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WindenergieMehr Fläche für Windräder

Oktokopter und Windrad
Projekt WERAN: Ein von der PTB mit Messtechnik ausgestatteter Oktokopter erfasst Messdaten in verschiedenen Höhen und Entfernungen rund um eine Windkraftanlage. (Bild: Physikalisch-Technische Bundesanstalt)

Bis 2032 sollen rund zwei Prozent der Landfläche in Deutschland für Windenergie ausgewiesen werden. Nun wurde ein wichtiger Schritt für mehr Flächen umgesetzt: Windräder dürfen in Zukunft näher an Funkanlagen stehen.

03.08.2022 – Abstandsregeln spielen eine große Rolle bei der Frage, wo Windkraftanlagen gebaut werden können. Abstand von Wohnsiedlungen und bestimmten Naturschutzgebieten – und von Funkanlagen für die Luftsicherung. Für letztere wurden die Mindestabstände nun verringert.

Die Flugsicherung nutzt sogenannte Drehfunkfeuer, Funkanlagen zur Flugnavigation. Die Signale dieser Anlagen können unter bestimmten Umständen von den Flügeln eines Windrades abgelenkt werden. Die Abstandsregeln zwischen Windrädern und den Funkanlagen sollen die Flugsicherheit gewährleisten.

Ob ein Windrad ein Signal tatsächlich stört, hängt allerdings nicht nur von der Nähe, sondern auch von Faktoren wie dem Winkel, in dem Windrad und Anlage zueinanderstehen, sowie geographischen Gegebenheiten vor Ort ab. Über die Mindestabstandsregel wird deshalb zwar sichergestellt, dass Windräder den Funk nicht stören. Doch es wurden auch viele Windkraftanlagen abgelehnt, die die Flugsicherheit gar nicht beeinträchtigen würden.

Großer Abstand für Windräder in Deutschland

Bisher lag der Mindestabstand zwischen Windrädern und Drehfunkfeuern bei einem Radius von rund 15 Kilometern. Damit waren die Regelungen in Deutschland besonders streng. International üblich ist ein Abstandsradius von 10 Kilometern, also rund ein Drittel weniger. Da Windkraftanlagen aufgrund dieser strengen Abstandsregelungen besonders häufig abgelehnt wurden, forderten Windenergieverbände bereits seit langem eine Anpassung.

Im April dieses Jahres einigte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) und der Deutschen Flugsicherung (DFS) auf eine Prüfung geringerer Abstandsregeln. Zum August verkleinerte die DFS wie geplant den offiziellen Anlagenschutzbereich um mehr als die Hälfte, auf 6-7 Kilometer.

Möglich werden die angepassten Abstände durch das Projekt WERAN. Im Rahmen des Projekts entwickelten DFS und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) bereits vor einigen Jahren neue Messtechniken und Berechnungsformeln für Störungen von Funkanlagen.

Störungen präziser berechnen

Ihre neue Formel wird bereits seit 2020 erprobt und hat sich in der Praxis bewährt. Sie ermittelt die potenzielle Störung eines Funksignals durch ein Windrad oder andere Gegebenheiten vor Ort. Das Ergebnis wird Winkelfehler genannt und zeigt an, wie ein Funksignal abgelenkt wird. Die neue Formel bestimmt diesen Winkelfehler nun präziser. Das bedeutet, dass in vielen Fällen Flächen für Windräder freiwerden, die zuvor pauschal aus Abstandsgründen blockiert waren. Eingesetzt werden kann die Berechnungsart für moderne Doppel-Drehfunkfeuer, die in Deutschland vorherrschend sind. Eine angepasste Version für Funkfeuer herkömmlicher Bauart soll im September verfügbar sein.

Spielraum für Winkelfehler erhöht

Technische Modernisierungen der Flugsicherung erlauben zudem ab sofort einen größeren Winkelfehler. Sowohl verbesserte Anlagentechnik als auch Fortschritte bei der Flächennavigation lassen einen größeren Spielraum für Abweichungen. Bisher galt ein Winkelfehler von einem Grad als vertretbar. Je nach Anlagentyp wird dieser Fehlerspielraum nun bis zu verdoppelt.

Drehfunkfeuer auf dem Rückzug

Zukünftig werden Drehfunkfeuer zur Flugsicherung eine immer geringere Rolle spielen. Moderne, oftmals satellitengestützte Navigationsverfahren ermöglichen bereits heute vielerorts den Abbau von Drehfunkfeuern. Seit 2002 wurden bereits 17 Anlagen abgebaut. Aktuell besitzt die DFS noch 51 Anlagen, von denen bis 2032 weitere 20 zurückgebaut werden. Acht Anlagen wurden zudem zuletzt umgerüstet und sind nun weniger anfällig für Störungen.

Abstandsregeln überarbeiten

Die Flugsicherung prüft noch bis Ende des Jahres, ob der Schutzradius ihrer Drehfunkfeuer in allen Fällen wie erwartet verringert werden kann. Zum ersten August wurde bereits der Mindestabstand der Drehfunkfeuer Klasdorf, Gedern und Fulda reduziert.

„Mehr Flächen für Windenergie bei gleicher Sicherheit der Funknavigation: Das ist ein Riesenschritt und entscheidend für den Ausbau der Windkraft“, so Habeck. Etwa 1200 Windenergieanlagen mit einer Kapazität von rund fünf Gigawatt sollen auf den freiwerdenden Flächen gebaut werden können.

Der Bundesverband WindEnergie (BWE) warnte allerdings bereits im April, dass die zusätzlichen Flächen für Windräder durch ein Vorhaben des BMDV an anderer Stelle wieder gekürzt werden könnten. Geplant sei, den Bauschutzbereich um militärische Flugsicherungseinrichtungen zu erweitern. „Allein die 18 stationären Radarstandorte der Landesverteidigung würden aufgrund der weiträumigen Prüfbereiche von 50 Kilometern dazu führen, dass rund 40 Prozent der bundesdeutschen Landesfläche höchstwahrscheinlich nicht mehr für den Ausbau der Windenergie an Land verfügbar wären“, warnt Hermann Albers, Präsident des BWE.

Zu wenig Windkraftausbau in der ersten Jahreshälfte

Dabei braucht der Onshore-Ausbau dringend wieder Aufwind. Bisher geht alles deutlich langsamer als erhofft. Trotz Osterpaket und hohen Zielen für den Ausbau Erneuerbarer Energien wurden im ersten Halbjahr 2022 nur etwa so viele Windräder gebaut wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Um bis 2030 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren zu erzeugen, reicht das nicht. Windenergieverbänden zufolge müsste sich der Ausbau mindestens verfünffachen.

Auch beim Ausbau anderer Erneuerbarer liegt die Realität noch deutlich hinter dem, was für Energiewende, Klimaziele und Energiesicherheit in der Gaskrise notwendig wäre. Im Schnitt müsste das Ausbautempo mindestens verdreifacht werden, stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erst kürzlich in seinem Ampel-Monitor-Energiewende fest. Mit der Umsetzung geringerer Abstandsregeln könnte zumindest der Onshore-Ausbau endlich an Dynamik gewinnen. Julia Broich


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