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Die Meinung
11. November 2022

Weniger Material und Arbeitszeit für Millionen neue Anlagen

Mit jeder Photovoltaikanlage, auch der kleinsten, werden neben Solarmodulen Wechselrichter, Zählerschränke, Einspeisezähler und Überwachungsgeräte verbaut. Das muss in vielen Fällen nicht sein. Millionen Geräte und Arbeitsstunden könnten gespart werden.

Rolf Weber, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft BEG-58 aus Hagen

Rolf Weber, Vorstand der Bürgerenergiegenossenschaft BEG-58 aus Hagen
Foto: privat

Rechnet man den Ressourceneinsatz für eine Photovoltaikanlage hoch, kommt man schnell auf Zahlen, die in die Millionen gehen. Geräte und Arbeitsstunden – in Zeiten holpriger Lieferketten und Fachkräftemangels – kann hier mit klugen Konzepten viel gespart werden. Allein beim Mieterstrom liegt das Einsparpotenzial bei 3,6 Millionen Geräten, 1,2 Millionen Zählerschränken und 1.500 Solarteur-Arbeitsjahren. Passen wir unsere Regeln und Gesetze doch entsprechend an, vereinfachen und sparen wir!

Ein Beispiel im Bereich Mieterstrom: Ein Reihenhaus mit vier Gebäuden und einem durchgehenden Dach, jedes Gebäude bewohnt mit sechs Parteien und eigenem Stromanschluss zum Niederspannungsnetz. Auf jedes Gebäude passt eine PV-Anlage mit 8 Kilowatt Leistung. Würde man auf einem solchen Gebäudekomplex – in meiner Gehend sehr häufig anzutreffen – eine Mieterstromanlage nach den geltenden Regeln installieren, würde in jedem Gebäude eine sogenannte Summenzählung realisiert: vier Photovoltaikanlagen zu je 8 kWp mit vier Wechselrichtern und vier Zählerschränken mit vier Einspeisezählern und vier Überwachungsgeräten.

Die Alternative: Es wird eine PV-Anlage mit 32 Kilowatt Leistung gebaut. Die Summenzählung wird vom Niederspannungs-Hausanschluss in den 10 Kilovolt-Transformator verlegt, mit dem die Niederspannungsleitung der Gebäude verschaltet ist. Für die damit verbundene Nutzung von vielleicht zehn Metern öffentlicher Niederspannungsleitung wird eine pauschale Verteilnetzvergütung von einem Cent pro Kilowattstunde gezahlt. In diesem Beispiel würden drei Wechselrichter, drei Zählerschränke, drei Einspeisezähler und drei Überwachungsgeräte gespart. Auch der Installateur hat weniger Arbeit, ungefähr 12 Stunden, wenn man für jede nicht erfolgte Wechselrichter- und Zählerinstallation vier Stunden ansetzt.

Unsere Genossenschaft, die BEG-58, hat seit 2010 rund 130 PV-Anlagen gebaut, davon 37 auf Doppelhaushälften, 24 auf Reihenhäusern mit je drei Gebäuden vier auf Reihenhäusern mit je vier Gebäuden. Bei uns hat Klimaschutz oberste Priorität. Von daher haben wir bisher ausschließlich eine PV-Anlage auf Doppelhaushälften und Reihenhäuser gebaut. Damit haben wir analog der obigen Rechnung 97 Wechselrichter, 97 Zählerschränke, 97 Einspeisezähler und 97 Überwachungsgeräte eingespart. In Arbeitszeit sind das 48 Solarteur-Arbeitstage. Noch gar nicht eingerechnet sind Spareffekte durch weniger Eichdienstleistung und Defekte, die unweigerlich vorkommen.

Hochgerechnet aufs ganze Land komme ich auf ein Potenzial von 3,6 Millionen Geräten und 1.500 Solarteur-Arbeitsjahren. (Meine zugrundeliegende Rechnung erkläre ich gern.)

Eine weitere in der heutigen Praxis leider gar nicht so seltene Konstellation könnte mit der vorgeschlagenen Variante ebenfalls besser gelöst werden: Nicht alle Dächer in unmittelbarer Nähe und im Besitz einer Wohnungsbaugesellschaft eignen sich gleichermaßen für eine PV-Anlage. Wohnungsbaugesellschaften tun sich schwer, ihren Mietern zu erklären, dass einige Mieterstrom erhalten können, andere nicht. Da wird lieber gar kein Mieterstrom realisiert. Mit der gemeinsamen Einspeisung und Zählung könnten alle Mieter eines Komplexes vom Mieterstrom profitieren, auch diejenigen, die in einem Gebäude wohnen, dessen Dach ungeeignet ist.

Ja, es gibt auch Gegenargumente: Die Strings werden länger, mehr Kupferkabel sind  notwendig. Mitunter muss der Hausanschluss ertüchtigt werden, wenn die gesamte Leistung eines Reihenhauses eingespeist werden soll. Evtl. sind zusätzliche Brandschutzwickel beim Übergang zwischen den Gebäuden notwendig. Doch dieser Zusatzaufwand ist minimal im Vergleich zum gesparten Material und zur gesparten Zeit.

Beim Wechsel in die Direktvermarktung keine neuen Geräte

Der Ansatz lässt sich auch bei der Direktvermarktung verfolgen: Um eine PV-Anlage in die Direktvermarktung übernehmen zu können, muss der Direktvermarkter eigene Geräte zur kaufmännischen Steuerung der PV-Anlage mit einer eigenen SIM-Karte installieren. Sinngemäß gleiche Geräte hat der Netzbetreiber zur technischen Steuerung beim Bau der PV-Anlage installiert. Bei jeder Direktvermarktungsanlage ist also ein Gerät und eine SIM-Karte doppelt vorhanden.

Die Lösung hier: Die Netzbetreiber werden dazu verpflichtet, den Direktvermarktern einen überwachten Zugang zu dem von ihnen installierten Steuerungsgerät bereitzustellen. Das Steuerungsgerät muss die zusätzliche Funktionalität beinhalten, die Steuerungs-Impulse für die Abrechnung des Solar-Stroms an den jeweils Zuständigen automatisch weiterzuleiten. Bei der Steuerung haben die Steuerimpulse des Netzbetreibers immer Vorrang.

Ein Speicher fürs Quartier

Beim Einbau von Batteriespeichern könnten enorme Ressourcen geschont werden. Mit finanziellen Anreizen könnte je 10 Kilovolt-Transformator ein zentraler Speicher mit einer zentralen Steuerung installiert werden. Die teilnehmenden PV-Anlagenbesitzer würden von günstigeren Konditionen profitieren. Die zentralen 10 Kilovolt-Speicher könnten schwarzstartfähig realisiert werden und damit die Resilienz des deutschen Stromnetzes erhöhen. Auch hier eine grobe Einschätzung des Einsparpotentials, die ich bei Interesse gerne näher erläutere: Wir würden rund 2,4 Millionen Speichersteuerungen, und ebenso wichtig, 12.000 Solarteur-Arbeitsjahre einsparen.

Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Millionen von Anlagen mit möglichst wenig Material- und Arbeitseinsatz realisieren können – diese Prämisse sollte unbedingt bei gesetzlichen Regelungen gelten. Einige althergebrachte Prinzipien müssen dafür über Bord geworfen werden – aber es lohnt sich – und wir müssten dafür weder auf Komfort noch auf Sicherheit verzichten.




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