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HochtemperaturspeicherEin Stahlspeicher für die Energieversorgung von morgen

Ein Blick in den noch nicht ganz einsatzbereite Stahlspeicher von Lumenion in Berlin-Reinickendorf.
Ein Blick in den noch nicht ganz einsatzbereite Stahlspeicher von Lumenion in Berlin-Reinickendorf. (Foto: © Clemens Weiß)

Was wie Energiewende-Zukunft klingt, wird in wenigen Wochen Realität: Ein Wärmespeicher mit Stahlplatten mitten in Berlin entlastet das Stromnetz und versorgt mit überschüssigem Wind- und Solarstrom das örtliche Nahwärmenetz.

11.12.2019 – Es ist der erste Stahlspeicher der Welt. Das behauptet zumindest die Lumenion GmbH, ein Berliner Start-up, das mit einem neuartigen Hochtemperaturspeicher aus Stahl die Energiewende vorantreiben will. „Es ist der erste Live-Proof dieser Technologie“, bestätigte Lumenion-Gründer und Speicherexperte Alexander Voigt am Dienstag während der Vorstellung der Power-to-Heat-Anlage in Berlin-Reinickendorf. Dort steht der Stahlspeicher, versteckt in einem alten, unterirdischen Heizhaus mitten in einem Wohnquartier aus den 70er Jahren.

Stahlspeicher nutzt Ökostrom-Erzeugungsspitzen für die Wärmeversorgung

Im ersten Quartal 2020 wolle man die Anlage mit einem Speichervolumen von 2,4 Megawattstunden (MWh) in Betrieb nehmen, heißt es bei Lumenion. Die Technologie kann überschüssigen Wind- und Solarstrom, sogenannte Erzeugungsspitzen, aus dem Stromnetz aufnehmen und als Wärme speichern. Über eine elektrische Heizung wird der Kern aus Stahlplatten auf bis zu 650 Grad Celsius erhitzt und dort die Energie zunächst gelagert. Stahl eigne sich besonders gut, weil er sehr große Mengen Energie auf kleinem Raum speichern könne und sich aufgrund seiner Wärmeleiteigenschaften gut und sehr günstig erhitzen lasse, verspricht das Start-up.

Die so gespeicherte Energie kann als Wärme bei Bedarf in das örtliche Nahwärmenetz des landeseigenen Berliner Wohnungsunternehmens Gewobag eingespeist werden. Der Speicher wird zudem mit dem bestehenden und mit Erdgas betriebenen Blockheizkraftwerk (BHKW) verknüpft. Theoretisch könnte die im Stahlspeicher vorhandene Energie mittels Turbinen rückverstromt werden und so wieder in das Stromnetz oder die Quartiersversorgung fließen. Das ist bei diesem Modell aufgrund schlechter Rahmenbedingungen und des geringen Speichervolumens aber bisher nicht vorgesehen.

Wärmespeicher als Zukunftstechnologie für die Energiewende

Die Idee, Ökostrom, der nicht sofort verbraucht werden kann, in Wärme zu speichern ist nicht neu. Start-ups und etablierte Unternehmen tüfteln seit Jahren an Power-to-Heat-Technologien, ob mit 750 Grad Celsius heißem Vulkangestein wie Siemens in Hamburg oder gleich für eine ganze Stadt. Auch kleinere Modelle für die Wärmeversorgung von Gemeinden sind im Kommen.

Noch ist der großflächige Einsatz aber wirtschaftlich meist nicht sinnvoll, die Branche wartet noch auf günstige Rahmenbedingungen von der Politik. Mit fortschreitender Energiewende und einem CO2-Preis, der fossile Energien verteuert, dürften allerdings Speichertechnologien jeder Art interessanter und wirtschaftlicher werden.

Stahlspeicher erreicht von Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent

Im Idealfall könne die Technologie mit dem Kraft-Wärme-Kopplungs-Prinzip einen Wirkungsgrad von 95 Prozent (25 Prozent elektrisch, 70 Prozent thermisch) erreichen, sagt Lumenion. Die Nutzungsdauer des Stahlspeichers liege bei „weit über 40 Jahren“, die Zyklenzahl sei „praktisch unbegrenzt“, da der Stahl keine Abnutzungserscheinungen aufweise und nach dem Ende des Speichers sogar weiterverwendet werden könnte.

Lumenion plant bereits die nächsten Anlagen und diesmal sollen sie weitaus größer werden. Als nächste Meilensteine peilen die Berliner Stahlspeicher mit Speichervolumen von 40 bis 500 MWh. Konkrete Gespräche laufen bereits in Schleswig-Holstein und der Lausitz. Dafür ist der Stahlspeicher in Berlin-Reinickendorf der Demonstrator, der die Machbarkeit dieser neuen Technologie zeigen und Erfahrungen sammeln soll. Beispielsweise kann Lumenion derzeit noch nicht beziffern, wie viel CO2 die 2,5-MWh-Anlage einsparen wird.

Gebiete mit Netzengpässen stehen im Fokus der Speicher-Unternehmen

Gerade Regionen wie das nördliche Schleswig-Holstein sind für Speicher-Unternehmen interessant. Denn durch Netzengpässe müssen dort regelmäßig große Mengen sauberen Windstroms abgeregelt werden, können also wegen verstopfter Stromnetze nicht verwendet werden. Diesen sauberen Strom zu speichern, später ins Netz einzuspeisen, in der Industrie zu nutzen oder für die Wärmeversorgung vor Ort zu verbrauchen, ist das Ziel von Lumenion und anderen Firmen.

Sektorenkopplung heißt dieses Prinzip, also die Verzahnung der meist getrennten Bereiche Strom, Wärme und Verkehr. In den nächsten Jahrzehnten wird der Wärmebereich mehr Ökostrom nutzen müssen, um fossile Energieträger zu ersetzen. Und spätestens dann benötigen wir effiziente, leistungsfähige und erprobte Speichertechnologien. cw


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