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GasförderungGroße Bedenken gegen Fracking in NRW

Ein grauhaariger Mann im Anzug, an einem Rednerpult mit Mikrofonen vor sich
Seit Juni 2017 ist Andreas Pinkwart Energie- und Wirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen. (Bild: Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) Lizenz: CC BY-SA 3.0-de)

NRWs Wirtschaftsminister Pinkwart erwägt Fracking zur Gasförderung im Land zu erproben, um unabhängiger von russischem Gas zu werden. Noch ist dies rechtlich nicht möglich. Zudem gibt es massive Bedenken, nicht nur wegen Klima- und Umweltschutz.

21.04.2022 – Es gelte Schiefergasvorhaben in Nordrhein-Westfalen zu erkunden, sagte NRWs Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart am Mittwoch gegenüber dem WDR. Um schneller von russischem Gas unabhängig zu werden, sollten „risikoärmere Verfahren als sie andernorts eingesetzt werden“ im Bundesland erprobt werden. Welche risikoärmeren Verfahren das sind, ließ Pinkwart offen.

In Deutschland unterscheidet das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) bislang zwischen Fracking in konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten. Sandsteinlagerstätten etwa gelten als konventionell und werden zur Gewinnung von Erdgas genutzt, auch wenn diese Fördermethode ebenfalls in der Kritik steht und 2016 von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe ebenfalls als "nicht-konventionell" eingestuft wurde. Die Behörde untersteht dem BMWK. Die Vorkommen in diesen Lagerstätten erschöpfen sich zudem zunehmend. Als unkonventionell gilt laut BMWK hingegen nur die Erdgasgewinnung aus Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein, die in Deutschland bislang nicht erprobt wurde.

Gas aus Gesteinsschichten wie Schiefer zu gewinnen ist vor allem in den USA eine häufig genutzte Methode zur Förderung des fossilen Brennstoffs. Um an das Gas zu gelangen, wird ein Gemisch aus großen Mengen Wasser, Sand und giftigen Chemikalien mit hohem Druck in das Schiefergestein gepumpt und dieses aufgebrochen. Durch Risse fließt Gas an die Oberfläche.

Kategorisch verboten

2015 entschied die damalige von SPD und Grünen geführte Landesregierung, Schiefer-Fracking in NRW kategorisch zu verbieten. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und der grüne Koalitionspartner betonten mehrfach, dass sie das massiv in der Kritik stehende Fracking als unnötig und zu gefährlich für Mensch und Umwelt halten. Das Fracking-Verbot wurde 2016 in den Landesentwicklungsplan aufgenommen.

Auch auf Bundesebene sind Schiefer-Fracking-Vorhaben grundsätzlich nicht zulässig. Jedoch besteht ebenfalls seit 2016 die gesetzliche Regelung, dass in Deutschland insgesamt vier Probebohrungen stattfinden dürfen, die wissenschaftlich begleitet werden sollen. Doch kein Bundesland wollte bislang diese Probebohrungen durchführen. Trotzdem nahm im Mai 2019 eine Expertenkommission im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ihre Arbeit auf und legte im Juni 2021 einen Abschlussbericht vor, in dem Fracking aus Gesteinsschichten wie Schiefer in Deutschland nicht grundsätzlich ausgeschlossen wird, es jedoch eines gesellschaftlichen Dialoges bedarf.

Der Energieexperte Andy Gheorghiu, der sich seit vielen Jahren gegen Fracking, Erdgas und dem Bau der dafür benötigten Infrastruktur einsetzt, kritisiert jedoch eine aus seiner Sicht unzureichende und mängelbehaftete Analyse der Expertenkommission. „Die größte Sammlung der negativen Auswirkungen von Fracking, das sogenannte Kompendium, wurde nicht als Quelle hinzugenommen. Genauso wenig, wie das sehr umfangreiche UBA Gutachten aus dem Jahr 2014“, so Gheorghiu gegenüber energiezukunft.

Giftiges Abwasser

Das Umweltbundesamt (UBA) warnt, dass Gas beim Schiefergas-Fracking auch ins Grundwasser gelangen und dieses verunreinigen kann. Zudem geraten große Mengen giftiges von Chemikalien durchsetztes Wasser wieder an die Oberfläche, bei dem große Besorgnis und Unsicherheiten bezüglich der Entsorgung des anfallenden Abwassers bestehen. Auch könnte es beim immensen Wasserverbrauch zu Konkurrenzsituationen mit der Landwirtschaft und anderen Konsument:innen kommen. Darüber hinaus wären, Im Vergleich zu den bisher durch konventionelle Erdgasnutzung in Deutschland realisierten Fördervorhaben, laut UBA 48.000 Bohrungen nötig, was in einem dicht besiedelten Deutschland zu erheblichen Nutzungskonflikten führen dürfte. Große Unsicherheiten bestehen derweil beim Methan-Ausstoß, der durch mögliche Leckagen höher ausfallen könnte.

Das Kompendium der Concerned Health Professionals of New York und der Physicians for Social Responsibility ist eine wissenschaftliche Zusammenfassung negativer Auswirkungen von Fracking weltweit, die zuletzt in siebter Auflage im Dezember 2020 erschien. Darin werden nicht nur die bekannten negativen Auswirkungen von Fracking auf Klima und Umwelt aufgeführt, sondern auch Menschenrechtsauswirkungen von Fracking.

Darin wird unter anderem auf einen Bericht des Ausschusses der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau (CEDAW) verwiesen, indem die britische Regierung aufgefordert wird, „die Einführung eines umfassenden und vollständigen Verbots von Fracking in Betracht zu ziehen“ um insbesondere Frauenrechte im ländlichen England zu schützen. Hintergrund sind wissenschaftliche Erkenntnisse, dass in der Nähe aktiver Gasförderanlagen das Risiko für ein geringes Geburtsgewicht steigt.

Heißes Wahlkampfthema

NRWs Wirtschaftsminister Pinkwart will jedoch nun prüfen, wie sich bestehende Verbote aufheben lassen. Dem stellen sich, kurz vor der NRW-Landtagswahl am 15. Mai, die Oppositionsparteien Grüne und SPD entgegen. NRW-Grünen-Chefin Mona Neubaur sagte in der Rheinischen Post: „Es hat gute Gründe, dass unkonventionelles Fracking seit 2017 in Deutschland bis auf wenige Probebohrungen verboten ist.“ Und SPD-Fraktions- und Landeschef Thomas Kutschaty sagte dem WDR: „Bis man soweit ist, dass überhaupt Gas dadurch gewonnen werden kann, dauert es einige Zeit. Damit lösen wir keine kurzfristigen Lieferengpässe.“ Auch wegen der Umweltrisiken und Klimafolgen solle man von dieser Idee Abstand nehmen. NRWs Ministerpräsident Hendrik Wüst von der CDU äußerte sich inzwischen ebenfalls kritisch gegenüber Schiefergas-Fracking im Land.

Die Bundesregierung könnte mit einer neuen Gesetzgebung ohnehin Schiefer-Fracking in Deutschland einen Riegel vorschieben. Passiert ist das bislang nicht. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sei Fracking in Deutschland schwer mit dem Wasserrecht vereinbar. Auch gebe es keine Unternehmen, die das aktuell wollen, so Habeck gegenüber der Funke Mediengruppe. Zudem würde es Jahre dauern neue Förderungen hochzuziehen und Genehmigungsverfahren hinzubekommen.

Unterstützung bekommt NRWs Wirtschaftsminister Pinkwart dagegen aus Bayern. Ministerpräsident Markus Söder will die Fracking-Methode ergebnisoffen prüfen lassen, wie er ebenfalls der Funke Mediengruppe sagte. Gheorghiu befürchtet, dass einflussreiche politische Kräfte in Bund und Ländern die Gas-Krise nun ausnutzen und den bestehenden Rechtsrahmen aufweichen werden. „Aber die können sich auf den heißen Kampf einstellen. Ich denke, dass eine breite Schicht der Bevölkerung in Deutschland ganz klar gegen Fracking ist“, so Gheorghiu. Manuel Först


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Kommentare

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M. Juhre 21.04.2022, 12:45:30

Wenn unsere Politiker massiv den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben würden, und hier den unsäglichen Bürokratismus bei Antragstellung entkrampfen würde, dann bräuchte es nicht diese erneute leidige Diskussion über Fracking. NRW ist dicht besiedelt, durchlöchert von Bergbau und Kiesabgrabungen. Wo sollen die unzähligen nötigen Förderplätze und Fördertürme nach und nach errichtet werden? Im nördlichen Ruhrgebiet oder Münsterland auf landwirtschaftlich genutzten Flächen? Woher kommen die immensen Wassermengen, die beim Fracking benötigt werden und dauerhaft dem natürlichen Kreislauf entzogen werden, bei zunehmendem Wasserverlust in Deutschland?

Wie lange könnten wir uns bestenfalls mit Fracking-Gas versorgen? Noch nicht einmal das ist klar. In der Vergangenheit gab es schon einmal maßlos überzogene Prognosen, die nach vielen Diskussionen über deren Glaubwürdigkeit bald einkassiert werden mussten.

Um weitere Argument vorzubringen, die gegen die Gewinnung von Frackeng-Gas sprechen, fehlt hier der Platz.

Die Branche der Fossilen-Industrie ist in der Zeit der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine leider wieder auferstanden und preist auf allen Ebnen ihr überholtes, klimaschädigendes Geschäftsmodell erneut an.

Wäre doch der Ausbau der erneuerbaren Energien ihr Kerngeschäft!

Maria N 10.05.2022, 17:09:34

Falls Wüst für die Methode Fracking votiert, votiere ich gegen ihn. Falls er ebenfalls dagegen ist, bekommt er meine Stimme. Wie erfahre ich es bis Sonntag?


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