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Kohleabbau-FolgenBerlin und Spreewald von Wassermangel bedroht

Blick über die Spree von der Elsenbrücke in Richtung Oberbaumbrücke in Berlin bei Sonnenuntergang
Die Spree könnte in Zukunft deutlich weniger Wasser führen und die Wasserversorgung in Berlin damit schwierig werden. (Foto: Ansgar Koreng / commons.wikimedia / CC0 1.0)

Wenn mit Ende der Braunkohleförderung in der Lausitz deutlich weniger Grundwasser in die Spree gepumpt wird, könnte der Fluss im Sommer bis zu 75 Prozent weniger Wasser führen. Die Trinkwasserversorgung in Berlin wäre gefährdet. Wie gegensteuern?

13.06.2023 – Die neue Studie für das Umweltbundesamt (UBA) sieht gewaltige Aufgaben für die Wasserversorgung entlang der Spree auf die Region zukommen. Eigentlich heißt es schon höchste Warnstufe für den Spreewald, seine Seen und Kanäle sowie die Trinkwasserversorgung in der Region Berlin. „In Berlin und Brandenburg könnte im schlimmsten Szenario das Wasser empfindlich knapp werden, wenn nicht entschlossen gegengesteuert wird“ warnt UBA-Präsident Dirk Messner. „Die Länder Brandenburg, Berlin und Sachsen stehen vor entsprechenden Herausforderungen. Sie sollten diese schnell gemeinsam mit der Wasserwirtschaft angehen.“

Die Studie schlägt beispielsweise vor, Talsperren und Wasserspeicher zu ertüchtigen und bestehende Seen als Wasserspeicher auszubauen. Auch sollten die Länder gemeinsam ausloten, wie sich Wasser aus anderen Regionen durch neue Rohrsysteme möglichst naturverträglich in die Spree pumpen lässt. Haushalte, Industrie und Landwirtschaft sollten zudem mehr Wasser sparen. Eine Option wäre notfalls auch, das Grundwasser vorerst weiter zu pumpen und gereinigt in die Spree zu leiten.

Die Folgen des Kohleabbaus

Durch den Bergbau in der Lausitz wurde der Wasserabfluss in der Spree über mehr als ein Jahrhundert durch den Menschen künstlich verstärkt, heißt es in der Studie. Denn für die Braunkohleförderung wurde Grundwasser abgepumpt und in die Spree geleitet. Die gegenwärtige Trinkwasserversorgung in Berlin baue zum Teil auf diesem Wasser auf. Mit dem klimapolitisch notwendigen Ausstieg aus der Braunkohleförderung bis spätestens 2038 ändert sich der Wasserhaushalt der gesamten Region aber grundlegend. „Die drohende Wasserknappheit ist Der Kohleabbau war über Jahrzehnte schädlich für die Umwelt. übrigens kein Grund, auf den Kohleausstieg zu verzichten“, betont Dirk Messner. „Der Klimawandel⁠ ist das größte Problem, mit dem wir es zu tun haben. Er schafft schon heute Dürren und Wetterextreme. Der Kohleabbau war über Jahrzehnte schädlich für die Umwelt. Ich bin absolut dafür, dass wir den Ausstieg für die Lausitz weiter für 2030 anvisieren, sonst werden wir unsere Klimaziele kaum erreichen können.“

Seit dem Beginn des Braunkohleabbaus im 19. Jahrhundert wurden rund 58 Milliarden Kubikmeter Grundwasser – mehr als das Volumen des Bodensees – durch den Bergbau gefördert und in die Spree geleitet, berichtet das UBA. Gut die Hälfte des Wassers, das die Spree heute bei Cottbus führt, stamme aus abgepumptem Grundwasser. In heißen Sommermonaten steigt dieser Anteil auf bis zu 75 Prozent, so die Ergebnisse der vorgelegten Studie.

Für den sächsischen Teil der Spree gehe die Prognose von einem jährlichen Wasserdefizit von rund 95 Millionen Kubikmeter aus. Im Unterlauf der Spree in Brandenburg werden künftig pro Jahr voraussichtlich rund 126 Millionen Kubikmeter fehlen – mehr als dreimal so viel Wasser, wie der Große Müggelsee fasst.

Berlin muss mit Wasserengpässen rechnen

Bei gleichbleibendem oder gar steigendem Wasserbedarf drohten daher insbesondere in trockenen Jahren immer häufigere und länger andauernde Wasserengpässe in der Region. Der zunehmende Wassermangel betreffe unter anderem die Rohwasserbereitstellung für Berlins größtes Trinkwasserwerk in Friedrichshagen. Auch die Verdünnung des gereinigten Berliner Abwassers mit Spreewasser – etwa 220 Millionen Kubikmeter pro Jahr – werde zunehmend problematisch.

Gleichzeitig werden in den kommenden Jahrzehnten allein sechs Milliarden Kubikmeter Wasser zusätzlich benötigt, um die Tagebaurestlöcher aufzufüllen, damit diese nicht instabil werden, so die Studienautoren. Verstärkt werde das Wasserdefizit durch die Folgen des Klimawandels.

Ohne Einschränkungen und hohe Investitionen wird es nicht gehen - aber wer muss zahlen?

Die Studie hat die wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz über mehrere Jahre im Detail untersucht. Verbände, zuständige Fachbehörden von Bund und Ländern, Kommunalpolitik und Zivilgesellschaft wurden breit beteiligt. Im Ergebnis ergaben sich mehrere Lösungsoptionen, wie sich dem Wassermangel begegnen ließe – sie sind eine Einladung an die Politik der betroffenen Bundesländer vor Ort konkret Lösungen für die Region anzugehen.

Folgende Maßnahmen werden in der UBA-Studie empfohlen:

  • Wasser sparen: Alle Nutzergruppen in der Region werden künftig deutlich mehr Wasser sparen müssen. Gleichzeitig wird sich das prognostizierte Wasserdefizit nicht über Einsparungen allein ausgleichen lassen.
  • Wasser überleiten: Um das prognostizierte Wasserdefizit auszugleichen ist es unerlässlich, zusätzliches Wasser für die Flussgebiete der Lausitz bereitzustellen. Die Studie rät zu Wasserüberleitungen aus benachbarten Flüssen, wie Elbe, Lausitzer Neiße und Oder. Hierfür müsste eine notwendige naturverträgliche Infrastruktur errichtet werden, was einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
  • Speicher ausbauen: Bislang verfügt die Region über ein Speichervolumen von rund 99 Millionen Kubikmeter Wasser. Mit einer Erweiterung der Speicherkapazitäten um 27 Millionen Kubikmeter ließen sich Defizite in den wasserarmen Monaten teilweise auffangen, sofern die gespeicherte Wassermenge ohne Einschränkungen zur Verfügung steht; die vorhandenen Speichervolumina sind derzeit nur zu rund 50 Prozent eingeschränkt nutzbar. Zunächst müssen daher bestehende Speicher saniert und ertüchtigt werden, um ihre volle Kapazität nutzen zu können. Auch Bergbaufolgeseen könnten als Wasserspeicher dienen. Aus Sicht der Studie bietet sich hierfür der Cottbuser Ostsee an. Dazu müssten jedoch umgehend die erforderlichen genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Speichernutzung geschaffen werden.
  • Grundwasser ableiten: Eine nur vorübergehende (Not-)Lösung könnte sein, die Pumpen aus dem Bergbau weiter zu betreiben. Dies hätte zum einen negative ökologische Folgen, da so die Sulfatbelastung der Spree weiter ansteigen wird. Zum anderen ist die Aufbereitung des abgepumpten Grundwassers im Vergleich zu anderen Maßnahmen die vermeintlich teuerste Lösung zum Ausgleich des Wassermangels.

Unter diesen sich verschärfenden Bedingungen für seine Trinkwasserressourcen, wird vor allem Berlin gezwungen sein, seine Wasserversorgung neu aufzustellen. Die Berliner Wasserbetriebe und der Senat arbeiten laut UBA bereits an entsprechenden Konzepten.

Angesichts der großen Herausforderungen empfiehlt das Umweltbundesamt⁠, einen länderübergreifenden Masterplan für die Wasserwirtschaft der Region zu entwickeln. Die betroffenen Bundesländer Sachsen, Brandenburg und Berlin müssten gemeinsam und umgehend zukunftsfähige Konzepte für die Wassernutzung für die Zeit nach dem Kohleausstieg entwickeln. Dabei müssten die verschiedenen Nutzergruppen wie Industrie, Landwirtschaft, Tourismus und Wasserversorgung einbezogen werden.

Pflichten des Tagebaubetreibers nicht ausblenden

Das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA mahnt, in der Diskussion um nachbergbaulichen Wassermangel in der Spree die Pflichten des Tagebaubetreibers nicht auszublenden. „Der nachbergbauliche Wassermangel wird zu einem bedeutenden Teil durch den Braunkohleabbau selbst verursacht“, kommentiert René Schuster, Braunkohle-Experte des Verbandes, die Studie. Sie blende die nach dem Verursacherprinzip notwendigen Beiträge der Tagebaubetreiber zur Lösung Das Unternehmen muss einen verursachergerechten Anteil der Kosten tragen, sonst droht ein neues Milliardengeschenk des Staates an die fossilen Konzerne. „Doch genau die müssen schnellstmöglich diskutiert und verbindlich festgelegt werden“, fordert Schuster. „Falls Wasserüberleitungen in die Lausitz gebaut werden sollen, würden sie als erstes genutzt, um die Tagebauseen der LEAG zu füllen. Das Unternehmen muss einen verursachergerechten Anteil der Kosten tragen, sonst droht ein neues Milliardengeschenk des Staates an die fossilen Konzerne. Vor diesem Hintergrund bleibt die Vergabe der Studie an das von einem LEAG-Tochterunternehmen angeführte Konsortium hoch bedenklich.“

Es dürfe nicht so getan werden, als würden Kohletagebaue Wasser herstellen, mahnt Schuster. „Was sie in die Spree leiten, dezimiert das Grundwasser, unseren wichtigsten Bodenschatz. Auf dem Weg zur Spree verdampfen zudem die Kohlekraftwerke etwa ein Drittel dieses Wassers, das der Region so verlorengeht. Wir müssen so schnell wie möglich zu einer nachhaltigen Wassernutzung zurückkehren.“

Beim Wassermangel in der Spree kommen laut GRÜNE LIGA vier Ursachen zusammen: Der Rückgang auf natürliche Abflussverhältnisse, die Bedarf an Flutungswasser aus den Flüssen, die dauerhaften Verdunstungsverluste der geplanten Tagebauseen und der Klimawandel. Der Kohleausstieg verursache keinen dieser Effekte, er beeinflusse nur den Zeitpunkt, an dem sie nicht mehr ignoriert werden können. Ein ewiges Weiterbaggern war dabei nie eine Option und entsprach auch nie der Rechtslage. Auch heute seien nicht alle LEAG-Tagebaue bis 2038 berg- und wasserrechtlich genehmigt. So ist die Zulassung des Großtagebaues Nochten in Sachsen bis 2026 befristet, für einen längeren Betrieb wären neue Entscheidungen nötig. na

Am 9. Juni vertrat René Schuster die Position der GRÜNEN LIGA in einem Fachgespräch des Landtages Brandenburg. Hier geht es zur dort gezeigten Präsentation


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