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WachstumErfolge Indiens entscheidend für globalen Klimaschutz

Menschen auf Straße in Hyderabad
Indien löst China als bevölkerungsreichstes Land der Erde ab. (Foto: Tejj auf Unsplash)

In Indien wachsen Bevölkerung, Wohlstand und Emissionen. Wie das mittlerweile bevölkerungsreichste Land der Welt seine Energie- und Verkehrswende meistert, ist von globaler Bedeutung. Es gilt, Bevölkerungswachstum und CO2-Emissionen zu entkoppeln.

14.04.2023 – Indien wird in diesen Tagen laut UN-Prognosen zum bevölkerungsreichsten Land der Welt. Die Einwohnerzahl wird von derzeit 1,4 Milliarden Menschen bis Mitte des Jahrhunderts weiterwachsen. Parallel wächst die Wirtschaft und damit auch der Energiebedarf. Letzterer könnte zwischen 2035 und 2040 das Doppelte im Vergleich zu 2020 betragen.

Die Pro-Kopf-Emissionen sind relativ gering, knapp zwei Tonnen CO2-Äquivalente jährlich. Zum Vergleich: In Deutschland und China sind es acht Tonnen. Doch die Größe des Landes und seiner Bevölkerung haben einen entscheidenden Einfluss auf das Erreichen der Pariser Klimaziele. In absoluten Zahlen ist Indien hinter China und den USA der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen.

Das Land steht damit vor enormen Herausforderungen. Denn trotz wachsender Bevölkerung und wachsendem Wohlstand sollen die Emissionen nicht steigen, sondern sogar sinken. Eine ähnliche Entwicklung wie sie in China stattgefunden hat, gilt es zu vermeiden. Doch der Wunsch allein reicht nicht. Eine Entkopplung von Wachstum und Emissionen braucht viele Anstrengungen – und auch internationale Unterstützung. Angesichts der Größe der Aufgabe ist es wenig verwunderlich, dass Experten die Erfolgsaussichten unterschiedlich bewerten.

Aniruddh Mohan ist Wissenschaftler am Andlinger Center for Energy and the Environment an der Princeton University in New Jersey (USA). Er kommt zu dem Schluss, dass Indiens Emissionsanstieg wahrscheinlich nicht so dramatisch ausfallen wird wie der Chinas. Erstens sei Indiens Wirtschaftsprofil anders – die Nachfrage nach Energie im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie wird seiner Ansicht nach nicht so schnell wachsen wie in China.

Zudem sieht Mohan in den weltweiten Umweltauflagen einen positiven Hebel. Sie seien heute verbindlicher als während des Wachstums Chinas in den 1980er und 1990er Jahren. Er nennt den CO2-Zoll der Europäischen Union als Beispiel, der Anreize für eine kohlenstoffärmere Produktion in Indien und anderen Ländern setzt.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Tilman Altenburg, Leiter des Forschungsprogramms Transformation der Wirtschafts- und Sozialsysteme am German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn konstatiert: „Der Energiekonsum wächst schnell an, weil die Bevölkerung wächst, sich die wachsende Mittelschicht an energieintensiven Konsummustern orientiert, weil jetzt fast alle Haushalte am Netz sind und auch die Wirtschaft wächst.“ Zudem nehme die Mobilität stark zu. Daher werde es nach Altenburgs Ansicht noch sehr lang dauern, bis Indien auf Kohle verzichten kann. „Eine Entkoppelung des hohen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstums von CO2-Emissionen wird länger auf sich warten lassen als in reicheren Ländern, einschließlich Chinas.“

Die entscheidende Frage ist, wie schnell Indien den Umstieg von Kohle auf Erneuerbare Energien schafft. Aktuell erzeugt Indien den Großteil seiner Elektrizität – rund 70 Prozent – aus Kohle. Das muss und soll sich ändern. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 500 Gigawatt Erneuerbare Energien zu installieren und strebt Klimaneutralität bis 2070 an.

Altenburg hält die ambitionierten Ausbauziele für erreichbar. Mohan bezeichnet die Ausbauziele als extrem unrealistisch. Schon das 2014 formulierte Ziel für 2022 sei um 30 Prozent verfehlt worden. Die Regierung trickst bei der Statistik: im anvisierten Gesamtvolumen von 175 Gigawatt installierter Leistung war ursprünglich die große Wasserkraft nicht enthalten, wird aber neuerdings, wenn es um das Erreichte geht, hinzugezählt.

„Das Tempo, mit dem die Erneuerbaren ausgebaut werden, wird in diesem Jahrzehnt sogar noch schwieriger zu steigern sein. Ein Grund ist, dass die besten Standorte schon vergeben sind und der Kauf neuen Landes immer schwieriger wird. Außerdem wird das für den Ausbau benötigte Kapital wegen weltweit steigender Zinsen teurer und Indiens inländische Lieferkette für die Herstellung von Windkraft- und Solaranlagen ist nicht groß genug“, erklärt Mohan.

Dennoch traut Mohan Indien zu, bis 2050 aus der Kohle auszusteigen. Dies erfordere aber internationale Finanzierung mit niedrigen Zinsen. Ohne Zugang zu kostengünstigem Kapital werde Kohle in Indien wesentlich günstiger bleiben als sauberere Energie. „Hohe Kapitalkosten und schlechte Bedingungen für Windenergie bleiben die zwei größten Barrieren für Indien, um Kohle zu ersetzen“, sagt Mohan. pf


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