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Schutz der MeereNein zum Raubbau an der Tiefsee

Die Nutzungskonflikte um die Weltmeere werden immer schärfer. Das Ökosystem der Ozeane, auf das auch Millionen von Kleinfischern angewiesen sind, ist u. a. durch umstrittene Pläne für den Tiefseebergbau bedroht. (Bild: © H.C. Neidlein).

Die Nutzungskonflikte um die marinen Ressourcen und den Schutz der Ozeane nehmen an Bedeutung zu, wie geplante Tiefseebergbauvorhaben zeigen. Umso wichtiger ist eine verstärkte internationale Zusammenarbeit für eine nachhaltige Entwicklung und Nutzung der Meere entsprechend der UN-Agenda 2030.

19.06.2018 – Zwei Drittel der Weltbevölkerung lebt an Küsten und für Milliarden von Menschen sind die Weltmeere Lebensgrundlage. 70 Prozent der Erde sind von Ozeanen bedeckt, sie produzieren Sauerstoff, sie sind Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere und spiritueller Mittelpunkt, vor allem für viele Inselbewohner. Doch die Bedrohung ist vielfach. Wenn sich nichts ändert, könnte bis im Jahr 2050 ebenso viel Plastikmüll wie Fisch in den Weltmeeren schwimmen. 90 Prozent der kommerziellen Fischbestände sind überfischt und schätzungsweise jeder fünfte Fisch wird illegal gefangen. Weil die Ozeane als Lungen der Erde CO2 absorbieren sind sie zu 30 Prozent saurer als in vorindustriellen Zeiten. Dies bedroht alle kalkskelettbildenden Lebewesen wie Korallenriffe. Mangrovenwälder, die Küsten schützen, sind in vielen Ländern zerstört worden. Und der Nutzungsdruck auf die marinen Ressourcen steigt weiter.

Umstrittenes Tiefseebergbauprojekt vor Papua-Neuguinea

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der geplante unterirdische Abbau von mineralischen Rohstoffen in der bisher weitgehend ungenutzten Tiefsee. Die wichtigsten Rohstofftypen im Tiefseebergbau sind die Manganknollen (polymetallische Knollen), kobaltreiche Eisen- und Mangankrusten sowie Massivsulfide und Erzschlämme. Die Manganknollen sind vor allem wegen ihrer vergleichsweise hohen Gehalte an Kupfer, Nickel und Kobalt wirtschaftlich interessant. Bei den Massivsulfiden spielen neben den Buntmetallen (Kupfer, Zink und Blei) besonders die Edelmetalle Gold und Silber sowie Spurenmetalle wie Indium, Tellur, Germanium, Wismut, Kobalt und Selen eine Rolle. Mittlerweile gibt es zahlreiche Explorations- und Forschungsprojekte für Bergbau in der Tiefsee. Weltweit wurden schon für über 1,5 Millionen Quadratmeter Schürfrechte vergeben. Am Meeresboden der Bismarcksee vor Papua-Neuguinea soll 2019 im Gebiet Solwara 1 das erste Tiefseebergbauprojekt starten, durchgeführt vom kanadischen Unternehmen Nautilus Minerals. Finanziert wird das Vorhaben von Investoren aus Russland und Oman. Verwertet werden sollen die Rohstoffe in China, hieß es nun bei einer Konferenz in Berlin zum Tag der Ozeane. 140.000 Quadratmeter groß ist das Abbaugebiet, das sich in einer ökologisch sensiblen Zone befindet und auch ein wichtiger Fanggrund für viele Kleinfischer ist. Schon jetzt sei klar, dass mit dem Abbauprojekt eigentlich kaum Geld zu verdienen sei, doch wolle sich Nautilus Minerals Patente und Know-how für künftige, größere Abbauvorhaben sichern, so die Einschätzung von Kai Kaschinski, Vorstand von Fair Oceans und Sprecher der AG Meere beim Forum Umwelt und Entwicklung. Doch die ökologischen und sozialen Auswirkungen auf die Küstenbewohner seien gravierend.

Keine seltenen Metalle für Brennstoffzellen und Batterien aus der Tiefsee

„Mit dem Tiefseebergbau wird ein völlig neuer Industriezweig entstehen, der zusätzliche Belastungen der Meereswelt mit sich bringt. Der Bergbau am Meeresboden geht mit einer Zerstörung der betroffenen Gebiete und Artensterben einher. Da die ökologischen Kreisläufe in den Ozeanen überlebenswichtig für den ganzen Planeten sind, wir bisher aber nur wenig Konkretes über die Wechselbeziehungen in der Tiefsee wissen, sind die negativen Auswirkungen dieser Eingriffe möglicherweise dramatisch. Tiefseebergbau ist in diesem Sinne eine Risikotechnologie und steht für den Wunsch nach unbegrenztem Wachstum, nicht für eine vorsorgende Politik“, sagt Kaschinski. Selbst der wachsende Bedarf an Metallen der Seltenen Erden für neue Technologien wie Brennstoffzellen oder Batterien für E-Autos und die Digitalisierung solle mit durch den Abbau in den Meeren gedeckt werden, kritisiert Kaschinski.

Rohstoffverbrauch auf ein nachhaltiges Maß reduzieren

Entsprechend fordert ein jüngst vorgelegtes Positionspapier des Forums Umwelt und Entwicklung ein „Nein zum Raubbau an der Tiefsee“, einen kompletten Stopp aller Vorhaben und den Schutz der Tiefsee als gemeinsames Erbe der Menschheit. Kritisiert wird, dass „die Bundesregierung eine Reihe von Industrie- und Forschungsvorhaben politisch und finanziell unterstützt, die den Tiefseebergbau massiv vorantreiben“. Stattdessen sollte sich die Bundesregierung jedoch darauf konzentrieren, „den absoluten Rohstoffverbrauch in Deutschland und Europa auf ein nachhaltiges Maß zu reduzieren“ und das Recycling auszubauen, so Laura Weis, Koordinatorin des AK Rohstoffe. Über 90 Millionen Tonnen Metalle werden laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe jährlich zur Produktion von Maschinen, elektrischer Ausrüstung oder Automobilen nach Deutschland importiert. Hinzu kommen die vielen Rohstoffe aus verarbeiteten und aus Vorprodukten. „Dabei übersteigen diese Konsum- und Produktionsmuster die planetaren Grenzen und laufen konträr zu globaler Ressourcengerechtigkeit“, heißt es in dem Positionspapier.

Umweltstandards fehlen bisher

Skeptisch zeigen sich auch deutsche Regierungsvertreter. „Die Bundesregierung lehnt den Tiefseebergbau nicht pauschal ab, doch sollten anspruchsvolle Umweltregeln hierfür formuliert werden“, sagt Hans-Peter Damian vom Umweltbundesamt (UBA). Persönlich sehe er derzeit noch keinen Bedarf für den Abbau von mineralischen Rohstoffen am Meeresboden, erst einmal sollten Recyclingbemühungen vorangetrieben werden, so der UBA-Experte. Auch Björn Oriwohl vom Bundesverkehrsministerium (BMVI), der die deutsche Meerespolitik koordiniert, sieht auf absehbare Zeit keine unmittelbare wirtschaftliche Notwendigkeit für den Tiefseebergbau. Beide raten jedenfalls zur Vorsicht und verweisen auf viele bisher unerforschte Zusammenhänge und Kenntnislücken in der Meeresökologie, vor allem in der tiefen See.

„Gründlichkeit sollte vor Geschwindigkeit gehen“, schreibt Damian auch der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority – ISA) ins Stammbuch. Sie wurde 1994 durch das Seerechtsabkommen der Vereinten Nationen gegründet und hat ihren Sitz in Jamaika. Jüngst legte sie einen Entwurf für Abbauregularien vor, der bis in zwei Jahren verabschiedet werden soll. Doch Damian, der die Bundesregierung dort vertritt, mahnt Verbesserungen an. So fehlten noch vielfach Umweltstandards, beispielsweise zur notwendigen Sedimentabdeckung oder Verfahrensgrundsätze zur Ausweisung von Schutzgebieten. Zudem sei mehr Transparenz und Öffentlichkeit in der Arbeit der entsprechenden Fachkommissionen nötig. Damian ruft denn auch die Nicht-Regierungsorganisationen wie Fair Oceans dazu auf, verstärkt ihre Standpunkte in die Arbeit der ISA einzubringen, um Verbesserungen zu erreichen.

UN-Seerechtsübereinkommen stärken

Auf die zentrale Bedeutung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen weist Guido Genrich vom Auswärtigen Amt hin. „Alle unterzeichnenden Länder sind verpflichtet zusammenzuarbeiten, dies ist die große Modernität dieser Konvention gerade in Zeiten der Krise des Multilateralismus“, so Genrich. Zudem beinhaltet das Abkommen ein verbindliches Streitschlichtungssystem. Es bildet auch die Grundlage für den Schutz und die Nutzung des Tiefseebodens. Es gilt der Menschheitserbe-Ansatz mit dem Grundsatz der Nutzungsteilhabe. „Nun muss es darum gehen, das Seerechtsabkommen zu stärken und nicht dieses zu schwächen“, fordert Genrich. Entsprechend sollten Umweltstandards erarbeitet und umgesetzt werden und die verschiedenen Kapitel und Sektoren des Abkommens vernetzt angegangen werden. Dies setze eine verstärkte Zusammenarbeit der unterschiedlichen beteiligten regionalen, nationalen und internationalen Behörden und Organisationen voraus.

Als Herausforderung sieht Genrich auch, dass die Küstenstaaten ihre Hoheitsbefugnisse innerhalb ihrer ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) verantwortungsvoll wahrnehmen und dort nicht auf Raubbau setzen, sondern beispielsweise Meeresschutzgebiete einrichten. Die AWZ wurden auf Grundlage von Art. 55 des Seerechtsübereinkommens innerhalb einer 200 Meilenzone eingerichtet. Küstenstaaten haben dort das alleinige Recht zur wirtschaftlichen Ausbeutung einschließlich des Fischfangs. So befindet sich das umstrittene Abbauprojekt Solwara 1 ebenfalls in der AWZ von Papua-Neuguinea.

Verstärkte internationale Kooperation unabdingbar

Klar wurde jedenfalls bei der Konferenz „Weltmeere zwischen Umwelt und Entwicklung“ wie komplex eine nachhaltige Entwicklung und eine nachhaltige Nutzung der Ozeane, Meere und Meeresressourcen entsprechend dem Ziel der UN-Agenda 2030 sind. Eine verstärkte internationale Kooperation ist dazu unabdingbar, so das Fazit der Veranstaltung von Brot für die Welt, Fair Oceans und Forum Umwelt und Entwicklung. Hans-Christoph Neidlein


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