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KlimakriseCO2-Speicherung im Nordsee-Boden geplant

Blick auf die Nordsee von der deutschen Küste aus
In Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig Holstein darf zumindest in Küstengebieten kein CO2 in den Meeresboden gepresst werden. (Foto: Waldemar on Unsplash)

Ohne CCS und Speicherung von CO2 im Meeresboden können die klimapolitischen Ziele laut Forschungsverbund CDRmare kaum erreicht werden. Potenzielle Schäden im Ökosystem sind nach Einschätzung der Meeresforscher allerdings nicht auszuschließen.

13.04.2023 – In der naturwissenschaftlichen Forschung besteht Konsens: Selbst mit einer ambitionierten Klimapolitik wird die Menschheit bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts voraussichtlich immer noch 5-15 Prozent der aktuellen CO2-Emissionen freisetzen und den Klimawandel vorantreiben. Diese Restemissionen entstehen zum Beispiel bei der Zementherstellung, der Müllverbrennung, im Flug- und Schwerlasttransport oder der Landwirtschaft.

Um diese Emissionen auszugleichen, muss das CO2 direkt an seinen Quellen abgefangen sowie aus der Atmosphäre entnommen werden. Anschließend muss das Gas sicher eingelagert werden. Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung werden auch als CCS (Carbon Capture and Storage) bezeichnet.

CO2 ist ein langlebiges Gas. Seine Entnahme und Speicherung müssen daher effektiv und dauerhaft sein. Kohlendioxid-Entnahme-Methoden wie Direct Air Capture (DAC) und Bioenergiegewinnung mit Kohlendioxid-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) sind auf die Speicherung im geologischen Untergrund angewiesen. In Europa wird CCS bisher nur in Norwegen im industriellen Maßstab angewendet. Das CO2 wird hierbei unter den Meeresboden verpresst. In den Niederlanden, Dänemark, Großbritannien sowie in Norwegen planen verschiedene Firmen weitere Großprojekte für die marine geologische CO2-Speicherung in der Nordsee, weil sich dies mittlerweile aufgrund der steigenden Preise für Emissionszertifikate auch wirtschaftlich lohnen kann.

Schätzungen zufolge lassen sich im tiefen Meeresboden der gesamten Nordsee etwa 150 Mrd. Tonnen CO2 einlagern, unterhalb der deutschen Nordsee 3,6 bis 10.4 Mrd. Tonnen. Zum Vergleich: Berechnungen zufolge wird Deutschland künftig Rest-Emissionen in Höhe von 0,04 – 0,1 Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr produzieren.

Risikokonzepte rechtzeitig entwickeln

Hier setzt die vom Bundesforschungsministerium (BMBF) und den norddeutschen Ländern geförderte Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) an. Sie untersucht offene geologische, technische und rechtliche Fragestellungen einer CO2-Speicherung im Meeresboden der deutschen Nordsee. Ziel sei es, Lösungen und Handlungsoptionen sowie Überwachungs- und Vorsorgekonzepte für bekannte Risiken zu entwickeln. Dies unterstrich Prof. Andreas Oschlies, Co-Sprecher CDRmare & Klimamodellierung vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel bei einem Pressegespräch in Berlin Ende März.

Zu den bekannten Risiken zählen das ungewollte Entweichen des eingelagerten CO2 aus dem Speichergestein durch Leckagen und die daraus folgende Versauerung bodennaher Wassermassen, zumindest lokal begrenzt auf kleinen Flächen von etwa 50 Quadratmetern. Dazu kommt eine potenzielle Belastung der Meeresumwelt durch sehr salziges Formationswasser sowie durch Schwermetalle und andere für die Umwelt schädliche Stoffe, die im Formationswasser enthalten sein können, welches im Zuge einer CO2-Injektion aus dem Speichergestein verdrängt wird.

Meer ist nicht gleich Meer

Als bekannte Risiken gelten auch seismische Erschütterungen in der Tiefe, welche die Funktionalität und die Standfestigkeit am Meeresboden verankerter Infrastrukturen gefährden könnten. Zudem die Lärmbelästigung für Meeresorganismen, beispielsweise von Schweinswalen, im Zuge der Suche nach geeigneten Speicherstrukturen, beim Bau der Anlagen sowie der langfristigen Überwachung der CO2-Speicher. Überwachungs- und Vorsorgekonzepte seien zwar für CCS-Projekte in Nachbarländern entwickelt worden, diese müssten nun aber an die Bedingungen in der deutschen Nordsee angepasst und gegebenenfalls ergänzt werden, so Oschlies. Zudem würden Strategien zum Umgang mit möglichen Konflikten mit anderen Nutzungsformen der Nordsee wie beispielsweise Offshore-Windkraftanlagen benötigt.

Schäden im Ökosystem nicht auszuschließen

Potenzielle Schäden im Ökosystem durch die marine geologische CO2-Speicherung seien nicht völlig auszuschließen, sie seien jedoch im Vergleich zu den Klimaschutzvorteilen überschaubar, so der Tenor der Forscher von CDRmare. „Kohlendioxid kann sicher und dauerhaft unter dem Meeresboden der Nordsee deponiert werden. Um die Umweltrisiken zu minimieren, müssen geeignete Standorte ausgewählt und diese sorgfältig erkundet und kontinuierlich überwacht werden“, sagte Prof. Klaus Wallmann vom GEOMAR Helmholz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Die Erkundung von möglichen Standorten in der Deutschen Nordsee müsse zeitnah ermöglicht werden.

Rechtliche Hürden und offene Fragen

Dies scheitere allerdings derzeit noch zahlreichen rechtlichen Hürden, konstatiert Prof. Alexander Proelß von der Universität Hamburg. So gilt in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig Holstein ein Verbot der unterirdischen CO2-Speicherung im küstennahen Bereich der Nordsee. Zudem hätten Anträge für die Zulassung von CO2-Speichern in der deutschen Nordsee laut dem Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) schon bis Ende 2016 eingereicht werden müssen.

Aktuell sei zum Beispiel auch unklar, ob CO2-Speicherprojekte jenseits des 12 Seemeilen breiten Küstenmeers umgesetzt werden könnten, wenn die Antragsfrist verlängert würde, oder ob auch diese dem Länderrecht unterliegen. Die Erforschung der Möglichkeit der CO2-Speicherung in Basaltgestein im mittelozeanischen Meeresrücken stößt ebenfalls an gesetzliche Hürden. So bedarf es unter anderem der rechtlichen Klärung, ob das Transportieren und Einlagern von CO2 in den Meeresboden zu Forschungszwecken mit geltendem Recht vereinbar ist. Hans-Christoph Neidlein


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