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Planetare GrenzenPolitik soll umweltfreundliches Verhalten fördern und einfordern

Gemüseregal
Beides ist notwendig: Umweltfreundliches Verhalten und Umweltschutzvorgaben für die Produktion.  (Foto: Ben auf Pixabay)

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen sieht die Politik in der Pflicht: Sie soll umweltfreundliches Verhalten erleichtern und einfordern. Für drei Beispiele – Fleischkonsum, Smartphone-Nutzung und Gebäudesanierung werden mögliche Wege skizziert.

11.05.2023 – Der Fokus der Umweltpolitik liegt vor allem auf umweltfreundlichen und effizienten Produktionsprozessen und dem Ausbau Erneuerbarer Energien. Doch all das reicht nicht aus, um die Überschreitung ökologischer Belastungsgrenzen zu verhindern, wie die Expertinnen und Experten des Sachverständigenrates für Umweltfragen in ihrem Sondergutachten konstatieren. Die vielfältigen Umweltkrisen unserer Zeit lassen sich nur bewältigen, wenn wir die Art und Weise verändern, wie wir leben – also wohnen, konsumieren, uns fortbewegen und ernähren. Es gelte, das umweltrelevante Verhalten der Menschen zu verändern.

Viele wollen sich bereits umweltfreundlicher verhalten, scheitern jedoch an der Umsetzung. In dem Gutachten appelliert der Sachverständigenrat an die Politik, die Rahmenbedingungen so umzugestalten, dass Umweltschutz die naheliegende Option wird.

Nicht nur Aufgabe der Umweltpolitik

„Wir können die ökologischen Krisen nur eindämmen, wenn alle beitragen.“, betont Annette Elisabeth Töller, Mitglied des Sachverständigenrates. „Ob Konsum, private Investitionen oder Freizeitverhalten: Es ist höchste Zeit, dass die Politik umweltfreundliches Verhalten erleichtert, fördert und – wo notwendig – auch einfordert.“ Dies sei nicht nur eine Aufgabe für die Umweltpolitik, sondern auch für Ressorts wie Verkehr, Energie, Bauen und Ernährung. 

Wenn Politik das Alltagshandeln beeinflusst, wird allerdings schnell Kritik laut. „Der Vorwurf der Bevormundungspolitik greift aber oft zu kurz“, sagt Töller. „Verhalten ist immer von außen beeinflusst, etwa durch Werbung und frühere politische Entscheidungen, derzeit aber häufig zu Lasten der Umwelt.“ Dass beispielsweise viele Menschen auf das Auto angewiesen sind, hat auch mit der Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte zu tun, die zu wenig in öffentlichen Nahverkehr investiert hat. 

Umweltfreundliches Verhalten kein Ersatz für Umweltschutzvorgaben

Umweltfreundlichere Angebote auf Seiten der Hersteller haben nicht den gewünschten Effekt, wenn sich nicht zugleich die Nachfrage ändert, argumentiert der Sachverständigenrat: Geht die deutsche Fleischproduktion zurück, ohne dass die Nachfrage sinkt, so wird mehr Fleisch importiert, das gegebenenfalls unter geringeren Umweltstandards produziert wird. Langlebigere Smartphones sind nur dann vorteilhaft, wenn Menschen sie auch tatsächlich länger nutzen. Technologische Fortschritte beim klimafreundlichen Heizen helfen nur, wenn Eigentümerinnen und Eigentümer auch die finanziellen Möglichkeiten, Anreize und Informationen haben, um die neuen Technologien zu nutzen.

Der Sachverständigenrat will mit seinem Gutachten die Politik unterstützen. Die Forschungsstand wurde aufbereitet und untersucht, wie Menschen umweltrelevante Entscheidungen treffen und wie Politik umweltfreundliches Verhalten auf effektive und gesellschaftlich akzeptable Weise fördern kann. Die Expertinnen und Experten stellen aber auch klar, dass die Förderung umweltfreundlichen Verhaltens kein Ersatz für produktionsseitige Umweltschutzvorgaben sein kann.

Der Sachverständigenrat unterscheidet dabei drei Ebenen, auf denen politische Maßnahmen ansetzen können: Veränderungen des Kontextes – etwa durch Verbote oder Steuern –, Entwicklung grundlegender Einflussfaktoren – wie Wissen oder Werte – oder Unterstützung in der akuten Entscheidungssituation. Außerdem unterscheidet der Rat zwischen Push-Maßnahmen, die umweltschädliches Verhalten erschweren, und Pull-Maßnahmen, die umweltfreundliches Verhalten begünstigen.

Anreize helfen nicht immer

Eine Lanze für mehr Ordnungspolitik in Umweltfragen bricht Andreas Ernst, Professor für Umweltsystemanalyse und Umweltpsychologie an der Universität Kassel. Es gebe zahlreiche Situationen, in welchen Verordnungen und Verbote deutlich wirksamer seien als Anreize. Sie stellen sicher, dass sich möglichst alle daran halten. Dies wiederum ist ein wichtiger psychologischer Faktor: Nichts ist unangenehmer als der Eindruck, man folge einem umweltfreundlichen Appell oder Anreiz, bleibt damit aber allein auf weiter Flur.

„Bleibt die Frage, ob solche Eingriffe in die individuelle Freiheit zugunsten der Zukunft aller legitim seien. Ja, sie sind es, denn sie garantieren die Freiheit zukünftiger Generationen. Und nicht nur das: Die Eingriffe sind rechtlich sogar erforderlich, wie das Bundesverfassungsgericht erst 2021 für das Klimaschutzgesetz bestätigte“, sind die Argumente von Ernst.

Am Beispiel des Fleischkonsums erläutert Lukas Fesenfeld von der Universität Bern, dass eine sinnvolle Kombination und Abfolge von Maßnahmen wirkungsvoll und politisch realisierbar sein. Im ersten Schritt könnten fördernde Maßnahmen – wie die Reduktion der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte auf null Prozent und die Förderung attraktiver vegetarischer Optionen in Kantinen – den Fleischkonsum effektiv reduzieren und eine nachhaltige Esskultur stärken. pf


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