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Landwirtschaft und GewässerschutzPestizid-Urteil: Stärkung des Trinkwasserschutzes

Landschaft Donauried
Das württembergische Donauried ist ein bedeutender Grundwasserspeicher. Die Stuttgarter Landeswasserversorgung gewinnt hieraus Trinkwasser für rund drei Millionen Menschen in Baden-Württemberg und Bayern. (Foto: © Zweckverband Landeswasserversorgung)

Landwirte müssen künftig Angaben zu den ausgebrachten Pestiziden in Wasserschutzgebieten des Versorgers machen - der Verwaltungsgerichtshof Mannheim gab einer Klage der Stuttgarter Landeswasserversorgung recht. Das Urteil hat bundesweite Bedeutung.

24.08.2021 – Mit seiner Entscheidung vom 4. Mai und der nun erfolgten rechtskräftigen Erklärung des Urteils stärke der Verwaltungsgerichtshof Mannheim (VGH) spürbar den freien Zugang zu Umweltinformationen und damit die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zum Schutz ihrer Trinkwasserversorgung, teilte die Landeswasserversorgung (LW) mit.

Demnach müssen die Landwirte in den 800 Quadratkilometer großen Wasserschutzgebieten der LW im Alb-Donau-Kreis und in den Landkreisen Heidenheim und Aalen zukünftig Angaben zu den auf den Wiesen und Feldern ausgebrachten Pestiziden machen und diese über die Landesbehörden dem Wasserversorgungsunternehmen zur Verfügung stellen.

„Damit werden in Baden-Württemberg endlich die Bestimmungen einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2009 umgesetzt“, erklärte die Landeswasserversorgung. Der VGH habe damit die Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Sigmaringen aus dem vergangenen Jahr bestätigt.

Rechtssicherheit auch für andere Wasserversorger

Die Wasserversorgungsunternehmen in Baden-Württemberg und in den anderen Bundesländern hätten nun Rechtssicherheit und ebenfalls die Möglichkeit, die entsprechenden Daten vom Land einzufordern, um eventuelle Spritzmittel-Einträge in das Grundwasser rascher zu erkennen und bei Bedarf die notwendigen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, so die Landeswasserversorgung.

Unerwartete und zum Teil Besorgnis erregende Spritzmittelfunde in der Donau und in den Bächen und Wassergräben in den Wasserschutzgebieten und in der Nähe der Wassergewinnungsanlagen, aber auch die langjährig erfolglosen Verhandlungen mit der Landwirtschaft und dem Land haben die LW veranlasst, Klage gegenüber dem Land einzureichen, um geltendes EU-Recht einzufordern und durchzusetzen. Die Klage der LW basiert auf Artikel 67 Absatz (1) der EU-Verordnung Nr. 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und auf § 24 des baden-württembergischen Umweltverwaltungsgesetzes.

Landwirtschaftsbehörden verweigerten Datentransparenz

Konkret hatte die LW die Landwirtschaftsverwaltung aufgefordert, die nach Maßgabe von § 11 des Pflanzenschutzgesetzes erfassten Aufzeichnungen der landwirtschaftlichen Betriebe über ausgebrachte Pestizide anonymisiert weiterzugeben. Bislang hätten die Landwirtschaftsbehörden die Datentransparenz verweigert und den freien Zugang zu Umweltinformationen verwehrt, so die LW.

Wie bereits die Verwaltungsgerichte gibt nun auch der VGH der LW in fast allen Punkten ihrer Klage recht. Lediglich der LW-Forderung zu einer automatisierten und regelmäßigen Herausgabe der Daten in den kommenden Jahren wurde widersprochen. Die Daten können jedoch jahresweise angefordert werden.

Die Richter des VGH bestätigten, dass innerhalb der EU grundsätzlich das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen besteht. Dies gelte auch im vorliegenden Fall für die Daten zum Spritzmittelgebrauch in der Landwirtschaft. Daten zum Einsatz dieser Stoffe, die von den Landwirten ohnehin aufgezeichnet werden, müssen im Interesse des Umwelt- und Gewässerschutzes bei Bedarf ausgewertet und beurteilt werden können.

Europaweiter Rechtanspruch auf Umweltdaten

Das zuständige Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, das die Daten geheim halten wollte, komme hier seiner Verpflichtung nicht nach und handle europarechtswidrig, so der Tenor der Richter. Die EU-Verordnung besagt ausdrücklich, dass ein Wasserversorgungsunternehmen ohne Angabe von Gründen einen Rechtsanspruch auf Umweltdaten hat.

„Die Entscheidung des VGH Mannheim ist ein großer Erfolg für den Grundwasser- und Gewässerschutz und damit für eine sichere Trinkwasserversorgung im Land“, unterstrich Frieder Haakh, der technische Geschäftsführer der Landeswasserversorgung.

Nachdem sich das Land Baden-Württemberg dazu verpflichtet habe, den Einsatz von Pestiziden in den kommenden Jahren deutlich zu reduzieren, sei es selbstverständlich, dass endlich Transparenz hinsichtlich der Stoffe und Einsatzmengen hergestellt wird. Ein Erfolg dieser Verpflichtung könne nur auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten nachvollzogen werden.

„Ende der Geheimniskrämerei“ – auch für Düngemittel

„Die Wasserversorgungsunternehmen im Land sehen den Einsatz von Pestiziden in den Wasserschutzgebieten kritisch“, sagte Haakh. Dies treffe in besonderer Weise auf die flachgründigenen Böden der Schwäbischen Alb zu. Die bisherige Weigerung der Landwirtschaftsverwaltung, Daten herauszugeben, könne nur zwei Gründe haben: Entweder gäbe es etwas zu verbergen oder die Landesverwaltung sei nicht in der Lage, diese große Datenmenge zu verarbeiten.

„Nach dem VGH-Urteil erwarten wir endlich einen raschen und deutlichen Kurswechsel. Wenn schon Giftstoffe rund um Trinkwasserbrunnen ausgebracht werden, müssen wir wissen was passiert, um Auffälligkeiten im Grundwasser oder gar drohende Grenzwertüberschreitungen im Trinkwasser frühzeitig erkennen zu können. Der Schutz des Trinkwassers erfordert Transparenz und ein Ende der Geheimniskrämerei“, erklärte Haakh.

Zum Vorschlag der LW zu einer Zusammenarbeit bei der Übermittlung und Auswertung der Spritzmitteldaten gebe es inzwischen erste positive Signale seitens der Landesverwaltung. Im nächsten Schritt wolle die Landeswasserversorgung das Land auffordern, auch die Daten zur Ausbringung von Düngemitteln, insbesondere Nitrat, herauszugeben. Auf der Grundlage des VGH-Urteils sollte dies ohne größeren Aufwand möglich sein, so Haakh. hcn


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