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Erneuerbare im StrommixDie Mischung macht‘s

Zwei Windräder auf einem Feld
Der erste Windpark der NATURSTROM AG wurde 2007 in Niedersachsen errichtet. (Foto: Naturstrom AG)

Ökostromanbieter freuen sich. Sie können immer mehr Wind- und Sonnenstrom ins Portfolio aufnehmen. Das wird möglich, indem sie Verträge schließen mit Betreibern ausgeförderter Windkraftanlagen oder von Solarparks ohne EEG-Vergütung.

12.05.2021 – Rund 5.000 Windkraftanlagen in ganz Deutschland erreichten zum Jahreswechsel ihr Förderende. Sie wurden zum größten Teil bereits in den 90-er Jahren gebaut und später in das Förderschema des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aufgenommen. Würden sie stillgelegt, entstünde eine recht große Lücke in der Versorgung mit Erneuerbaren Energien. Schon 2021 geht es um eine Leistung von 4,4 Gigawatt, bis 2025 werden es weitere rund 16 Gigawatt Erzeugungsleistung sein.

Auf die Strommengen aus diesen Anlagen zu verzichten hieße Windstrom zu verlieren. Denn beim Neubau geht es längst nicht so voran wie notwendig. Der Windkraftausbau stagniert, die Altanlagen müssen und sollen weiterlaufen. Bis in nennenswerter Menge neue Anlagen entstehen, werden auf Grund der langen Planungszeiträume mehrere Jahre vergehen.

Eine Reihe von Unternehmen hat sich der Vermarktung des Stroms aus ausgeförderten Anlagen angenommen. Beispielsweise beliefert Statkraft seit Januar 2021 per Stromliefervertrag (PPA) die deutsche Bahn mit Windstrom aus ausgeförderten Anlagen. Die Stadtwerke München haben gar ein eigenes Tochterunternehmen mit dem Namen Hanse Windkraft gegründet, das sich ausschließlich dem Weiterbetrieb und Repowering von Altanlagen – also dem Austausch älterer Windenergieanlagen gegen moderne, leistungsfähigere Modellewidmet.

NATURSTROM als Ökostromanbieter der ersten Stunde beschäftigt sich schon seit 2007 mit den verschiedenen Formen der Direktvermarktung von Strom aus EEG-Anlagen und begann bereits 2017 mit der Vorbereitung auf das Auslaufen der Altanlagenförderung Anfang 2021. Das Ergebnis: Seit Jahresbeginn erhalten Naturstromkunden Strom aus mehr als 250 ausgeförderten Windrädern, die zusammen rund 185 Megawatt Leistung haben.

Der Mix wird vielfältiger

Das Geschäft hat für Ökostromanbieter einen qualitativen Vorteil: Der aus Erneuerbare-Energien-Anlagen produzierte Strom konnte bislang nicht als Ökostrom vermarktet und an Verbraucher geliefert werden, wenn die Anlagen eine EEG-Förderung bekommen – was bislang auf nahezu alle Wind- und Solarstromanlagen sowie die meisten Wasserkraftwerke zutraf.

Das Doppelvermarktungsverbot steht dem entgegen. Es soll verhindern, dass Anbieter aus bereits mit Förderung erzeugtem Strom nochmals Wettbewerbsvorteile erringen, indem sie diesen Strom als Ökostrom vermarkten. Stattdessen wird der eingespeiste EEG-Strom über die Strombörse vermarktet und verwandelt sich dort im Mix mit Strom aus konventionellen Kraftwerken zu Graustrom.

Für Unternehmen wie NATURSTROM sind die Vertragsschlüsse mit Altanlagenbetreibern kein Selbstläufer. Man muss um die Betreiber werben, ihnen Verträge und Geschäftsmodelle erklären. Bevor überhaupt ein faires Angebot unterbreitet werden kann, gilt es, die Betriebsdaten der vergangenen Jahre, Standortgegebenheiten und Einspeiselastgänge genau zu prüfen. Eine zusätzliche Herausforderung ist das Management dieser Einheiten. Sie ins bestehende Monitoring und den Bilanzkreis einzubinden, erzeugt Aufwand. Die Betreiber der Altanlagen erleben nach teils über 20 Jahren EEG-Förderung einen Zeitenwechsel. Für viele ist es nicht leicht, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen.

Solarstrompreise frei verhandelt

Für ausgeförderte Solaranlagen ist dieses Geschäftsmodell weniger geeignet. In den Anfangsjahren der Photovoltaik wurden vor allem kleine Dachanlagen gebaut, nach heutigen Maßstäben sehr klein. Viele Hunderte oder gar Tausende Vertragsabschlüsse würden mit den aktuellen Regularien einen hohen Aufwand verursachen. In ein paar Jahren, wenn die ersten größeren Solarparks ihr Förderende erreichen, könnte das Geschäftsmodell der ausgeförderten Windanlagen auf die Photovoltaik übertragen werden. Einige Stadtwerke bemühen sich primär aus Marketinggründen dennoch um den Strom aus den kleinen Altanlagen, meist wird die Abnahme des Stroms dabei mit einem Belieferungsvertrag gekoppelt.

Ins Portfolio der Ökostromanbieter kommt Solarstrom auf einem anderen Weg. Weil es inzwischen so preiswert ist, Sonnenstrom in großen Einheiten zu erzeugen, werden immer mehr Solarparks ohne EEG-Förderung gebaut. Für Projektierer und Betreiber bietet das den Vorteil, auch Flächen außerhalb der EEG-Restriktionen bebauen zu können. Die jeweilige Gemeinde entscheidet mit ihrem Bebauungsplan, wo gebaut werden darf. Zudem kann der langwierige Weg über die Ausschreibungen vermieden werden. Die über eine Ausschreibung ermittelte Marktprämie wird in diesem Fall ersetzt durch einen Strompreis, den Betreiber und Abnehmer gemeinsam aushandeln – und der eben auch den wichtigen Grünstrom-Nachweis umfasst, der in diesem Modell generiert werden kann.

Die Risiken dabei: Der Abnehmer geht innerhalb der Vertragslaufzeit verloren, gibt seinen Geschäftsbetrieb auf oder die Börsenstrompreise verändern sich so stark, dass entweder Betreiber (bei steigenden Preisen) oder Abnehmer (bei sinkenden Preisen) mit dem ausgehandelten Preis schlechter fahren.

Nicht zu vernachlässigen ist auch die Akzeptanz. Wenn immer mehr und immer größere Solarparks gebaut werden, brechen zunehmend Konflikte und Vorbehalte auf. Natur- und Landschaftsschutz sind Argumente, die bereits die Windkraft ausgebremst haben. Betreiber von Solarparks tun deshalb viel dafür, bei Planung und Bau Umweltvorteile zu finden und zu realisieren. Neben der Ansaat von regionalem Saatgut mit vielen blühenden Pflanzen helfen auch Heckenstreifen an den Rändern, die genetische Vielfalt zu erhalten und Kleintieren und Insekten Lebensraum zu bieten.

Um den notwendigen Photovoltaikzubau in Verbrauchernähe zu erreichen, ist die Politik gut beraten, Photovoltaik in den Städten oder in integrierten Anwendungen zu unterstützen: durch Bürokratieabbau und – solange noch notwendig – auch EEG-Vergütung. (Petra Franke)


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Kommentare

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Andres 12.05.2021, 23:05:54

Es wäre wirklich sehr schade, wenn wir in Deutschland Kapazität (und unsere Vorreiterrolle) bei den Erneuerbaren verlieren, nur weil Altanlagen ohne EEG nicht wirtschaftlich sind, und Repowering aufgrund sinnloser 1500m Regeln nicht stattfinden kann. Erneuerbare müssen antifragiler werden, weniger anfällig gegen Änderung der Regularien und Schwankungen des Marktes.

 

Menschen müssen einerseits überzeugter von der Energiewende werden, d.h. nicht Verantwortung ausschliesslich bei Politiker sehen, und selber auf den günstigsten Strompreis schielen. Sie müssen Anlagen in Wohnungsnähe tolerieren. Oder tolerieren lernen. (Vielleicht mal Urlaub in unmittelbarer Nähe einer Windkraftanlage machen, um Ängste abzubauen.)

 

Andereseits müssen die Anlagen wirtschaftlicher werden. D.h. Exzessstrom muss besser genutzt werden, vor allem ökonomisch. Über Sektorenkopplung, Power-to-gas, Power-to-heat oder mittels ökonomischem Speicher über Kryptowährungen, wie in diesem Artikel beschrieben: https://bitcoinblog.de/2021/04/22/bitcoin-mining-als-voraussetzung-fur-eine-vollstandige-energiewende/


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