssel saugt an Blüte
Das Taubenschwänzchen ist eines von vielen Bestäuberinsekten, deren Artenverlust mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestoppt werden soll.  (Foto: Mikes Makro auf Wikimedia / CC BY-SA 4.0 DEED)

Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur will die EU geschädigte Ökosysteme retten und Emissionen aus dem Landsektor senken. Die Verordnung stand zwischenzeitlich auf der Kippe, nun haben sich Parlament und Rat auf einen Kompromiss geeinigt.

14.11.2023 – Die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur zielt darauf, die Mitgliedsstaaten zu verpflichten, geschädigte Ökosysteme mit adäquaten Maßnahmen zu revitalisieren, die Biodiversität zu erhöhen, die Ernährungssicherheit zu verbessern und die Natur für künftige Generationen zu erhalten. Überwiegend wird der in der letzten Woche erreichte Kompromiss als Erfolg und Durchbruch gewertet. Noch ist die Kuh aber nicht vom Eis: Die im Trilog erzielte Einigung muss noch vom EU-Parlament und vom EU-Rat beschlossen werden. Auch die Finanzierung der Maßnahmen ist noch nicht geklärt.

Moore, Wälder, Äcker, Gewässer – marode Ökosysteme im Blick

Über 80 Prozent der geschützten Ökosysteme in Europa sind in einem schlechten Zustand – diese  Bilanz  darf sich nicht verstetigen. Der jetzt verabschiedete Verordnungstext verpflichtet die Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 insgesamt 30 Prozent der vom Gesetz definierten maroden Flächen in einen guten Zustand versetzen. Bis 2050 müssen 90 Prozent restauriert sein. Unter anderem sollen trockengelegte Moore wiedervernässt werden. In Städten soll es keinen Nettoverlust an Grünflächen geben, nicht mehr notwendige Flussbarrieren sollen bis 2030 auf mindestens 25.000 Kilometer Flusslänge entfernt werden. Die Mitgliedsstaaten sollen die biologische Vielfalt der Waldökosysteme verbessern und auf nationaler Ebene bei bestimmten Indikatoren wie stehendem und liegendem Totholz und dem Gemeinsamen Waldvogelindex steigende Trends erzielen, wobei die Waldbrandgefahr zu berücksichtigen ist. Auch Äcker und Weiden sollten insekten- und vogelfreundlicher gestaltet und der Rückgang an Bestäubern aufgehalten werden.

Moorforscherin Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrum,  macht auf die große Bedeutung der Moorflächen aufmerksam. Nur ein sehr geringer Teil der landwirtschaftlichen Fläche in Europa seien trockengelegte Moorböden. Ihre Wiedervernässung könnte aber ein Viertel der Emissionen aus dem Landsektor reduzieren. Die Wiedervernässung sei also eine sehr effiziente und kostengünstige Maßnahme zur Emissionsminderung. Die Ernährungssicherheit bringe man damit nicht in Gefahr. Zudem würde kein Landwirt gezwungen – die Wiedervernässung und die Umstellung auf andere Kulturen erfolge auf freiwilliger Basis.

Blockadehaltung der EVP-Fraktion hatte Gesetzentwurf zurückgeworfen

In der im Sommer verabschiedeten Parlamentsversion waren die Wiedervernässung von Mooren und die Einbeziehung von landwirtschaftlichen Flächen nicht enthalten. Die wiederherzustellenden Flächen sollten zudem auf Natura-2000-Gebiete begrenzt werden. Dieser schwache Text war das Ergebnis der Blockade der konservativen EVP-Fraktion gewesen. Umso mehr freuen sich jetzt Naturschützer und Grüne, dass diese Punkte wieder enthalten sind.

Aus der Wissenschaft kommen überwiegend erleichterte und zustimmende Kommentare. Als erstaunlich ambitioniert ordnet Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Forschungszentrums für Biodiversität und Klima, die Ergebnisse des Trilogs ein. Sie findet die Ziele auch im Landwirtschaftsbereich sehr konkret und mit klaren Indikatoren unterlegt. So müssen die Bestände an Schmetterlingen und an Feldvögeln in Zukunft wieder ansteigen. „Das ist ausgesprochen erfreulich.“ Im Trilog habe nun die Stimme der Vernunft gesiegt.

Als großen Erfolg für den Umweltschutz in der EU bezeichnet Henrique Pereira. vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung das Renaturierungsgesetz: „Es ist der erste rechtlich bindende Mechanismus für Biodiversität der letzten drei Jahrzehnte seit der Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie.“

Zwischenerfolg für die Natur

Der Naturschutzbund Deutschland Nabu sieht das Ergebnis als Zwischenerfolg für die Natur. Glücklicherweise wurden konkrete Anforderungen zur Verbesserung der Natur auf landwirtschaftlich genutzten Flächen und zur Wiederherstellung von Mooren in die Vereinbarung aufgenommen, heißt es in einem Statement. Die Wiedereinführung des Artikels habe jedoch einen hohen Preis – die Umsetzung der Verordnung könne unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt werden – auch als Notbremse bezeichnet.

Jutta Paulus, Europaabgeordnete und Verhandlungsführerin der Grünen im EU-Parlament für das Gesetz, zeigte sich sichtlich erfreut, hatte sie doch in den letzten Monaten unermüdlich für das Gesetz gekämpft. „Die Natur ist unsere Lebensversicherung“, sagte sie in Europe Calling. Das Gesetz eröffne die Chance, die Klimaziele zu erreichen, denn darin sei der Landsektor fest mit 10 Prozent Emissionsminderung eingeplant. Würden diese nicht erreicht, seien auch die Klimaziele nicht zu schaffen.

Der Umweltausschuss des EU-Parlaments muss nun mit einfacher Mehrheit über das Ergebnis des Trilogs entscheiden. Umweltschützer appellieren an die deutschen Abgeordneten der EVP (CDU/CSU) und von Renew (FDP) den Kompromiss mitzutragen. pf


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