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BundesverkehrswegeplanAutobahnausbau weitaus klimaschädlicher als angenommen

Ein Tunnel einer Straße wird saniert, dort stauen sich die Autos.
Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten: Sanierungsarbeiten an der Kölner Stadtautobahn. (Bild: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Der Druck für eine Überarbeitung des sogenannten Bundesverkehrswegeplans steigt. Neue Analysen von Umweltverbänden zeigen: Die Bewertungen des Bundes zu den klimaschädlichen Auswirkungen von Fernstraßenprojekten sind viel zu niedrig.

27.02.2023 – Er ist noch immer ein Relikt der Großen Koalition von 2016, der Bundesverkehrswegeplan 2030 – kurz BVWP. Der sieht den Bau von über 1.000 neuen Fernstraßen bis Ende des Jahrzehnts vor, davon etwa 600 Projekte des sogenannten vordringlichen Bedarfs. Einige davon sieht Bundesverkehrsminister Volker Wissing im „überragenden öffentlichen Interesse“, wie etwa 115 Vorhaben zur sogenannten Engpassbeseitigung. Dabei geht es um die Verbreiterung von Autobahnen auf sechs, acht und zehn Spuren und den Ausbau von Knotenpunkten.

Laut Analyse des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) von Anfang Februar will Wissing dafür mindestens 30 Milliarden Euro ausgeben und zugleich in Kauf nehmen über 80 Naturschutzgebiete zu zerstören und den jährlichen CO2-Ausstoß deutlich zu steigern. Denn der BUND verweist auf den Effekt des sogenannten induzierten Verkehrs. Ein Ausbau von Straßen macht die Fahrt mit Pkws und Lkws attraktiver, sodass mehr Verkehr entsteht, der Umwelt und Klima schädigt. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete.

Eine Million Tonnen jährlich

Nun legt der BUND gemeinsam mit Greenpeace und dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nach. In einer gemeinsamen Analyse der Klimabewertungen der etwa 600 Fernstraßenprojekte des vordinglichen Bedarfs, kommen die Umweltverbände zu dem Ergebnis, dass das Bundesverkehrsministerium den Klimaschaden der Projekte viel zu gering bemisst. Der Umweltbericht zum BVWP 2030 weist demnach zusätzliche CO2-Emissionen von 545.000 Tonnen jährlich aus, die durch die 600 Projekte entstehen würden. Doch die Umweltverbände kommen zu dem Ergebnis, dass die Emissionen dieser Projekte über einer Millionen Tonnen CO2 jährlich betragen würden.

Zudem würden die Klimabewertungen des BVWP 2030 relevante Emissionsquellen ignorieren, so BUND und Greenpeace – etwa steigenden Lkw-Verkehr, der durch neue Autobahnen entsteht, oder den Verlust von CO2-speichernden Senken, etwa durch die Entwässerung von Mooren. Insofern sei auch die eigene Analyse eher konservativ gerechnet. „Immer mehr Straßen vergrößern den Klimarückstand des Verkehrs nur noch weiter. Wir brauchen eine moderne Verkehrspolitik, die konsequent auf klimaschonende Mobilität wie die Bahn setzt“, fordert Lena Donat, Greenpeace-Mobilitätsexpertin.

Antje von Broock, BUND Geschäftsführerin, sagt: „Bei der aktuellen Bedarfsplanüberprüfung müssen daher die gesamten Treibhausgasemissionen umfassend ermittelt und alle Projekte mit Blick auf die Klima- und Naturschutzziele neu bewertet werden.“ Auf Anfrage der energiezukunft, wie sie die Ergebnisse der Umweltverbände einordnen, erklärte das Bundesverkehrsministerium (BMDV), man gehe grundsätzlich davon aus, dass bei der Umweltprüfung alle rechtlichen Anforderungen eingehalten wurden und die Methodik dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprach. Man prüfe jedoch fortlaufend  inwiefern neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Methodik und Verfahren der Bundesverkehrswegeplanung integriert werden sollten. Man sei mit Verbänden in einem Dialogprozess über die künftige Ausgestaltung des BVWP.

Knackpunkt Güterverkehr

Der BVWP regelt nicht nur den Ausbau von Straßen, sondern auch den von Schienen- und Wasserwegen. Die sind aber im aktuell geltenden Plan gegenüber der Straße benachteiligt. 50 Prozent der Investitionen sind bislang für die Straße vorgesehen, 40 Prozent für die Schiene und 10 Prozent für Wasserwege. Im Koalitionsvertrag hatten die Ampel Parteien festgelegt mehr in die Schieneninfrastruktur gegenüber dem Straßenverkehr zu investieren. 2023 soll dieses Ziel erstmals erreicht werden – wenn auch vergleichsweise knapp, mit 8,9 Milliarden für die Schiene gegenüber 8,6 Milliarden Euro für Erhalt und Ausbau von Straßen.

Das Bundesverkehrsministerium begründet weitere vorrangige Investitionen in die Straße vor allem mit dem Güterverkehr. „Gemessen an der Verkehrsleistung werden auf der Straße gut fünf Mal mehr Güter befördert als auf der Schiene. Das Gütervolumen wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Obwohl wir den Ausbau der Schiene zu einem Hochleistungsnetz entschieden und mit Nachdruck vorantreiben, wird auch in Zukunft der Großteil der Verkehrsleistung auf die Straße entfallen", so ein Pressesprecher des BMDV auf Anfrage. Dem halten der BUND und die Allianz pro Schiene entgegen, dass deutlich mehr in den Schienengüterverkehr investiert werden müsse, als in die Straßeninfrastruktur. Ein Güterzug könne bis zu 52 Lkws ersetzen, so die Verbände. Zudem würden Güterzüge 7,4 Mal weniger CO₂ ausstoßen als Lkws. Dies zeigen aktuelle Zahlen des Umweltbundesamts, die die Allianz pro Schiene ausgewertet hat.

Im März will die Ampel-Partei eine Entscheidung fällen, welche Verkehrsinfrastrukturprojekte als vordringlich betrachtet werden sollen. Die FDP setzt sich für viele Straßenprojekte ein, die Grünen wollen den Fokus auf Erhalt und Ausbau der Schiene legen. mg


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