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Nachgefragt
03. März 2023

„Als Zivilgesellschaft sind wir nun umso mehr gefordert“

In Berlin bahnt sich ein schwarz-rotes Bündnis an. Umso wichtiger sei nun ein positiver Volksentscheid für ein klimaneutrales Berlin 2030, sagt Jessamine Davis von der Initiative Klimaneustart Berlin. Die Zivilgesellschaft müsse nun wieder mehr Sichtbarkeit zeigen.

Jessamine Davis, Sprecherin des Volksentscheids "Berlin 2030 Klimaneutral"

Jessamine Davis, Sprecherin des Volksentscheids "Berlin 2030 Klimaneutral"
Eine Frau mit dunklen langen Locken und einem schwarzen T-Shirt
(Bild: Klimaneustart Berlin)

Es war ein wahrer Unterschriftenkrimi. Erst am Tag der Abgabefrist Mitte November letzten Jahres war klar, die Initiative Klimaneustart Berlin hat genügend Unterschriften für die Durchführung eines Volksentscheides gesammelt. Über 260.000 Menschen sprachen sich am Ende dafür aus, die Berliner:innen über ein Gesetz für ein klimaneutrales Berlin 2030 (statt 2045) abstimmen zu lassen. Angesichts der anstehenden Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl, wollten die Initiator:innen der Initiative den Volksentscheid gemeinsam mit der Wahl durchführen. Doch dem schob die SPD einen Riegel vor und erklärte, dass in der Kürze der Zeit nicht genügend Papier für eine solche zusätzliche Abstimmung vorrätig wäre und man die Abgeordnetenhauswahl selbst durch den zusätzlichen Aufwand nicht gefährden wolle.

Frau Davis, schmerzt es noch, dass der Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral nicht gemeinsam mit der Abgeordnetenhauswahl Mitte Februar durchgezogen wurde?

Das war schon ein Riesenschlag ins Gesicht. Wir empfinden das Verhalten der SPD nach wie vor als undemokratisch und können deren Gründe nicht nachvollziehen. Schon bei vergangenen Unterschriftenaktionen für Volksentscheide wurde das nötige Quorum erst auf den letzten Metern erreicht. Die Berliner Verwaltung hätte also damit rechnen müssen, dass unsere Unterschriftenaktion erfolgreich ist und genügend Papier bestellen können. Ein immenser Aufwand wäre Berlin mit der Zusammenlegung erspart geblieben und das sogenannte Abstimmungsgesetz fordert eigentlich eine Zusammenlegung, wo immer es möglich ist. Aber nachdem unser Protest keinen Erfolg hatte, haben wir alle Energie in den neuen Termin am 26.03.2023 gesteckt und wir sind extrem zuversichtlich, dass wir es schaffen.

Nach der Abgeordnetenhauswahl und den Sondierungen in den letzten Wochen gehen nun CDU und SPD in die Koalitionsverhandlungen. Ungute Voraussetzungen für ein klimaneutrales Berlin 2030?

Wir haben eine Umfrage in Auftrag gegeben, wonach die Mehrheit der Wähler:innen von Grüne, Linke und SPD unseren Volksentscheid unterstützen. Für CDU-Wähler:innen hingegen spielt Klimaschutz eine untergeordnete Rolle. Wir freuen uns nicht auf die Aussicht einer Großen Koalition aus CDU und SPD, da sich beide Parteien bisher nicht für eine ambitionierte Klimapolitik einsetzen und in der Vergangenheit direkte Demokratie nicht ernst genommen haben. Aber, im Gegensatz zum Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, wäre ein Volksentscheid Berlin 2030 Klimaneutral rechtlich bindend, weil wir einen konkreten Gesetzesentwurf zur Abstimmung stellen.

Sollte die Politik die Ziele brechen, wird sie aber lediglich dazu verpflichtet nachzusteuern.

Es wird sicherlich ein steiniger Weg. Umso mehr sind wir als Zivilgesellschaft nun gefordert gegenüber der Politik klarzumachen, es gibt Bereitschaft und kreative Vorschläge für Maßnahmen, die uns zu einem klimaneutralen Berlin 2030 führen. Ein klimaneutrales Berlin können wir als Stadtgesellschaft nur gemeinsam erreichen – unabhängig von politischen Zugehörigkeiten.

Ein wesentlicher Ansatz und Streitpunkt in Berlin ist die Verkehrswende. CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner schlug sich im Wahlkampf wiederholt auf Seiten der Autobefürworter. Die Initiative Berlin Autofrei hingegen will für viele Berliner:innen nur noch 12 Autofahrten pro Jahr innerhalb des S-Bahnrings erlauben. Befürworten Sie eine solche Forderung?

Wir als Klimaneustart Berlin unterstützen nicht explizit Maßnahmen. Das ist nicht Teil unserer Arbeit. Uns geht es insgesamt darum, dass die Stadt ökologisch und sozial gerecht umgebaut wird. So wie die gesamte Stadt aktuell gestaltet ist, sind noch sehr viele Menschen auf ihr Auto angewiesen. Für diese Menschen müssen die Alternativen besser ausgebaut werden, damit sie auch ohne Auto schnell und sicher ans Ziel kommen. Für alle die aus Gründen weiterhin aufs Auto angewiesen sind, können freie Straßen für Entlastung sorgen. Das sieht übrigens auch die Initiative Berlin Autofrei so. Auch ein Klimabürger:innenrat, der im letzten Jahr tagte und auf unsere Initiative zurückging, und ein breites Abbild der Berliner Gesellschaft darstellte, sprach sich nach eingehenden Beratungen etwa für höhere Parkgebühren und eine City-Maut aus, um das Autofahren in der Stadt unattraktiver zu machen.

Innerhalb des S-Bahnrings wählten die Berliner:innen vorwiegend grün, außerhalb des Rings schwarz. Könnte eine größere Eigenständigkeit von Bezirken helfen, die Uneinigkeit in der Politik zu entschärfen?

Ich denke es ist sehr wichtig, dass die Bürger:innen einen Gestaltungsraum haben und sich gehört fühlen. Wenn sie in ihren Kiezen dazu ermächtigt werden, eigene Ideen für einen lebenswerten sozial-ökologischen Raum zu benennen und umzusetzen, dann ist dies insgesamt förderlich für eine Stärkung des Berliner Zusammenhalts und demokratischen Gestaltungsspielraum. Also ja, eine größere politische Eigenständigkeit von Bezirken mit gleichzeitiger Förderung bürgerlicher Beteiligungsmöglichkeiten, wäre hilfreich.

Der Volksentscheid am 26. März rückt in großen Schritten näher. Überall in der Stadt sieht man bereits viele Plakate. Was ist noch konkret geplant, um die Menschen zur Abstimmung zu bewegen?

Wir haben an 7.000 Laternen Plakate aufgehängt. Dazu kommen 650 Großplakate, die wir nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl neu bestücken konnten. Auch im Berliner Nahverkehr sind wir präsent, ebenso wie in den sozialen Netzwerken. Dazu planen wir Postkarten an Haushalte zu verschicken, vor allem in den Gebieten, in denen nach unserer internen Auswertung der anstehende Volksentscheid noch nicht so bekannt ist. Zudem planen wir eine Zeitung, die wir ebenfalls an Haushalte schicken und auf der Straße verteilen wollen, und in der wir den Menschen im Detail vermitteln wollen, warum es so wichtig ist zur Wahlurne zu gehen oder per Briefwahl abzustimmen. Ein klimaneutrales Berlin würde ja nicht nur ein sicheres und gesünderes Leben bedeuten, sondern auch ein preiswerteres, da Erneuerbare Energien gegenüber fossilen immer günstiger werden. Wir werden weiter in den Kiezen der Stadt präsent sein und mit den Berliner:innen ins Gespräch kommen. Einen Tag vor der Abstimmung – am 25.03. – planen wir dann eine Großkundgebung, mit vielen Redebeiträgen und musikalischen Acts, um noch einmal deutlich zu machen, wie wichtig der nächste Tag ist.

Das Interview führte Manuel Grisard


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Kommentare

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Christoph Strebel 23.03.2023, 22:58:47

Ich hätte mir präzisere Angaben gewünscht, wie der Inhalt des Volksentscheid ausgeführt wird, also wo es zu Einschränkungen und Kostensteigerungen kommt, oder zu Kürzungen im Sozialen Bereich.

energiezukunft 24.03.2023, 09:45:14

+29 Gut

Lieber Herr Strebel, vielen Dank für das Interesse an dem Interview. Wie Frau Davis im Interview erläutert, ist es nicht Aufgabe von den Initiator:innen des Volksentscheides Maßnahmen für ein klimaneutrales Berlin 2030 vorzulegen. Sie verweisen dazu unter anderem auf Potenzialstudien der Energy Watch Goup: https://www.energiezukunft.eu/politik/100-prozent-erneuerbare-energien-fuer-berlin-und-brandenburg/

 

Zudem beantworten die Initiator:innen des Volksentscheides viele Fragen in einem FAQ: https://www.berlin2030.org/faq/

 

Mit freundlichen Grüßen

die Redaktion der energiezukunft


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