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WasserverschmutzungGroße Mengen Mikroplastik in Seen und Stauseen

Luganer See umgeben von Bergen
Selbst in Bergseen, wie im Luganer See in der Schweiz, fanden die Forschenden Mikroplastik. (Foto: Monster4711 auf Wikimedia / CC0 1.0)

Forschende sind überrascht über die Mengen von Mikroplastik, die sie weltweit in Seen und Stauseen vorfinden. In einigen Seen sind die Konzentrationen sogar höher als in besonders belasteten Meeresgebieten. Auch im Stechlinsee fand man Mikroplastik.

18.07.2023 – Ein deutsch-italienisches Forscherteam hat in verschiedenen Regionen der Welt 38 Seen und Talsperren auf Mikroplastik untersucht. Ihre Erwartung war, dass zwei Arten von Seen besonders anfällig für Mikroplastikverschmutzung sind: Seen in dicht besiedelten und urbanisierten Gebieten und große Seen mit großen Grundflächen, langen Verweilzeiten des Wassers und starkem menschlichen Einfluss. Doch die Verschmutzung betrifft selbst die entlegensten Orte, an denen der Einfluss des Menschen minimal ist.

Ausmaß überrascht die Forschenden

Überrascht waren die Forschenden vom Ausmaß der Verschmutzung in einigen Seen: Obwohl die Mikroplastikkonzentrationen von See zu See stark variierten, erreichten oder übertrafen sie in den am stärksten verschmutzten Seen die Konzentrationen in den subtropischen Ozeanwirbeln – jenen bekannten Meeresgebieten, in denen sich große Mengen an Müll ansammeln.

Um verschiedene Seentypen abzudecken, untersuchten die Forscherinnen und Forscher von der italienischen Universität Milano-Bicocca mit Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) Seen entlang eines Gradienten von Größe, Tiefe, Besiedlungsdichte und Versiegelungsgrad des Umlandes. Da es sich um eine Momentaufnahme handelte, wurden zeitliche und räumliche Schwankungen des Mikroplastikvorkommens nicht berücksichtigt.

45 Prozent der Seen enthalten mehr als einen Plastikpartikel pro Kubikmeter Wasser

Pro Standort filterten die Forschenden durchschnittlich 140 Kubikmeter Seewasser. Dabei zählten sie nur Mikroplastikpartikel, die größer als 0,25 Millimeter waren. Sie analysierten auch die Art des Kunststoffs und fanden vor allem Polyester, Polypropylen und Polyethylen.

Die Mikroplastikkonzentration variierte über vier Größenordnungen von 0,01 bis zu mehr als 10 Partikeln pro Kubikmeter. Aber selbst in entlegenen Gegenden, wie im Lake Tahoe in der Sierra Nevada oder in Bergseen, war Mikroplastik zu finden. 45 Prozent der untersuchten Seen wiesen mehr als einen Partikel pro Kubikmeter auf, die am stärksten verschmutzten über 10 Partikel pro Kubikmeter. 

Auch Trinkwasserseen enthalten Mikroplastik

Zu den Seen mit der höchsten Mikroplastikbelastung gehören auch einige, die als Trinkwasserquellen genutzt werden, wie der Lago Maggiore (IT), der Luganer See (CH-IT), der Lake Tahoe (USA) und der Lake Neagh (UK). Sie sind zudem für die jeweilige Freizeitwirtschaft von zentraler Bedeutung.

Diese großen Seen sind aufgrund der langen Verweildauer des Wassers Senken für Kunststoffe. Im Tahoe-See beispielsweise dauert es etwa 650 Jahre, bis sich der gesamte Wasserkörper durch Zu- und Abfluss einmal ausgetauscht hat. „Solche Seen fungieren als Fallen für Plastik und können im Laufe der Zeit erhebliche Mengen an Mikroplastik ansammeln“, erläutert IGB-Forscherin  Stella Berger, Mitautorin der Studie.

In Deutschland überraschte der Stechlinsee die Forschenden mit relativ hohen Mikroplastikkonzentrationen in Form von Mikrofasern, denn das Ufer des Sees ist weitgehend natürlich und von Buchenwald umgeben. „Vermutlich handelt es sich dabei vor allem um Fasern von der Kleidung der Badenden“, vermutet Hans-Peter Grossart, Wissenschaftler am IGB und ebenfalls Mitautor der Studie.

Trinkwassernutzung und Ökosysteme gefährdet

Die Mikroplastikverschmutzung hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Trinkwassernutzung, sondern auch auf Wasserorganismen und das Funktionieren des Ökosystems. Veronica Nava von der Universität Milano-Bicocca hat die Studie geleitet, sie erklärt: „Plastik, das sich an der Oberfläche von Gewässern ansammelt, kann die Freisetzung von Methan und anderen Treibhausgasen fördern. Kunststoffe im Wasser können mit der Atmosphäre, der Biosphäre und der Lithosphäre interagieren, was sich möglicherweise auf die biogeochemischen Kreisläufe auswirkt, d. h. auf die Zirkulation chemischer Elemente zwischen den verschiedenen Kompartimenten der Erde, die durch chemische Umwandlungen und Reaktionen von der lebenden Materie in die anorganische Materie übergehen, und zwar über Mechanismen, die noch nicht verstanden sind und eine ganzheitliche Bewertung der Kunststoffverschmutzung in Süßgewässern erfordern."

Forschungsnetzwerk ermöglichte Großstudie

Die Studie ist in ihrer geographischen Ausdehnung und der Vergleichbarkeit der Ergebnisse einzigartig. Frühere Studien bezogen sich hauptsächlich auf eine begrenzte Anzahl von Süßwassersystemen in begrenzten geografischen Regionen. Darüber hinaus waren direkte quantitative Vergleiche zwischen den Studien aufgrund fehlender standardisierter Probenahmeverfahren nicht möglich.

Die Studie wurde im Rahmen des GLEON-Netzwerks durchgeführt. GLEON steht für Global Lakes Observatory Network, in dem Seenforscherinnen und -forscher aus aller Welt regelmäßig und unter standardisierten Bedingungen Daten von Seen erheben. So erhalten sie ein Bild davon, wie sich Seen weltweit im Zuge des Klimawandels und durch andere menschliche Einflüsse verändern. pf


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