Menü öffnen

KlimaschutzgesetzErste Zweijahresbilanz des Expertenrats für Klimafragen

Abgeerntetes trockenes Maisfeld, im Hintergrund Windräder
Der Klimawandel ist längst Realtität. Eingangene Verpflichtungen und Gesetze sind nicht ausreichend, wenn wir eine lebenswerte Erde bewahren wollen. (Foto: Petra Franke / energiezukunft)

Zum deutschen Klimaschutzgesetz gehört ein Monitoring. Die Bilanz des erstmals vorgelegten Zweijahresbericht des Expertenrats für Klimafragen fällt ernüchternd aus. Deutschland muss die Spur wechseln, wir sind beim Klimaschutz nicht auf Kurs.

08.11.2022 – Der Expertenrat für Klimafragen – mit dem Klimaschutzgesetz 2020 installiert, hat am Freitag sein erstes Zweijahresgutachten in der Bundespressekonferenz vorgestellt. Die Bilanz lässt keinen Zweifel: ohne einen Paradigmenwechsel ist die Zielerreichung 2030 in Gefahr. Gemäß seinem gesetzlichen Auftrag untersucht das unabhängige Gremium die Entwicklungen der Treibhausgasemissionen, Trends bezüglich der Jahresemissionsmengen und die Wirksamkeit von Maßnahmen mit Blick auf die Zielerreichung nach dem Bundes-Klimaschutzgesetz.  

Zunächst werden im Gutachten die Treibhausgasemissionen beschrieben. Immerhin eine Gesamtminderung der Emissionen um rund 27 Prozent zwischen den Jahren 2000 und 2021 attestieren die Expert:innen für Deutschland, wobei der Energiesektor fast die Hälfte der Minderungen in der Phase zwischen 2010 und 2020 erreicht hat. Auf den 20-Jahres-Zeitraum bezogen hat der Gebäudesektor ähnlich viel erreicht – allerdings zu Beginn des Jahrtausends zwischen 2000 und 2010 durch den Tausch alter Heizkessel. Verkehr und Industrie hingegen minderten ihre Emissionen wesentlich weniger – und ähnlich wie der Gebäudesektor vor allem zu Beginn des Jahrtausends. In den letzten zehn Jahren haben die Sektoren wenig Substanzielles erreicht. Industrie und Verkehr werden sogar tendenziell bis 2030 mehr Emissionen verursachen – so der Trend laut Gutachten.

Vielfaches der erreichten Minderungen notwendig

Deutschland ist also bei weitem nicht auf Kurs in Sachen Klimaschutz. „Die bisherigen Emissions-Reduktionsraten reichen bei weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren,“ stellt Ratsmitglied Thomas Heimer fest und führt aus: „Die jährlich erzielte Minderungsmenge müsste sich im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten 10 Jahre mehr als verdoppeln. Im Industriesektor wäre etwa eine 10-fache und bei Verkehr sogar eine 14-fache Erhöhung der durchschnittlichen Minderungsmenge pro Jahr notwendig.“ Diese enormen Minderungen bedeuten nicht mehr einfach nur mehr Anstrengungen, sondern einen Paradigmenwechsel.

Rebound-Effekte schmälern Erfolge

Parallel zur nicht ausreichenden Minderung der Emissionen haben zusätzlicher Konsum und andere Rebound-Effekte die Erfolge geschmälert. „Wir sehen, dass ein nahezu kontinuierlicher Zuwachs der Aktivitäten in allen Sektoren einschließlich Rebound-Effekten einer technisch möglichen stärkeren Absenkung der Emissionen entgegenwirkte,“ fasst der Klimarat-Vorsitzende Hans-Martin Henning zusammen. „Effizienzgewinne wurden also beispielsweise durch das allgemeine Wirtschaftswachstum, größere Wohnfläche oder gestiegene Transportleistungen konterkariert.”  

Das bisherige Ausbautempo bei Solar- und Windenergieanlagen, Wärmepumpen oder der Elektromobilität wird laut dem Zweijahresgutachten bei weitem nicht ausreichen, um die jeweils anvisierten Ausbauziele der Regierung zu erreichen. Zudem wird deutlich, dass im gleichen Maße der Abbau des fossilen Kapitalstocks im Gebäude- oder Verkehrssektor, beispielsweise von Öl- und Gasheizungen oder des fossilen Pkw-Bestands, notwendig wäre, um die Klimaziele auf diesem Wege zu erreichen. „Gelingt es nicht, die Trendwende hin zu einem schnellen Umbau des Kapitalstocks zu realisieren, wird ein Erreichen der Klimaziele nur möglich sein, wenn weitere Hebel, wie die Aktivitätsentwicklung in Verbindung mit einer entsprechenden Änderung des Konsumverhaltens, ebenfalls stärker adressiert werden“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf. 

Im Fazit des Gutachtens wird festgestellt: Während heute vor allem der Wirkraum des Aufbaus von neuem Kapitalstock politisch im Fokus steht, würde ein substanzieller Wechsel darin bestehen, dass zukünftig alle zur Verfügung stehenden Wirkräume konsequent adressiert werden. Das beinhaltet insbesondere auch den Rückbau des fossilen Kapitalstocks sowie die Reduzierung relevanter Aktivitätsgrößen. Eine Möglichkeit für die ganzheitliche Adressierung aller Wirkräume wäre die harte Begrenzung zulässiger Emissionsmengen. Politische Steuerung hätte dann nicht mehr die primäre Aufgabe, Emissionen zu steuern, sondern die dafür umso größere Herausforderung, den Wandel so zu gestalten, dass er für Wirtschaft und Gesellschaft ökonomisch und verteilungspolitisch tragfähig ist.

Klimapolitik wäre dann nicht mehr überwiegend Emissions-Minderungspolitik, sondern zunehmend Wirtschafts- und Sozialpolitik unter den neuen Rahmenbedingungen der harten Mengengrenze, die zugleich die Gefahr von Rebound-Effekten bannen würde.

Rebound-Effekte in Unternehmen

Zu Rebound-Effekten in Unternehmen forscht unter anderem das Öko-Institut. Senken Unternehmen durch Ressourceneffizienz Kosten, sollten sie die Einsparungen in weitere, ambitionierte Umwelt- und Effizienzmaßnahmen investieren, lautet die Empfehlung. Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, um Rebound-Effekten in Unternehmen zu begegnen: „In unseren Interviews und Praxisfallstudien haben wir gesehen, dass der Umgang mit Effizienzgewinnen in Unternehmen noch wenig systematisch ist“, fasst Franziska Wolff, Projektleiterin am Öko-Institut für das MERU-Projekt zusammen. Insgesamt sei mehr Bewusstsein in Unternehmen nötig, dass unternehmerisches Handeln dazu beitragen muss, die ökologischen Belastungsgrenzen des Planeten einzuhalten. pf


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft