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Natürliche KohlenstoffsenkenLandwirtschaft auf wiedervernässten Mooren

Paludikultur Sphagnum Menschen bringen Torfmoose auf vorbereiteter nasser Fläche aus
Auf einer wiedervernässten Moorfläche in der Diepholzer Moorniederung werden Torfmoose kultiviert – eine mögliche Form der nassen Landwirtschaft. Auf dem Foto sieht man das Ausbringen der Torfmoosfragmente, die mehrere Jahre wachsen müssen, bevor sie geerntet werden können. (Foto: Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz)

Landwirtschaft auf trockengelegten Mooren verursacht viele Kohlendioxidemissionen. Es gilt, diese Flächen wiederzuvernässen, ohne die landwirtschaftliche Nutzung aufzugeben. Wie das gelingen kann, zeigt ein Projekt im Landkreis Diepholz.

22.02.2024 – Die Diepholzer Moorniederung ist ein 1000 Quadratkilometer großes Moorgebiet, eine Modellregion für den Moorschutz. Der Landkreis Diepholz blickt stolz auf eine fast 40jährige Tradition und Praxis beim Schutz und Renaturierung von Mooren. Aktuell stehen klimafreundliche Landwirtschaft, Renaturierungen und auslaufender Torfabbau ganz oben auf der Liste.

Dass Moore auch nass bewirtschaftet werden können, zeigt das Forschungsprojekt MOOSland in dieser Region. In Barver wurde eine kleinere Demonstrationsfläche geschaffen, die inzwischen mit Paludikultur nass bewirtschaftet wird. Genaugenommen handelt es sich um den Anbau von Torfmoosen, auch Sphagnum gennant. Es ist prädestiniert für den Anbau in Hochmooren. Der Bodenkundler und Moorexperte Jens-Uwe Holthuis von der Stiftung Naturschutz im Landkreis Diepholz leitet das Projekt vor Ort und berichtet im Interview von den Erfahrungen.

Herr Holthuis, was für eine Fläche wurde in ihrem Projekt wiedervernässt und mit welcher Absicht?

Die Fläche wurde vorher als Grünland landwirtschaftlich genutzt. Solche Flächen im Hochmoor haben meist sehr viele Drainagen, die das Wasser abführen. Denn die Gräser, die dort wachsen sollen, brauchen Sauerstoff an den Wurzeln. Wenn Wasser auf der Fläche steht, können sie nicht wachsen. Mit der Trockenlegung verfolgt die Landwirtschaft noch ein anderes Ziel: Auf trockenen Böden können schwerere Maschinen fahren und auch Kühe besser weiden. Allerdings tritt mit der Trockenlegung Sauerstoff in den Torfkörper ein, der ein sehr starker Kohlenstoffspeicher ist.  Vereinfacht gesagt: Sauerstoff und Kohlenstoff ergibt Kohlendioxid, der Klimatreiber Nummer Eins. Deshalb ist diese auf Drainage gegründete Landwirtschaft fürs Klima so schädlich. Die Vernässung hat zum Ziel, dass nur noch wenig oder gar kein Kohlendioxid mehr aus den Flächen entweichen kann. Es gilt, das Wasser nicht mehr aus der Landschaft wegzuleiten, sondern es in der Landschaft zu halten. Übrigens hatten die Moorgebiete beim diesjährigen Winterhochwasser keine Probleme.

Was genau wurde waren die Arbeitsschritte?

2016 begannen die Vorverhandlungen, 2017 haben wir Voruntersuchungen durchgeführt zur Topografie. Es wurde untersucht, welche Torfarten vorzufinden sind, wie Drainagen im Gelände verteilt sind, woher das Wasser kommen könnte. Wir fanden sehr unterschiedlich dicke Torfschichten vor, zwischen 20 und 180 Zentimeter. Die Anlage der zwei Produktionsflächen haben wir diesem Untergrund angepasst. Die Flächen haben wir eingeebnet und darum jeweils Ringgräben gebaut. Die zwei je 100 mal 100 Meter großen Flächen selbst sind durch Stichgräben im Abstand von sechs Metern unterteilt. Auf dieser Fläche haben wir Torfmoose angesiedelt und bewässert.

Woher kommt das Wasser für die Bewässerung?

Der Torfkörper war über die Jahrzehnte durch die Drainagen ausgetrocknet. Das dauert wirklich eine Weile, bis solch ein Torfkörper wieder nass wird. Deshalb sind die Bewässerungsgräben in den ersten ein, zwei Jahren sehr wichtig. Wenn sich der Torfkörper gesättigt hat, entwickelt er in Kombination mit den Torfmoosen eine Eigendynamik, ein eigenes Wasserregime. Er kann relativ unabhängig von der Bewässerung Wasser speichern. Das Wasser haben wir aus einem großen Entwässerungsgraben entnommen, der das angrenzende Moor entwässert. Dafür gibt es eine wasserrechtliche Genehmigung. Im Winter wurde es herausgenommen und in einen eigens angelegten Zwischenspeicher gepumpt. Von dort wird es bedarfsgerecht in den Sommermonaten auf die Torfmoosfelder geleitet.

Woher kamen die Torfmoose und sind sie gut angewachsen?

Die Torffragmente, 37 Kubikmeter, kamen von zwei regionalen Anbietern, die bereits professionell in diesem Geschäft arbeiten. Ein Dutzend Menschen haben das Moos 2020 gleichmäßig auf der Fläche ausgebracht. Anschließend hoben wir den Wasserstand an. Der Sommer nach der Ausbringung war sehr heiß, eine echte Herausforderung. Das hat dann doch einiges Adrenalin freigesetzt, um das Wasser für diese kleinen Pflänzchen stetig ausreichend bereitzustellen. Man muss regelmäßig hinfahren und nachschauen. Es gibt zwar auch Sensoren, aber das allein der Technik zu überlassen, kann schief gehen. Wir kamen beispielsweise einmal an die Anlage und stellten fest, dass der Wasserstand stark gefallen war. Die Ursache war ein vom Waschbären durchgebissenes Sensorkabel. Aber ja, das Sphagnum ist gut angewachsen. Ende dieses Jahres wollen wir eine Probeernte einbringen. Richtig ernten werden wir wohl erst 2026. Dann haben wir fünf Betriebsjahre hinter uns und erwarten einen etwa zehn Zentimeter dicken Torfmoosrasen.

Was sind in punkto Ernte die Herausforderungen?

Es sind die Maschinen. Wir müssen herausfinden, welche Maschinen geeignet sind, ohne große Schäden am Boden und der Pflanzenmasse zu verursachen. Für eine wirtschaftliche Paludikultur werden Spezialmaschinen gebraucht.  Im Moment sind da teilweise Eigenbauten im Einsatz. Die Maschinen müssen im nassen Milieu arbeiten können und nur geringen Bodendruck ausüben. Wir brauchen leichtere mobilere Maschinen. Am Herkunftsort unserer Torfmoose arbeitet man mit einem Bagger, den man neben das Feld stellt. Er hat zwar extrabreite Ketten, kann aber nicht auf die Fläche fahren und muss deshalb seitlich von einem Damm arbeiten. Somit geht Fläche verloren. Zudem sind solche aus Torf aufgeschobenen Dämme ebenfalls trockene Torfkörper und setzen massiv CO2 frei.

Wir haben jetzt viel über Torfmoose gesprochen. Manch einer wird sich fragen, wofür Torfmoose genutzt werden können.

Ja, diese Frage bekomme ich oft gestellt. Torf hat besondere Eigenschaften, er ist sehr luftig und damit leicht. Er kann viel Wasser speichern, hat einen sauren pH-Wert und ist nährstoffarm. Nicht nur die abgestorbene Pflanzenmasse hat diese Eigenschaften, sondern auch die lebende Masse. Torf wurde jahrhundertelang abgebaut für verschiedene Zwecke, aktuell jedoch nur noch als Substrat für gärtnerische Erden. Doch die Genehmigungen für den Torfabbau laufen in Deutschland in den 2030er Jahren aus. Da bieten Torfmooskulturen eine optimale Lösung. Die Erdenindustrie kann bedient werden und die Paludikulturen speichern CO2. Neben dem Massenmarkt – beispielsweise der gärtnerischen Blumenerde, die man im Baumarkt kaufen kann – gibt es aber auch noch Nischenmärkte.

Welche Anwendungen gibt es denn, die nicht so bekannt sind?

In der Orchideenzucht sind Torfmoose ideal. Aber auch in der Chemie sind Anwendungen denkbar bzw. bereits Realität. Weil die Moose so gut Wasser aufnehmen, können sie auch gut Chemikalien binden oder speichern. Ein Unternehmen in Kanada beispielsweise setzt sie ein, um durch Havarien im Meer ausgetretenes Öl zu binden. Auch als Isoliermaterial können sie dienen. Kein Markt, aber ein interessanter Fakt: Torfmoose sind ein altes Heilmittel. Ihnen wird eine antibakterielle Wirkung zugesprochen. Beispielsweise wurden im ersten Weltkrieg viele englische Verwundete gerettet, indem ihnen Umschläge aus Torfmoos aufgelegt wurden. Die Zahl der Blutvergiftungen sank erheblich.

Wie stehen denn die Landwirte zur Umstellung auf Paludikultur?

Da gibt es eine gewisse Zurückhaltung. Aber nicht wegen der Produkte, es geht eher um Marktmechanismen. Der Massenmarkt für die Torfsubstrate – wir sprechen hier von 8 Millionen Kubikmetern jährlich in Deutschland - wird derzeit vielfach bedient mit Torf aus dem Baltikum, obwohl die Produzenten auch zunehmend Ersatzstoffe einsetzen. Dieser Importtorf ist unschlagbar günstig. Man hat kaum Herstellungskosten, fährt mit dem LKW hin und lädt auf. Diese Marktsituation hemmt im Bereich Torfmoosproduktion die Paludikultur in Deutschland. In den Nischenmärkten lässt sich ganz gut leben, aber die sind halt auch klein. Momentan wird in Deutschland nur auf 30 Hektar professionell Torf angebaut. Das ist gerade mal ein Promille dessen, was perspektivisch gebraucht wird, um herkömmlich abgebaute Torfe in Substraten zu ersetzen.

Was könnte Ihrer Ansicht nach den Wandel befördern?

Es wird nicht ohne Subventionen gehen. Aktuell sind Paludikulturen in Europa noch nicht beihilfeberechtigt. In den entsprechenden Listen stehen Weizen, Äpfel und Reis drin, aber kein Torfmoos. Wenn ein Bauer keine Subventionen erhält, überlegt er sich das dreimal. Wir brauchen also zuerst die Beihilfefähigkeit für Paludipflanzen. Daneben müsste der Landwirt auch in neue Spezialmaschinen investieren. Auf der anderen Seite sollte für CO2-Freisetzung das Verursacherprinzip angewandt werden. Wenn Landwirte für jede durch trockene Landwirtschaft freigesetzte Tonne Kohlendioxid beispielsweise 20 Euro zahlen müssten, sähe die Rechnung schon anders aus.

Da wir gerade auf diesen Punkt kommen – wie sieht denn die CO2-Bilanz Ihrer Versuchsfläche aus?

Unsere Versuchsfläche ist größer als die bereits angelegten Sphagnumflächen.  Es gibt Flächen, auf denen wir wegen der unregelmäßigen Bodenbeschaffenheit keine Torfmoose ausbringen können. Insgesamt beträgt die Fläche 9 Hektar, wir bewirtschaften mit Paludikultur insgesamt rund zwei Hektar. Der Rest ist Grünland und Zuwegung. Wir haben also einerseits die Emissionen aus dem Grünland und andererseits die Senke der Torfmoosfläche. Gegeneinander verrechnet ergibt das keine Null-Emissionen. Bezogen auf die Gesamtfläche verringern wir die Emissionen aber um etwa ein Drittel.

Das Gespräch führte Petra Franke.

Das Projekt MOOSland wird gefördert durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Projektträger ist die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR).

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