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Energiekrise – KlimaschutzStoffströme der Stadt für die Gasproduktion nutzen

Stadtbus in Köln, fährt umweltschonend mit Wasserstoff-Antrieb
Städte könnten grünen Wasserstoff nachhaltig selbst herstellen und bspw. für den ÖPNV nutzen. (Foto: Marco Verch on Flickr / CC BY 2.0)

Eine urbane Gasproduktion kann Abfallströme wie Klärwasser und industrielle Abgase verwerten und damit Treibhausgase deutlich reduzieren. Die Abwärme des Herstellungsprozesses könnte effizient in der lokalen Wärmeversorgung genutzt werden.

12.01.2023 – Einen Teil des Gasbedarfs, der sich durch Einsparungen auch langfristig nicht vermeiden lässt, können Städte durch selbst hergestellten grünen Wasserstoff und synthetisches Methan ersetzen. In einer Studie zeigt das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), dass sich die Herstellungsverfahren Elektrolyse, Plasmalyse und Methanisierung für Städte nicht nur ökologisch, sondern teilweise bereits heute auch finanziell lohnen können.

Das Prinzip Upcycling, also die Wiederaufbereitung gebrauchter Gegenstände zu einem neuwertigen Produkt, eignet sich nicht nur etwa für ausrangierte Kleidung, Elektrogeräte oder Möbel, sondern auch für die Gasversorgung. Städte könnten Abfallprodukte aus der Industrie und aus Kläranlagen weiternutzen, um daraus mithilfe von erneuerbarem Strom nachhaltiges Gas zu gewinnen.

Zwar können Städte so nur einen kleinen Teil ihres Gasbedarfes selbst decken, doch hätte die urbane Gasproduktion deutliche ökologische sowie wirtschaftliche Vorteile und könnte Gasimporte ergänzen. Das zeigen die Forschenden am Beispiel Berlins in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt.

Bisher beruht etwa ein Viertel der in Deutschland verbrauchten Primärenergie auf Erdgas, berichten die Studienautoren. „Um in Berlin und auch in ganz Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral zu werden und mehr Versorgungssicherheit zu erreichen, müssen wir den Absprung vom Erdgas schaffen“, sagt Elisa Dunkelberg, Energieexpertin am IÖW. Dafür sei es wichtig, den Gasverbrauch für Wärme, Stromproduktion und Industrie so weit wie möglich zu senken. „Und dort, wo Gas nicht ersetzbar ist, sollten in Zukunft vor allem grüner Wasserstoff und synthetisches Methan genutzt werden.“

Wie solches Gas in Berlin hergestellt werden könnte und welche Verfahren im Vergleich zu Erdgas besonders viel CO2 sparen, untersuchte das Forschungsprojekt UMAS (untertägige Methanisierung im Aquiferspeicher).

Fazit: Eine Gasproduktion in Städten mit erneuerbarem Strom würde sich für die Umwelt lohnen – weil Abfallprodukte verwendet werden können, weil die Transportwege sowie Verluste gering sind und weil die entstehende Abwärme besonders gut genutzt werden könnte. Da Gas besser als Strom gespeichert werden kann, dient das Verfahren zudem als „Power-to-Gas“-Speicher für die städtische Energiewende, heißt es in der Studie. Das wäre nötig, um Zeiten, in denen weder Solarstrom noch Windenergie erzeugt wird, sowie die schwankende Nachfrage auszugleichen. Die Studie zeigt, dass sich für die urbane Wasserstoffherstellung bereits wettbewerbsfähige Lösungen abzeichnen. Um Methan vor Ort zu produzieren, brauche es jetzt weitere Forschung und Entwicklung.

Grüner Wasserstoff aus Abwässern

Für besonders preiswert und klimafreundlich halten die Forschenden die sogenannte Schmutzwasser-Plasmalyse in Kläranlagen. Dieses neuartige Verfahren, das von der Firma Graforce entwickelt wurde, nutzt erneuerbaren Strom, um von dem Ammonium, das im Klärwasser enthalten ist, Wasserstoff abzuspalten. „Das Verfahren ist eine tolle Chance, um die klimaschädlichen Lachgas-Emissionen von Kläranlagen zu senken und gleichzeitig günstigen Wasserstoff zu produzieren“, erklärt Dunkelberg. Die Potenziale wären zwar beschränkt, doch dafür gebe es Kläranlagen in jeder Stadt.

Zudem könnte sich auch Abwasser aus bestimmten Industriezweigen für das Verfahren eignen, etwa aus dem Papierrecycling, aus der Rauchgasreinigung und aus Biogasanlagen. Wenn all diese Potenziale genutzt werden, könnte laut Studie die Schmutzwasser-Plasmalyse schätzungsweise bis zu fünf Prozent des erwarteten Wasserstoffbedarfs in Berlin decken. „Die Plasmalyse ist außerdem effizienter und benötigt weniger Strom als eine Elektrolyse, bei der Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Die Kosten sind daher um etwa die Hälfte geringer und können auch mit importiertem Wasserstoff konkurrieren“, so Energieökonom Janis Bergmann vom IÖW.

Alle lokalen Potenziale müssen jetzt genutzt werden

Doch auch das Elektrolyse-Verfahren schneidet aus ökologischer Sicht besser ab als Erdgas, vor allem, wenn man die entstehende Abwärme nutzt und etwa in das städtische Fernwärmenetz einspeisen würde. Die Herstellungskosten im urbanen Raum lägen jedoch in der Regel höher als an windreichen Orten etwa an der Nord- und Ostsee. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, ist aber nach Meinung der Wissenschaftler voraussichtlich auch die Herstellung von Wasserstoff an weniger ertragreichen Orten notwendig. „Städte sollten ihre lokalen Potenziale sowohl für die Schmutzwasser-Plasmalyse als auch für die Elektrolyse erschließen“, empfiehlt daher Studienautorin Dunkelberg.

Abgase aus der Industrie für Methanherzustellung nutzen

Wasserstoff kann bereits heute ins Gasnetz eingespeist werden – derzeit bis zu einem Anteil von zehn Prozent, perspektivisch sogar zwanzig. In Zukunft könnte der lokal produzierte Wasserstoff jedoch auch in speziell dafür gebauten Pipelines und Kraftwerken landen – oder auch für die Produktion von Methan verwendet werden. Zwar ist es energetisch effizienter, den Wasserstoff direkt zu nutzen, doch eine Herstellung von Methan in Städten hat ebenfalls Vorteile: Methan ist ein Energieträger, der sich gut speichern lässt und uneingeschränkt in der vorhandenen Infrastruktur genutzt werden kann.

Auch hier greift das Prinzip „Upcycling“: Für die Herstellung von Methan braucht man neben Wasserstoff und Strom vor allem Kohlenstoffdioxid – ein Abfallprodukt, das in Biogasanlagen entsteht und zum Beispiel auch in den Abgasen von Zementfabriken und Müllverbrennungsanlagen enthalten ist. „Das CO2, das bisher einfach entweicht, könnte man auffangen, methanisieren und so ein weiteres Mal energetisch nutzen“, erklärt Dunkelberg. „Natürlich wird der Kohlenstoff dann beim Verbrennen des Methans wieder freigesetzt – es handelt sich also nicht um eine Kohlenstoffsenke. Aber unsere Berechnungen zeigen, dass klimaneutrales Methan erzeugt werden kann, sofern erneuerbarer Strom für die Produktion genutzt wird.“

Bis zu welchem Grad Berlin und andere Städte ihren Bedarf an Methan und Wasserstoff selbstständig decken könnten und welche Investitionen dafür nötig sind, müsste weiter erforscht werden. In jedem Fall sollten sich städtische Energiekonzepte mit einer urbanen Gasproduktion auseinandersetzen, fordern die Forschenden des IÖW.


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