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Europas SchienenverkehrEin Flickenteppich nationaler Bahnsysteme

ICE und Thalys im Kölner Hauptbahnhof
Für Reisende von Berlin nach Paris geht es oftmals über Köln, wo sie umsteigen müssen, vom ICE in einen Thalys. (Foto: Qualle / WikiCommons, CC BY-SA 3.0)

Mit schnellen Direktverbindungen zwischen Europas Metropolen würden viele Menschen vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen. Doch daran hapert es. Mehr Investitionen und Kooperationen in der EU sind nötig. Deutschland spielt dabei eine Schlüsselrolle.

21.01.2021 – Fast 8,5 Millionen Menschen flogen 2019 auf der Route zwischen Amsterdam, Paris, Lyon und Barcelona. Wer klimaschädlich von Amsterdam nach Barcelona fliegt, kann dies Nonstop in 2,15 Stunden erledigen. Wer hingegen klimafreundlich mit dem Zug fahren will, muss viel Zeit und Geduld aufbringen. Zwei Umstiege oder mehr sind nötig. Inklusive Umstiegszeiten sind die Passagiere bei der schnellsten Verbindung über 13 Stunden unterwegs. Verspätungen könnten selbst diesen Zeitplan zunichtemachen. Eine Direktverbindung von Amsterdam, über Paris, nach Barcelona, wäre dagegen in 10,15 Stunden machbar, wie die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch gemeinsam mit anderen europäischen NGOs in einer Studie zeigt.

Und viele Europäer wären zu einem Umstieg bereit. Eine europaweite Umfrage im September 2020 ergab, dass zwei Drittel der Menschen ein Verbot von Kurzstreckenflügen unterstützen würden, wenn die Ziele innerhalb von 12 Stunden zu erreichen sind. Doch bislang gebe es kein echtes europäisches Bahnnetz, sondern einen Flickenteppich von nationalen Bahnsystemen, wie Lena Donat, eine der Autorinnen des Reports von Germanwatch, kritisiert.

„Züge enden an der Grenze, eine internationale Bahnfahrkarte zu buchen lässt selbst Bahnfans verzweifeln und die Schienen-Infrastruktur an Grenzübergängen ist oft in einem kümmerlichen Zustand. Wir brauchen dringend mehr Europa und Gestaltungswillen im Bahnverkehr“, so Donat weiter.

Berlin – Barcelona (aktuell): 24 Stunden

Bei einer grenzüberschreitenden Verbindung von Berlin nach Barcelona zeigt die Deutsche Bahn zwar eine Verbindung mit drei Umstiegen und einer Dauer von fast 24 Stunden an, aber ein Ticket für diese Verbindung lässt sich nicht direkt erwerben. So müsste man auf den Websites der verschiedenen Anbieter Tickets für einzelne Segmente der Verbindung kaufen, oder auf fremde Plattformen wie Trainline zurückgreifen. Bei einer Fahrt von Berlin nach Paris dagegen ist der Erwerb eines Tickets über die Deutsche Bahn bereits möglich.

Und auf dieser Strecke sollen bald weitere Verbesserungen kommen. Schon in diesem Jahr soll es erste Direktverbindungen geben, kündigte der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer Ende vergangenen Jahres an. Über Köln und Brüssel könnten die Menschen dann ohne Umstieg in 7,45 Stunden von Berlin aus in Paris sein. Mit einer besseren Taktung seien sogar 7,15 Stunden möglich. 2019 flogen täglich 3.000 Menschen von Berlin nach Paris. Viele könnten mit einer komfortablen Direktverbindung vom klimafreundlichen Umstieg auf den Zug überzeugt werden.

Berlin – Barcelona (in Zukunft?): 13 Stunden

Bis 2024 soll es sogar eine Direktverbindung von Berlin nach Barcelona in 13,15 Stunden geben. Auch die Verbindung Amsterdam – Barcelona soll in dieser Zeit an den Start gehen. Der Ausbau von Nachtzügen mit Schlafwaggons für längere Strecken ist ebenfalls Teil der angekündigten Maßnahmen. Mit Deutschland als Drehkreuz sind langfristig paneuropäische Verbindungen bis nach Stockholm und Warschau in Planung.

Doch der Report von Germanwatch und Co. zeigt auch, dass gerade in Deutschland große Probleme bei der Infrastrukturplanung bestehen. So fehlt es in Deutschland bei der Deutschen Bahn an einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung. Die Bahn ist als Aktiengesellschaft organisiert und arbeitet entsprechend gewinnorientiert. Hohe Investitionen in das Netz werden daher oftmals vermieden, bis der Staat einspringt. Dieses System kritisierte auch jüngst die Fraktion der Grünen im Bundestag und forderte die Bahn in eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Gemeinwohlorientierung zu überführen.

Darüber hinaus verlangt die Deutsche Bahn als Verwalter des deutschen Schienennetzes mit die höchsten Netzgebühren in ganz Europa. Des Weiteren liegen Verantwortlichkeiten für den Zugverkehr bei regionalen Behörden, was gemeinsame Planungen zusätzlich erschwert. Zumindest will der Staat in den kommenden zehn Jahren 170 Milliarden Euro in den Schienenverkehr investieren – was dringend nötig ist, da die Investitionen in den Schienenverkehr in den vergangenen Jahren weit hinter anderen Ländern in Europa zurücklagen.

Das Europäische Jahr der Schiene

Doch innerhalb der Europäischen Union hapert es ebenfalls. Laut Studie fließen 50 Prozent europäischer Förderungen für den Verkehrssektor in den Straßenverkehr. Nur 25 Prozent der Gelder gehen in Schienen-Projekte. Auch bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) sieht es ähnlich aus. Ein Viertel der Investitionen der EIB gehen zwar in die Verkehrsinfrastruktur, doch bislang vor allem in Flughäfen und Autobahnen. „Um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen, brauchen wir ein engmaschiges und attraktives Bahnnetz in Europa, das eine echte Alternative zum Flug und zum Auto bietet“, sagt Donat von Germanwatch.

Nun hat die Europäische Union 2021 zum Europäischen Jahr der Schiene ausgerufen. Mit vielen Veranstaltungen und Projekten sollen in ganz Europa Strategien für den Aufbau eines effizienten paneuropäischen Schienennetzes entwickelt werden. „Wir werden diese Gelegenheit nutzen, um den Schienenverkehr durch eine Vielzahl von Maßnahmen dabei zu unterstützen, sein Potenzial voll auszuschöpfen“, so die EU-Verkehrskommissarin Adina Vălean. Es steht noch viel Arbeit an. mf


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