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Mehr KlimaschutzBaden-Württemberg zwingt Städte zu Wärmeplanung

Das Heizkraftwerk in Stuttgart-Münster versorgt die Landeshauptstadt Baden-Württembergs mit Fernwärme aus der Müll-, Kohle- und Gasverbrennung. Es ginge klimafreundlicher.
Das Heizkraftwerk in Stuttgart-Münster versorgt die Landeshauptstadt Baden-Württembergs mit Fernwärme aus der Müll-, Kohle- und Gasverbrennung. Es ginge klimafreundlicher. (Foto: © Wiki-observer / Wikimedia.Commons, CC BY-SA 4.0)

Baden-Württemberg will als erstes Bundesland eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung für Stadtkreise und große Kreisstädte einführen. Das Ziel: Eine klimaneutrale Wärmeversorgung, vor allem durch mehr Erneuerbare Energien und die Nutzung von Abwärme in den Wärmenetzen.

17.01.2020 – „Unsere Klimaschutzziele sind nur zu erreichen, wenn wir es schaffen, die Wärmeversorgung klimaneutral, das heißt möglichst CO2-frei zu machen. Dabei haben die Kommunen eine zentrale Bedeutung. Sie können eine solche Wärmeversorgung planen und umsetzen“. Dies unterstrich der baden-württembergische Umweltstaatssekretär Andre Baumann jüngst bei dem Kongress „Nahwärme kompakt“ der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA) in Karlsruhe.

Teil der Novelle des Klimaschutzgesetzes

Im Rahmen der Novelle des baden-württembergischen Klimaschutzgesetzes sollen deshalb die größeren Städte im Südwesten dazu verpflichtet werden, in den nächsten Jahren eine Wärmeplanung für ihr gesamtes Gemeindegebiet aufzustellen. Kernelemente sind eine Bestandsanalyse über den aktuellen Wärmebedarf sowie die vorhandene Wärmeinfrastruktur für Erzeugung und Verteilung. Dazu kommt eine Potenzialanalyse, bei welcher die vorhandenen Potenziale der erneuerbaren Wärmequellen und Abwärme sowie die Wärmenetzgebiete ermittelt werden. Auf dieser Basis soll ein Konzept mit möglichen Maßnahmen für eine effiziente und dekarbonisierte Wärmeversorgung im Gemeindegebiet erarbeitet werden.

Voraussetzung für die Wärmeplanung sind entsprechend Daten, die den Kommunen zum einem aus einem landesweiten Energie- bzw. Wärmeatlas bereitgestellt werden sollen. Zum anderen soll eine Ermächtigungsnorm zur Datenerhebung für die Gemeinden geschaffen werden. Energieversorger, Schornsteinfeger und Unternehmen sollen künftig zur Erhebung und Bereitstellung von Daten über den Wärmeverbrauch und Abwärmepotentiale verpflichtet werden.

Fundierte Basis für Infrastrukturentscheidungen

„Auf diese Weise sollen die Kommunen schnellstmöglich eine fundierte Basis für Infrastrukturentscheidungen erhalten, die einen Mehrwert für den Klimaschutz darstellen“, betont Ralf Heineken, Sprecher des Stuttgarter Umweltministeriums. „Wichtig ist eine vorausschauende Planung, die darauf achtet, dass die Umstellung sinnvoll, wirtschaftlich und vor allem machbar ist“, ergänzt er.

Überall dort, wo es bei dezentralen Lösungen bleibe, müssten die Menschen dabei unterstützt werden, auf erneuerbare Energieträger umzusteigen, damit die Treibhausgase stark reduziert werden. „Dabei hat die kommunale Wärmeplanung eine wichtige Informationsfunktion für alle Beteiligten, auf welches Umfeld sie sich künftig einstellen können und welche Maßnahmen sie dann in eigener Verantwortung noch ergreifen müssen, um ihren Beitrag zu leisten“, so Heineken.

Verpflichtend für Stadtkreise und große Kreisstädte

Verpflichtend ist die Regelung für Stadtkreise und große Kreisstädte mit mehr als 20.000 Einwohner, dies entspricht zehn Prozent der Kommunen mit 50 Prozent der Bevölkerung in Baden-Württemberg. Sie sollen bei der Umsetzung mit Beratungsangeboten und einem Leitfaden der KEA unterstützt werden.

Kleinere Kommunen können die Wärmeplanung auf freiwilliger Basis angehen und sollen hierfür eine Förderung erhalten. Es wird damit gerechnet, dass ein Gesetzentwurf zur Novelle des Klimaschutzgesetzes bis im Frühjahr vom baden-württembergischen Landtag verabschiedet wird und bis spätestens Ende Juni in Kraft tritt. Bis Ende 2023 haben die betroffenen Kommunen Zeit, entsprechende Wärmepläne aufzustellen.

Mehr als Wärmenetzplanung

Ist mit einem Schub für kommunale Wärmenetze und mit einer Stagnation für neue Gasanschlüsse oder gar einem Rückbau von Gasverteilnetzen aufgrund der neuen Regelung zu rechnen? „Die verpflichtende Wärmeplanung ist nicht mit einer Wärmenetzplanung gleichzusetzen“, sagt Heineken.

Zwar könnten unter dem Gesichtspunkt der Einbindung von erneuerbaren Energien oder Abwärmequellen insbesondere durch Wärmenetze neue Potentiale für eine klimaneutrale Wärmeversorgung gehoben werden. Es wird jedoch immer Siedlungsgebiete oder Anwendungen – speziell im gewerblichen Bereich – geben, wo Wärmenetze an ihre technologische und wirtschaftliche Grenze kommen und alternative Versorgungsmöglichkeiten existieren müssen“, so der Ministeriumssprecher.

Rückbau der Gasinfrastruktur noch offen

 „Zumindest auf mittlere Sicht ist von einer weiteren Zunahme des Gas- und Kapazitätsbedarfs in Baden-Württemberg und daher mit einem Ausbau der Gasinfrastruktur zu rechnen“, sagt Heineken. Gründe hierfür seien vor allem zahlreiche Neuanschlüsse von Haushalts- und Industriekunden, die Schaffung von Gasredundanz bei Auslegung auf Spitzenleistung sowie die Errichtung von zusätzlichen Gaskraftwerken und die Umrüstung von BHKWs. 

Perspektivisch könne eine Beimischung von elektrolytisch erzeugtem Wasserstoff oder von synthetischem Methan erfolgen und so die CO2-Bilanz der Gasanwendung weiter verbessern. „Ob und inwieweit längerfristig durch den Ausbau von Fern- und Nahwärmenetzen die Gasinfrastruktur zurückgebaut werden muss, ist derzeit noch nicht absehbar, sondern dafür müssen individuelle Lösungen erarbeitet werden, die die jeweiligen lokalen Gegebenheiten berücksichtigen“, so Heineken.

Wärmesenken besser erschließen

„Die Idee einer kommunalen Wärmeplanung ist klug, wenn sie technologieoffen bleibt, sonst landen wir in einer Sackgasse“, unterstützt Timm Kehler, Vorstand der Branchenvereinigung Zukunft Erdgas, diesen Ansatz. Mittelfristig werde der Kohleausstieg dazu führen, dass gasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) stark zunehmen. Entsprechend stelle sich die Frage, wohin die Wärme gehen solle, nötig seien mehr Wärmesenken. „Die kommunale Wärmeplanung kann auch dabei helfen, Wärmesenken zu erschließen, um KWK sinnvoll betreiben zu können“, so Kehler. Wichtig sei, dass der Kunde die Auswahl für verschiedene Möglichkeiten der Wärmeversorgung habe. Versorger seien gefragt, aktiv für ihre Lösungen zu werben. In Einzelfällen könne dies dann dazu führen, dass ein Gasnetz zurückgebaut werde. Hans-Christoph Neidlein


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