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SicherheitsrisikoIn der EU laufen 18 AKWs ohne gültige Genehmigung

Das umstrittene Pannen-AKW Doel nahe Antwerpen.
Das umstrittene Pannen-AKW Doel nahe Antwerpen. (Foto: © Parttimephotographer / Wikimedia.Commons, CC BY-SA 4.0)

Für die Atomindustrie gelten offenbar besondere Regeln: Mindestens 18 Atomreaktoren in der EU werden ohne notwendige Genehmigungen betrieben, europaweit sogar 34. Teilweise haben sie ihr vorgesehenes Betriebsalter von 40 Jahren bereits überschritten.

21.08.2019 – Ein kaum beachtetes Gerichtsurteil und seine Folgen: Ende Juli hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Laufzeitverlängerung von zwei belgischen Atomreaktoren für rechtswidrig erklärt. Die zuständige Behörde hatte trotz internationaler Vereinbarung keine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgenommen. Dies sei aber mit Blick auf die „Gefahr erheblicher Auswirkungen auf die Umwelt“ zwingend erforderlich, urteilte das höchste europäische Gericht.

Dutzende Atomkraftwerke ohne Genehmigung

Das Urteil betrifft aber nicht nur die beiden belgischen Reaktoren Doel 1 und 2 bei Antwerpen. Nach Recherchen der Grünen werden derzeit 18 Atomreaktoren in der EU und viele weitere in europäischen Nachbarstaaten ohne Genehmigung betrieben. In ganz Europa laufen demnach mindestens 34 rechtswidrig betriebene AKWs. Das zeigen Informationen, die energiezukunft.eu vorliegen.

Konkret handelt es sich u.a. um folgende Atomreaktoren:

LandAtomreaktoren ohne UVPin Betrieb seit
BelgienDoel 1 und 2, Tihange 11975
BulgarienKozloduy 5 und 61987, 1991
FinnlandOlkiluoto 1 und 21978, 1980
NiederlandeBorssele1973
SchwedenRingals 1 und 21976, 1975
TschechienDukovany 1-41985-1987
GroßbritannienHinkley Point B1 und B2, Hunterston B1 und B21976, 1977
SchweizBeznau 1 und 2, Mühleberg1969-1972
Ukraine13 Reaktoren 

Bei vier weiteren Atomreaktoren steht eine wegen fehlender UVP rechtswidrige Laufzeitverlängerung offenbar kurz bevor. Gerade diese Verlängerung der ursprünglichen Laufzeit von Atomkraftwerken steht nun im Fokus. Denn die meisten Reaktoren sind auf eine Betriebszeit von 40 Jahren ausgelegt. Wird diese Dauer überschritten, muss laut EuGH zwingend eine Prüfung vorgenommen werden.

Werden nun AKWs abgeschaltet?

Danach sieht es nicht aus. Das EuGH hat keine Abschaltung direkt veranlasst und betont: Droht durch die Abschaltung eine Gefahr für die Versorgungssicherheit, dürfen die Reaktoren in Betrieb bleiben. Allerdings nur solange, bis die Ergebnisse der notwendigen UVP vorliegen.

Dennoch könnte die Sache für AKW-Betreiber brenzlich werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Gerichte Atomreaktoren ohne notwendige Genehmigungen nicht doch stilllegen, und zwar dann, wenn Anwohner, Umweltverbände oder Nachbarstaaten Klage einreichen.

Bundesregierung ahnungslos

Die Bundesregierung „verfügt über keine Kenntnisse darüber, welche europäischen Atomkraftwerke derzeit auf Basis einer Laufzeitverlängerung ohne (grenzüberschreitende) UVP betrieben werden“, gibt sich das zuständige Bundesumweltministerium ahnungslos. Man werde die Entwicklungen allerdings aufmerksam verfolgen, teilte das Ministerium auf Anfrage der Grünen mit.

Derzeit überprüfe die zuständige UN-Kommission die Zulassung von 23 Atomreaktoren in sechs Ländern, bei denen keine UVP vorgenommen wurde, schreibt die Bundesregierung. Der Grünen-Atomexpertin Sylvia Kotting-Uhl reicht das nicht. Sie forderte: „Die Bundesregierung muss bei den jeweiligen Staaten auf ein Ende des rechtswidrigen AKW-Betriebs dringen.“ cw


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