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KlimazieleEmissionen in Deutschland sanken 2023 auf niedrigsten Stand in 70 Jahren

Rauchende Industrieschornsteine
Deutschland stieß 2023 so wenig Emissionen aus wie seit den 1950er Jahren nicht mehr. Nachhaltige Veränderungen machen allerdings unter einem Drittel der Emissionsminderungen aus (Bild: Pixource / Pixabay)

Deutschland erreicht seine Klimaziele. Statt durch starken Klimaschutz sanken Emissionen vor allem aufgrund des Konjunktureinbruchs in der energieintensiven Industrie. Immerhin wurde auch deutlich weniger Kohle verbrannt.

05.01.2024 – Deutschland hat 2023 sein Klimaschutzziel unterschritten und so wenig Emissionen ausgestoßen, wie zuletzt in den 1950er Jahren. Das zeigt die Bilanz Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023 des Thinktanks Agora Energiewende.

Der THG-Ausstoß Deutschlands lag im vergangenen Jahr bei 674 Tonnen CO₂e. Damit wurden rund 73 Millionen Tonnen weniger Emissionen ausgestoßen als im Vorjahr und 49 Millionen Tonnen weniger als vom Klimaschutzgesetz gefordert.

Weniger Kohle, mehr Erneuerbare

Verantwortlich für den Rückgang ist teilweise eine geringere Kohleverstromung. Durch eine gesunkene Stromnachfrage, mehr Stromimporte aus europäischen Nachbarländern und weniger Stromexporte konnten bei der Kohleverstromung rund 44 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden.

Etwa die Hälfte des importierten Stroms wurde durch Erneuerbare Energien erzeugt. Auch der Ökostromzuwachs spielt eine Rolle. Im vergangenen Jahr deckten Erneuerbare Energien mit fast 60 Prozent erstmals den Großteil des deutschen Stromverbrauchs.

„Die Energiewirtschaft verzeichnete mit dem historischen Hoch bei den Erneuerbaren Energien einen klimapolitischen Erfolg, der uns näher zum 2030-Ziel bringt“, sagt Simon Müller, Direktor von Agora Energiewende Deutschland. Ökostrom sei für die meisten Verbraucher jedoch noch nicht so günstig, wie er sein sollte. „Der Strompreis ist durch Abgaben und Umlagen stärker belastet als die Preise für fossile Energieträger wie Öl und Gas. Das bremst den Umstieg von Haushalten auf klimafreundliche Technologien wie E-Autos oder Wärmepumpen.“

Starke kurzfristige Effekte, wenig nachhaltige Veränderung

Auch eine schwache Konjunktur und Krisen in einigen energieintensiven Sektoren sorgten für deutlich weniger Emissionen. Zum Vergleich weisen die Autoren darauf hin, dass die energieintensive Produktion 2023 um rund 11 Prozent geschrumpft ist, während die gesamtwirtschaftliche Leistung nur um etwa 0,3 Prozent zurückging.

Lediglich 15 Prozent der Reduktion seien auf nachhaltige Veränderungen wie den Zubau an Erneuerbaren Energien, langfristige Effizienzsteigerung und ähnliches zurückzuführen. Bei mindestens der Hälfte handele es sich hingegen um kurzfristige Effekte. In der Industrie seien kaum nachhaltige Entwicklungen zu verzeichnen. Die Reduktion könnte also eine Ausnahme bleiben und weise nicht notwendigerweise auf eine langfristige Minderung, warnen die Autoren der Studie.

„Der krisenbedingte Produktionseinbruch schwächt den Industriestandort Deutschland. Wenn in der Folge Emissionen lediglich ins Ausland verlagert werden, ist auch für das Klima nichts gewonnen. Auch die Bereiche Gebäude und Verkehr hinken beim strukturellen Klimaschutz hinterher“, so Müller.

Emissionen aus Verkehr und Gebäude stagnieren

Handlungsbedarf bestehe besonders in den Sektoren Verkehr und Gebäude, in denen Emissionen stagnieren und nun zum dritten Mal in Folge die Klimaziele ihres Sektors rissen.

„Niemand darf eine Krise in bestimmten Industrien mit erfolgreicher Klimapolitik verwechseln“, sagt auch Clara Thompson, Mobilitätsexpertin bei Greenpeace Deutschland. In den Emissionszahlen stecke ein politischer Auftrag, den Rückgang zu verstetigen. „Für Verkehrsminister Wissing hingegen sind diese Zahlen die nächste klimapolitische Backpfeife. Während im zweiten Problembereich, den Gebäuden, inzwischen der Kurs korrigiert wurde, fehlen im Verkehr weiterhin politische Maßnahmen, um den CO₂ -Ausstoß mit dem nötigen Tempo zu senken.“

Eine weitere potentielle Schwachstelle bildet die Landwirtschaft. Der Sektor unterschreitet zwar derzeit mit 61 Millionen Tonnen an Emissionen sein gesetztes Minderungsziel. Als maßgeblicher Grund gilt allerdings eine veränderte Berechnungsmethode des THG Lachgas. Diese führt statistisch zu geringeren Emissionen, was in Vorgaben noch nicht berücksichtigt wurde. Ein Rückgang um etwa eine Million Tonnen CO₂ im Vorjahresvergleich wurde durch verringerte Stickstoffdüngung und Tierbestände erzielt.

EU-Sektorenziele kaum noch erreichbar

Ende des Jahres bestätigte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in zwei getrennten Verfahren, dass die im derzeitig geltenden Klimaschutzgesetz verankerten Sektorenziele von der Bundesregierung einzuhalten sind.

Verfehlte Sektorenziele führen mit großer Wahrscheinlichkeit auch dazu, dass Deutschland 2024 die EU-Klimaschutzverordnung bricht. Im Zuge der 2023 novellierten Lastenteilung sind Emissionsminderungsziele für Sektoren vereinbart, die nicht unter das europäische Emissionshandelssystem fallen.

Die Sektoren, zu denen unter anderem Verkehr, Gebäude und die Landwirtschaft gehören, machen nahezu 60 Prozent der Gesamtemissionen der EU aus. Für sie gelten jährliche Minderungsziele, die Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 reduzieren sollen. jb


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