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BundesverkehrswegeplanDeutsche Straßenplanung verfehlt Pariser Klimaziele

Eine Autobahn mitten in der Stadt. Rechts Häuser, Links die S-Bahn.
Wie hier in Berlin die A100, führen Autobahnen sogar mitten durch die Stadt. Anstatt Alternativen zum Auto zu fördern, pumpt der Bund weitere Milliarden in den Ausbau der A100 und gegen den Willen vieler in der Stadt. (Bild: Jochen Teufel, WikiCommons, CC BY-SA 3.0)

Ein neues juristisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der geltende Plan zum Bau von Fernstraßen in Deutschland gegen EU-Richtlinien verstößt und verfassungswidrig ist. Die Pariser Klimaziele werden demnach in den Planungen ignoriert.

11.10.2021 – Die Hoheit über die Planungen von Fernverkehrsstraßen liegt beim Bund, genauer beim Bundesverkehrsministerium. Dort wurde der Bundesverkehrswegeplan 2030 erarbeitet, der 2016 von der Großen Koalition verabschiedet wurde und bis Ende dieses Jahrzehnts den Bau von über 1.000 neuen Fernstraßen in Deutschland vorsieht.

Ob gegen den Ausbau der A49 durch den Dannenröder Wald oder der A20 im Norden des Landes, der Protest gegen weitere Autobahnen, die schützenswerte Gebiete zerstören und das Klima belasten, ist groß. Ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen, Bürger:innen und Politiker:innen fordert eine rasche Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans.

Rückhalt gibt ihnen ein neues Gutachten der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Demnach verstoße der aktuell geltende Fernstraßenbedarfsplan und der ihm zugrunde liegende Bundesverkehrswegeplan sowohl gegen EU-Recht als auch gegen das deutsche Grundgesetz.

Gegen EU-Recht

In ihrem Gutachten erläutert die Rechtsanwältin Franziska Heß, dass der Fernstraßenbedarfsplan Richtlinien der Europäischen Union über die strategische Umweltprüfung nicht beachte. Ein entsprechender Umweltbericht müsste demnach „die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen, die die Durchführung des Plans oder Programms auf die Umwelt hat, sowie vernünftige Alternativen, die die Ziele und den geographischen Anwendungsbereich des Plans oder Programms berücksichtigen (…) “.

Heß kommt zu dem Ergebnis, dass der vorliegende Umweltbericht für den Fernstraßenbedarfsplan bis 2030 nicht mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens konform ist, das 2015 beschlossen wurde und nach deren Ratifizierung im November 2016 in Deutschland in Kraft trat. Der Plan zum Straßenausbau lege alte Zielsetzungen zugrunde, die seit der Ratifikation des Paris-Abkommens überholt seien. Auch würden alternative, umweltschonendere Szenarien, wie der Ausbau des Schienenverkehrs, fehlen.

Gegen das Grundgesetz

Angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom März dieses Jahrs, sei der Bedarfsplan auch verfassungswidrig, konstatiert Heß. Die Verfassungsrichter:innen urteilten, dass das bis dato geltende Klimaschutzgesetz der Bundesregierung den jungen Kläger:innen ein Recht auf sicheres Leben in der Zukunft verwehre, da gesetzliche Regelungen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung nur bis zum Jahr 2030 vorsehen und damit die Gefahren der Klimakrise vor allem auf die jüngere Generation verschoben würden. Die Bundesregierung verschärfte daraufhin ihr Klimagesetz. Konform mit dem Pariser 1,5 Grad-Ziel ist auch die Neufassung nicht.

Bundesverkehrswegeplan und Fernstraßenbedarfsplan indes orientieren sich weder am alten noch am neuen Klimaschutzgesetz und damit auch nicht an den Pariser Klimazielen und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Heß kommt in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass ein wirtschaftlich motiviertes Szenario handlungsleitend gewesen sei, indem individuelle Nutzervorteile, zum Beispiel durch in Geld bewertete Zeitgewinne, berechnet wurden.

Knackpunkt in Koalitionsverhandlungen?

Seit 2009 führten CSU-Politiker ununterbrochen das Bundesverkehrsministerium. Der Bau von Straßen, vor allem in der bayerischen Heimat, hatte in dieser Zeit stets Vorrang. Und mit dem Bundesverkehrswegeplan 2030 sollte dieser Status gefestigt werden. Doch Anfang 2022 steht eine routinemäßig anstehende Bedarfsplanüberprüfung an. Mit Blick auf die neue Bundesregierung sagt Antje von Broock, Geschäftsführerin des BUND: „Ein Festhalten am alten Straßenbauprogramm verhindert die Einhaltung der Ziele des Klimaschutzes im Verkehr und der Biodiversität. Für den BUND ist das ein Gradmesser für ein Mitregieren von Bündnis 90/Die Grünen.“

Im Zuge der Proteste gegen den Ausbau der A49 durch den Dannenröder Wald, sprach sich die Grüne Bundestagsfraktion bereits für ein Moratorium des Neubaus von Autobahnen und Bundesstraßen aus. Deren Planungen müssten demnach grundsätzlich auf Einhaltung der Klimaziele und wirtschaftlichen Notwendigkeit hin überprüft werden. In ihrem Wahlprogramm fordern die Grünen den Bundesverkehrswegeplan schnellstmöglich durch einen neuen Bundesnetzplan zu ersetzen, der die Alternativen miteinbezieht und fördert, sowie Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesfernstraßen deutlich reduziert.

Bei den möglichen Koalitionspartnern SPD und FDP findet sich keine direkte Forderung nach einer Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans. Als Teil der Großen Koalition hatte die SPD den Beschluss zum Bundesverkehrswegeplan 2016 mitzuverantworten. Programmatisch bietet das aktuelle Wahlprogramm der SPD jedoch große Schnittmengen mit den Grünen zur Umsetzung einer Mobilitätswende in Deutschland, wie dem deutlichen Ausbau des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene. Europaweit soll Bahnfahren dabei günstiger und attraktiver werden.

Die FDP dagegen fordert den „Aufwuchs der Investitionsmittel“ für alle Verkehrsmittel verlässlich fortzusetzen, auch die der Straße. Es gehe darum im Sinne der Wirtschaft Planungsverfahren zu beschleunigen. Nach einer Abkehr vom Bau neuer Autobahnen klingt das nicht. In den anstehenden Koalitionsverhandlungen für ein Ampel-Bündnis könnte das einer der Knackpunkte sein. mf


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