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Baustelle WeltklimaInitiative „Bauhaus der Erde“ will globale Bauwende einleiten

Baum von einem „Baumpfad“ in Holzbauweise eingerahmt
„Wenn wir Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir Menschen uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen“, so die Grundidee des Projekts „Bauhaus der Erde“ (Foto: pxhere / CC0 Public Domain)

Das ambitionierte Projekt für klima- und menschengerechtes Bauen fordert eine radikale Wende in der CO2-intensiven Baubranche. Gebäude sollten zu einer Kohlenstoffsenke werden und Ziel aller Baukultur das Leben der Menschen im Einklang mit der Natur.

27.04.2021 – Mit der Errichtung, Nutzung und dem Rückbau von Gebäuden gehört der Bausektor zu den Treibern des Klimawandels. Gebäude und Infrastrukturen sind für mindestens 40 Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Das muss sich ändern, soll das Pariser Klima-Abkommen nicht scheitern.

Aber wie kann Bauen zur Eindämmung des Klimawandels beitragen? Betrachtet man den aktuellen Bauboom, geht es in die entgegengesetzte Richtung. Klimaforscher und ehemaliger Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) Hans-Joachim Schellnhuber hat sich daher mit einer kleinen Gruppe von Klima- Umwelt und Bauexperten zusammengetan, um das Thema neu aufzurollen. Entstanden ist die Initiative Bauhaus der Erde, als Anlehnung an das vor 100 Jahren durch Walter Gropius in Weimar gegründete Bauhaus. Letzte Woche hat Schellnhuber gemeinsam mit der Architektin Annette Hillebrandt und dem Präsidenten des Umweltbundesamtes (UBA) Dirk Messner die Initiative in der Bundespressekonferenz vorgestellt.

Globale Bauwende gefordert

Die Analogie zur Bauhausbewegung, der revolutionären Architekturbewegung der 1930er-Jahre in Deutschland, die Bauen als soziales und technologisches Fortschrittsprojekt umsetzen wollte, wäre naheliegend, so Schellnhuber. Es gehe auch jetzt darum, eine neue Baukunst zu erschaffen: Kunst und Handwerk, Soziales und Ökonomisches, neue Technologien und jetzt auch Klimaschutz sollen vereint werden. Die Initiatoren fordern einen ganzheitlichen Ansatz, um die gebaute Umwelt zu verändern, sie hoffen mit ihrem Projekt eine Lawine loszutreten, die den Bausektor verändern wird.

Ziel aller Baukultur sollte das Leben der Menschen im Einklang mit der Natur sein. Das klingt nach einer wunderbaren Vision. Bauen müsse in Zukunft als Kreislaufwirtschaft organisiert werden. Einen großen Hebel sehen die Initiatoren in der grundsätzlichen Reformierung der weltweit üblichen Bauweise. Die Substitution von Stahlbeton durch organische Baustoffe wie Holz oder Bambus würde erhebliche Mengen an klimaschädlichen Emissionen vermeiden, so die Grundidee. Organische Materialien wie Holz oder Bambus seien eine wunderbare Alternative zu Stahlbeton, Glas und Aluminium, so Schellnhuber, und könnten die CO2-Quelle Gebäude in eine Senke verwandeln. Bäume als Nutzholz sichern gespeichertes CO2.

Baustoff-Revolution

Die Grundlagenforschung für diese Strategie kommt aus dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Eine Materialrevolution, die im Städtebau Zement und Stahl durch Holz ersetzt, könnte einen doppelten Nutzen für die Klimastabilisierung haben, so die Studie eines internationalen Teams von Forschenden: Treibhausgasemissionen aus der Zement- und Stahlproduktion vermeiden, Ressourcenraubbau verhindern und Gebäude in eine Kohlenstoffsenke verwandeln – wenn im Bauholz das von den Bäumen zuvor aus der Luft aufgenommene und in ihren Stämmen eingelagerte CO2 gespeichert wird.

Aber woher soll das viele Holz kommen? Sind nicht heute schon die Wälder gefährdet, wird zu viel gerodet? Die Klimaforscher setzen auf eine nachhaltige Forstwirtschaft. Zudem müsste das Holz aus dem Abriss von Gebäuden weiterverwendet werden. Und statt Holz zu verbrennen, müssen Häuser so gebaut werden, dass sie mit wenig Heizenergie auskommen. „Wir müssen zu einer Bioökonomie finden, die keinen Schaden anrichtet“, so Schellnhuber. Bislang werden in Deutschland lediglich ein bis zwei Prozent der Einfamilienhäuser aus Holz gebaut. Das müsse mehr werden. Im urbanen Raum sind in den letzten Jahren Mehrfamilienhäuser bis hin zu einzelnen Hochhäusern aus Holz entstanden – doch die bestehenden Bauvorschriften machten diese Projekte zu einem langwierigen Abenteuer.

Kann Holzbau die Welt retten?

Geht man von der aktuellen Dynamik in Holzbauweise aus, würden bis 2050 nur 0,5 Prozent der Neubauten mit Holz gebaut, heißt es in der Studie. „Dieser Anteil könnte auf 10 Prozent oder 50 Prozent steigen, wenn die Massen-Holzproduktion entsprechend zunimmt.“ Wenn auch Länder mit einer derzeit geringen Industrialisierung den Übergang schaffen würden, seien sogar 90 Prozent Holz im Bau denkbar, schätzt das Forscherteam. „Dies könnte dazu führen, dass zwischen 10 Millionen Tonnen Kohlenstoff pro Jahr im niedrigsten Szenario und fast 700 Millionen Tonnen im höchsten Szenario gespeichert werden.“ Darüber hinaus würde der Bau von Holzgebäuden die kumulierten Emissionen von Treibhausgasen aus der Stahl- und Zementherstellung auf Dauer um mindestens die Hälfte reduzieren, so die Rechnung.

„Wenn der Einsatz von Bauholz stark gesteigert werden soll, ist der Schutz der Wälder vor nicht nachhaltiger Abholzung und einer Vielzahl anderer Bedrohungen entscheidend", betont Co-Autor der Studie Christopher Reyer vom PIK. „Unsere Vision für eine nachhaltige Bewirtschaftung und Regulierung könnte aber die Situation der Wälder weltweit tatsächlich sogar verbessern, da diesen dann ein höherer Wert zugemessen wird.“

Und wenn das Verwenden von Rundhölzern als Brennstoff verringert würde – rund die Hälfte der geernteten Rundhölzer werde derzeit verbrannt, was weitere Emissionen verursacht – könnte mehr davon für das Bauen mit verarbeiteten Holzwerkstoffen zur Verfügung stehen. Große Bauhölzer wären bei richtiger Verwendung vergleichsweise feuerbeständig, das stehe im Gegensatz zu der weit verbreiteten Annahme der Feuergefährlichkeit von Holzgebäuden. „Viele nationale Bauvorschriften erkennen diese Eigenschaften bereits an“, heißt es in der Studie.

„Ich kann mir keine sicherere Art der Kohlenstoffspeicherung vorstellen“, sagt Schellnhuber. „Die Menschheit hat Holz für viele Jahrhunderte für Bauwerke genutzt, doch jetzt geht es angesichts der Herausforderung der Klimastabilisierung um eine völlig neue Größenordnung. Wenn wir das Holz zu modernen Baumaterialien verarbeiten und die Ernte und das Bauen klug managen, können wir Menschen uns ein sicheres Zuhause auf der Erde bauen“, glaubt der Klimaforscher. In tropischen und subtropischen Regionen wären zudem Plantagen erforderlich, um den Bedarf zu decken, etwa mit dem Anbau von schnell wachsendem Bambus durch Kleingrundbesitzer.

Kreisläufe neu denken

Doch zu einer globalen Bauwende gehört noch mehr als ein Wechsel der Baustoffe. Architektin Annette Hillebrandt, die an der Universität Dortmund Baustoffrecycling und Urban Mining lehrt, nennt das Ressourcen- und Müllproblem. „Wir ersticken im Abfall“, warnt sie. Nicht nur 40 Prozent der CO2-Emissionen, sondern auch 50 Prozent des Abfallaufkommens in Deutschland stammten aus dem Bausektor. Es werde energieintensiv und oft mit gesundheitsschädlichen Materialen gebaut, die nach Abbau teilweise auf der Sondermülldeponie landen. Dieses „naturferne“ Bauen führe nicht nur zur Belastung der Umwelt, sondern auch dazu, dass ein großer Teil der Bewohner sich in den eigenen vier Wänden nicht wohl fühlten. Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen und organischen, gesundheitsverträglichen Materialien, mehr Energieeffizienz sowie flexible Gestaltungsmöglichkeiten könnten das Wohnen attraktiver machen.

Die Architektin fordert seit langem einen Paradigmenwechsel im Bausektor. Dafür bräuchten Planer und Handwerker aber Hilfe von Seiten der Politik. Denn Architekten würden von der Bauindustrie von neuen Produkten überfrachtet, die kaum mehr zu bewerten und oft schädlich für Mensch und Umwelt seien. „Wir brauchen Regulierungen, die das unterbinden“, findet die Expertin, „denn eigentlich wollen alle gesund bauen und wohnen“ – doch das Angebot sei mäßig, intransparent und die Kosten für eine gesunde Bauweise oft zu hoch. Ökologische Architektur wurde früher belächelt, so Hillebrandt, doch langsam werde klar, dass die Zukunft des Bauens klima- und umweltgerecht sein müsse – und das sollte in der Bauordnung klar verankert werden.

Paradigmenwechsel in der Stadtplanung

In Hinsicht auf die Klimaziele gibt es eine Stagnation im Baubereich, findet auch UBA-Chef Dirk Messner. Wenn wir bis 2050 Null Emissionen im Gebäudebereich erreichen wollen, muss es jetzt eine globale Bauwende geben. Die urbane Bevölkerung werde sich bis 2050 verdoppeln. Dabei sind viele Städte weltweit jetzt schon am Limit. Die Wucht der Urbanisierung in südlichen Ländern wäre enorm. Auf allen Kontinenten wird bislang im großen Stil in Stahlbeton gebaut, statt Sanierung bestehender Gebäude erfolgt oft Abriss und Neubau.

Materialströme müssten auf Baustoffproduktivität und Recyclingfähigkeit neu überprüft werden, fordern die Experten. Urban Mining gerechtes Bauen bedeute Schutz der natürlichen Rohstoffe unseres Planeten, Boden- und Gewässerschutz, bis hin zur Verbesserung des Mikroklimas der Umgebung und Erhalt der Biodiversität, erläutert Hillebrandt, die sich seit vielen Jahren mit diesem Fachgebiet auseinandersetzt und es vorantreibt.

Das UBA schlägt eine Gebäudeklimaabgabe vor, die energieeffizientes Bauen fördert und klimaschädliches Bauen besteuert, eine Primärbaustoffsteuer auf Kies und Sand würde das Bauen mit Beton weniger attraktiv machen. Was schädlich ist wird teurer, was umweltfreundlich ist wird günstiger und gefördert, so die Idee.

Modellregion Europa

Inzwischen finden diese Ideen auf höchster europäischer Ebene Gehör – die EU-Kommission hatte im Herbst 2020 eine Europäische Bauhaus-Bewegung angestoßen und eine europaweite Sanierungswelle angekündigt. Europa könnte vorangehen und ein Modellkontinent werden, so die Initatoren, und die Bau- und Stadtwende einleiten. Der Zeitdruck, ins Handeln zu kommen, sei hoch. Denn die urbane Infrastruktur, die wir bis 2050 vorfinden, wird jetzt gebaut.

Earth first: Alles auf Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit überprüfen

Die Baukultur muss als Zukunftsthema in der neuen Regierung installiert werden, fordert die Initiative. Wir brauchen eine Reform beim Holzbau sowie eine Entbürokratisierung der Bauvorschriften. Man müsse sich alle Bauregeln neu anschauen und hinterfragen –  und alles auf Klima- und Umweltschutz hin überprüfen. Das zähle zu den großen strukturpolitischen Aufgaben in den nächsten zwei Legislaturperioden. Das Öffentliche Bauen sollte dabei vorangehen.

Zu einer neuen Baukultur zählten auch neue Formen der Bauherrenschaft, etwa genossenschaftliche Modelle und Baugruppen zu fördern, Netzwerke und Gemeinschaften zu bilden. Auch das Dorf könnte in Zukunft wieder eine wichtigere Rolle spielen, glaubt Schellnhuber. Der Architekt Rem Kohlhaas spreche gar von einer „Wiederverdorfung der Gesellschaft“. Schellnhuber stellt sich Siedlungen auf dem Land in Holzbauweise vor, wo mehrere Generationen zusammenleben. Im urbanen Raum entspräche das dem gemeinschaftlichen Bauen und Wohnen im Quartier. Das Zeitalter, wo nur wenige große Player den Markt beherrschen, dieses Zeitalter wird zu Ende gehen, glaubt der Klimaforscher.

Architektur und Stadtraumplanung müssen demokratischer werden, Menschen sollen gemeinsam Verantwortung übernehmen und Sorge für ihr Wohnumfeld tragen, so Architektin Hillebrandt. Es müssten Stadträume entstehen, in denen Menschen sich begegnen und wohlfühlen können, es gilt gesunde und wertstabile Häuser zu bauen, in denen es sich unbeschwert leben lässt, in die man unbedenklich investieren kann und die ein gutes Vermächtnis an die folgenden Generationen und die Erde sind. Nicole Allé


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